Direkt zum Hauptbereich

Joker

Es gibt eine Menge Fragen und die schon seit einigen Wochen, seit sich der Kinostart des "Joker"-Films immer weiter näherte. Zum einen natürlich, wie all die unterschiedlichen Kritiken einzuordnen sind - der Film von "Hangover"-Regisseur Todd Phillips wird nämlich sowohl als absolutes Meisterwerk des Comic-Genres als auch als oberflächliches und gescheitertes Event-Kino besprochen. Andere fragen sich, ob Joaquin Phoenix hier wirklich die Meisterleistung seiner Karriere hinlegt oder ob das Gezeigte überhaupt noch als Comicfilm zu werten ist, während die Klatschblätter mal wieder über aus dem Kinosaal geflüchtete Zuschauer berichten, da die Gewaltspitzen erneut so unglaublich extrem sind. Was ich mich vor der endlichen Sichtung des Werks aber durchweg gefragt habe, war etwas anderes: Braucht man tatsächlich einen Film zu dem wohl intrigantesten und grausamsten DC-Schurken, der eben in Gestalt von Heath Ledger oder Jack Nicholson immer deswegen so furchteinflößend war, weil er eben keinen Background besaß und einzig und allein aus Liebe zu Gewalt und Terror handelte? Die Antwort habe ich nach meinem zweistündigen Kinobesuch erhalten: Nein, man braucht ihn eigentlich nicht und dennoch übt er eine gewisse Faszination aus.

JOKER


Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) leidet an einer psychischen Krankheit und versucht dennoch mit aller Kraft, sich in die Gesellschaft einzugliedern. Gotham City selbst ist jedoch zu einem wahren Drecksloch mutiert und ein "Freak" wie Fleck wird darin öfters Opfer von Ausgrenzung, Verspottung und Gewalt. Als er seine therapeutischen Sitzungen einbüßt, da die Stadt Gelder sparen muss und ihm sein Boss eine Waffe in die Hand drückt, um sich zukünftig gegen Banditen zu verteidigen, scheint das Puzzle perfekt. Arthur nähert sich einem psychischen Ausraster, als er sich in seine eigenen Wahnvorstellungen und Träume hineinsteigert... und schließlich nach einem gewaltsamen Ausbruch einen Domino-Effekt erschafft, der ganz Gotham beeinflusst.

