Direkt zum Hauptbereich

Man lernt nie aus

Ich bin kein großer Fan von den Filmen von Nancy Meyers. "Liebe braucht keine Ferien" empfand ich trotz der Star-Besetzung als erschreckend langwierig und zahm, während "Wenn Liebe einfach so wäre" sicherlich eine der schlechtesten, weil schrecklich langen und in ihrer Geschichte extrem banalen romantischen Komödien überhaupt halte... trotz einer fantastischen Meryl Streep. Aber wenn Filmgenie Quentin Tarantino, der ja auch abseits seines Schaffens ein Mensch mit einem recht eigenen und dennoch guten Filmgeschmack ist, ein Werk von Meyers auf die Top-10-Liste des Jahres 2015 setzt, kann man schon mal wieder hellhörig werden. Was genau reizte Tarantino also an einer locker-leichten Komödie namens "Man lernt nie aus"?

MAN LERNT NIE AUS


Ben Whittaker (Robert De Niro) ist siebzig Jahre alt, Witwer und fühlt sich ungebraucht in seinem Leben als Rentner. Da kommt die Anzeige eines E-Commerce-Modeunternehmens, welche speziell nach Senioren als Praktikanten sucht, gerade recht: Ben bewirbt sich, wird angenommen und arbeitet fortan als persönlicher Praktikant der Gründerin und Geschäftsführerin, Jules Ostin (Anne Hathaway). Diese macht sich mit all der Arbeit jedoch einen solchen Stress und hat auch eigentlich gar keine Lust, noch einen älteren Praktikanten herumzuscheuchen, dass die gemeinsame Zusammenarbeit der beiden schon früh unter einem schlechten Stern steht...

Na, das klingt doch schon mal ganz lustig. Ein älterer Herr aus der Zeit, wo Männer noch echte Gentlemen waren, immer ein Taschentuch dabei hatten, Türen aufhielten und in schicken Anzügen auftraten, möchte sich in der neuartigen Welt des Internets zurechtfinden. Möchte, wohlgemerkt, und von daher wird auf jegliche Strapazen, dass sich Mr. De Niro hier schwer tut, mit Facebook, Google und Co. zurecht zu kommen, verzichtet. Anstattdessen erleben wir eine sehr sympathische, lockere Geschichte über einen Mann, der in diese Welt eben mal einen Blick werfen und etwas Neues erleben möchte. Während der ersten Stunde gelingt Nancy Meyers dabei das Kunststück, einige sehr sympathische und lebensnahe Charaktere zu entwerfen, diese in harmlosen, aber treffsicheren Witzchen aufeinander treffen zu lassen und immer wieder über kleinere Handlungsdetails das Interesse am Fortgang der Geschichte zu wecken. Robert De Niro ist hier ein Lebemann, wie er im Buche steht, und seine Begeisterung, sein Tatendrang gegenüber dieser Arbeit überträgt sich mit Leichtigkeit auf den Zuschauer. Ihm gegenüber steht Anne Hathaway, die ja sowieso immer gut ist: Ob als kampfeslustige Amazone in "The Dark Knight Rises", als überforderte Neueinsteigerin im Modebusiness in "Der Teufel trägt Prada" oder in ihrer oscarprämierten Darstellung in dem großartigen Musical-Epos "Les Miserables"... Hathaway kann schlichtweg einfach alles spielen und ist dabei stets so unbemüht und wunderbar, dass sie als eine der stärksten Schauspielerinnen ihrer Generation gelten dürfte. Dies zeigt sie auch in "Man lernt nie aus" und kann dabei einem Robert De Niro das Wasser reichen, was sicherlich nicht viele können. Leider entgleitet Meyers das Story-Gerüst im letzten Drittel zunehmends. Nach einer unpassenden Comedy-Sequenz, die einen Einbruch in ein Wohnhaus inklusive des Diebstahls eines Laptops bereithält, widmet sie sich immer mehr den privaten Belangen der Protagonisten. Was sicherlich ein guter Schritt ist, entwickelt sich hier jedoch zu einem nur noch minder interessanten, sehr gefühlsduseligen und ziemlich dick aufgetragenen Comedy-Drama. Wenn Ben Whittaker in jeglicher Situation immer den passenden Rat parat hat und in kurzer Zeit dabei ein ganzes Büro auf den Kopf stellt, dann hat das sicherlich wenig mit der Realität zu tun und Meyers trägt dabei vor allem gegen Ende viel zu dick auf... da wäre weniger sicherlich mehr gewesen und so dümpelt der Film mit einigen recht plumpen Weisheiten doch sehr unaufgeregt und kitschig zu Ende. Die beiden Schauspielgrößen Hathaway und De Niro umschiffen die meisten Klippen dabei dennoch so sympathisch, dass man dem Film nicht wirklich böse sein mag. Fazit: Gegen Ende verliert "Man lernt nie aus" immer mehr an Schwung und verirrt sich in überzogenen Kitsch, zuvor hat man jedoch eine sehr sympathische, lebensechte und witzige Komödie mit zwei Schauspielern in Top-Form gesehen.

Note: 3+




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se