Nun ja, an alle, die "Joker" sogleich als Meisterwerk berufen haben: Diese Meinung teile ich nicht. An all die, die in die genau entgegengesetzte Richtung schlitterten und den Film als oberflächlichen Mist abwatschten: Eure Meinung teile ich ebenfalls nicht. Die Wahrheit (oder zumindest die, die ich für mich jetzt mal als solche sehen will) liegt wie so oft in der Mitte, denn es läuft tatsächlich einiges falsch in diesem Film, im Gegenzug machen Regisseur Todd Phillips und sein Hauptdarseller Joaquin Phoenix aber auch einiges richtig. Ob der "Gladiator"-Star nun wirklich der beste Joker aller Zeiten ist, mag hier durchaus bezweifelt werden, denn Phoenix wirft sich mit einem enormen Esprit und schlichtweg aller Gewalt in seine Rolle, sodass es manchmal gar wehtut, ihm zuzusehen. Doch in seiner Darstellung und somit auch in dem Film, der weitestgehend eben durch diese Figur zu leben beginnt, steckt auch Mühsal: Wo sich ein Heath Ledger vor elf Jahren noch mit schier grausamer Einfachheit begnügte und dem Joker somit seinen wahren Schrecken gab, geht Phoenix den Weg des Method Acting und das wirkt erstmal beeindruckend.
In riesigen Nahaufnahmen sehen wir ihn grinsen, brüllen und durchdrehen, sein ausgemergelter Körper tanzt in Zeitlupen in ausgeleierten Boxershorts herum. Dass dieser Arthur Fleck ein kranker Mensch ist und Phoenix alles Menschenmögliche gibt, um den Wahnsinn und die Verlorenheit in ihm auf die Leinwand zu übertragen, das ist nicht zu übersehen... doch ist so viel und so gigantisch spielen denn auch das Gleiche, wie richtig gut zu spielen? Nicht unbedingt und dementsprechend wirkt Phoenix hier eben auch nicht glaubwürdig, sondern eben überzeichnet, auch wenn er gerade in leisen Szenen immer wieder einen sehr schönen Zugang zur Figur findet... wenn man das denn als schön bezeichnen will. Aber genau hier sind wir auch bei der Krux, denn das Phoenix hier schlichtweg durch ein Massaker seiner Figur latschen muss, liegt daran, dass uns der Film eben haargenau schildert, wie die aus Filmen und Comics bekannte Joker-Figur entstand und was diesen Arthur Fleck denn so sehr hat durchdrehen lassen, dass er in Folge unter Clowns-Make-Up und im bunten Anzug mordend und kichernd durch die Straßen zog. 
Und tatsächlich schadet eine solche Background-Geschichte dieser kultigen Figur eher alsdass sie ihr nützt, da unklar bleibt, was Phillips und Phoenix hier eigentlich beim Zuschauer bewirken wollen. Dass Phoenix ein Interview verließ, als ihm diese Frage gestellt wurde und erst später mit der Behauptung wiederkehrte, dass ihn diese Frage verunsicherte, glaubt man hier sofort, denn nach dem Abspann fragte ich mich, ob Phillips uns nun Verständnis für die Taten des Jokers vermitteln oder gar aufrütteln will? In beiden Fällen scheitert er nämlich, denn mit dem Mitgefühl ist es alsbald vorbei, da Fleck dem Zuschauer trotz dem Blick hinein in seine Seele und seine krude Gefühlswelt fernbleibt - vielleicht, weil Phillips es einfach zu sehr will und Fleck ein Trauma nach dem anderen in die Vita packt, sich hier quasi Schritt für Schritt einen Mega-Psychopathen zusammenbaut, was doch etwas arg unoriginell wirkt. Und da die Brutalität gerade während eines ungemein spannenden und elektrisierenden Finales (der beste Teil des Films, der wirklich nochmal schockiert) doch ziemlich heftig anmutet, Phillips eben diese Momente aber nicht bricht, sondern sie in der Figur verankert, zu welcher man zuvor Sympathien aufbauen sollte, bleibt ein etwas fader Beigeschmack, der etwaige Diskussionen über die Gefahr eines solchen Streifens zumindest nicht vollkommen unbegründet  hinterlässt. 
Und wie sieht "Joker" darüber hinaus als reiner Film aus? Naja, im Mittelteil geht ihm durchweg das Tempo flöten, wenn er sich doch arg bemüht und ausschweifend damit beschäftigt, irgendwie die Familie Wayne mit ins Spiel zu bringen und es mit dem handlungsrelevanten Fanservice übertreibt. Daneben stehen interessante Spiele mit Flecks Schizophrenie, eine sehr kompetente Regie und eine letzte halbe Stunde, die wirklich nochmal richtig in die Magengrube haut. Das macht insgesamt keinen guten Film, aber einen, der lange nachwirkt. Gebraucht hätte man das so nicht, aber es wäre interessant, ein solches Werk mal ohne Comic-Grundlage, dafür aber als heftigen Originalstoff zu sehen.

Fazit: Kaltlassen wird "Joker" sicherlich niemanden, denn dafür kreidet Regisseur Todd Phillips in seiner wuchtigen Inszenierung zu viele unangenehme Fragen an. Antworten liefert er darüber hinaus aber zu wenige und konzentriert sich auf das Psychogramm eines Schurken, welches wir so nicht gebraucht hätten, da es dem Joker einen Teil seiner Faszination raubt. Das ist irgendwie nicht das, was ich haben wollte.

Note: 3-








Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid