Direkt zum Hauptbereich

Die üblichen Verdächtigen

Es gibt Filme, die an sich schon gut sind, die sich ihren Platz als Klassiker der Filmgeschichte jedoch vor allem wegen eines überraschenden Plottwists, meistens gegen Ende, gesichert haben, ein Twist, der so aus dem Nichts kommt, dass er die Zuschauer erstarren lässt. M. Night Shyamalan beispielweise hat viele seiner Werke einzig aufgrund solcher Wendungen aufgebaut und mit "The Sixth Sense" diesbezüglich auch ein echtes Meisterwerk abgeliefert. Auch der 1995 erschienene "Die üblichen Verdächtigen" spielt mit diesem Gerüst und offenbart erst spät, dass er dann doch mehr ist als "nur" ein guter Thriller.

DIE ÜBLICHEN VERDÄCHTIGEN


In New York werden fünf Kriminelle festgenommen, da sie mit dem Überfall auf einen Tanklaster in Verbindung gebracht werden: Der erfolgreiche Geschäftsmann Dean Keaton (Gabriel Byrne), die beiden Kumpanen Michael McManus (Stephen Baldwin) und Fred Fenster (Benicio Del Toro), der kleine Gangster Todd Hockney (Kevin Pollak) und der körperlich behinderte, wegen Betrugs bereits einmal verhaftete Verbal Kint (Kevin Spacey). Einige Tage später sitzt Kint in einem Polizeibüro und soll dem Detective Dave Kujan (Chazz Palminteri) einige brisante Fragen über jede Menge Tote auf einem in die Luft gegangenen Schiff beantworten. Was dazwischen passiert ist, soll dadurch klarer werden...

Die Zusammenfassung der Handlung habe ich absichtlich ein wenig wirr geschrieben, denn herauszufinden, worum es in "Die üblichen Verdächtigen" eigentlich geht, was der Kern des Thrillers ist und was es mit den einzelnen Charakteren auf sich hat, das ist die größte Freude an diesem Film von "X-Men"-Regisseur Bryan Singer. Heute gilt der Film als Klassiker des Genres, dementsprechend bin ich natürlich mit hohen Erwartungen an das Werk herangetreten... und hatte dabei so etwas wie ein "Sixth Sense" - Deja Vu. Ich habe über gut anderthalb Stunden einen sehr guten, aber sicherlich nicht außergewöhnlichen Film gesehen. Er hat unterhalten, war zwischendrin sehr spannend und wirkte irgendwie bedrohlich, machte durch kleine Spuren und Details neugierig, auch wenn kleinere Schwächen, wie eine etwas zu fahrige Zeichnung der Figuren, auftraten. Ein Klassiker wäre das sicherlich nicht gewesen, aber der Film bleibt durch seine ziemlich geniale Schlusswendung in Erinnerung, welche die Presse in den Kinosäälen damals mit offenem Mund zurückließ. Dieser Plottwist kann mit haarscharfem Mitdenken sicherlich erraten werden und ich persönlich hatte mir so etwas in der Art beinahe schon gedacht, dennoch hat er Wirkung: Er ist nicht, wie es so oft bei ähnlichen Werken der Fall ist, an den Haaren herbeigezogen, um den Zuschauer auf Teufel komm raus zu überraschen, sondern er ergibt Sinn, er verrät nicht alles, was wir zuvor gesehen haben zugunsten einer einzigen Überraschung, sondern setzt das letzte Puzzlestück genau dahin, wo es hingehört. Das ist schon ziemlich stark... ob es dafür aber einen Drehbuch-Oscar hätte geben sollen, darf bestritten werden, denn zuvor ist die Handlung zwar gut, aber sicherlich nicht so denkwürdig, wie er von vielen gesehen wird, wirklich grandios wird er eben erst dadurch, dass sich alles am Ende gut zusammenfügt. Bis dahin leidet "Die üblichen Verdächtigen" aber teilweise unter zu vielen Einzelschauplätzen, zu viele einzelne Charaktere teilen sich die recht knappe Leinwandzeit, wobei einige von ihnen merklich zu kurz kommen, einige sogar Staffage bleiben. Es braucht eine Zeit, um zu erkennen, wohin der Film mit uns will und diese Zeit ist dann ab und an auch nicht so gut geschrieben. Durch einige recht schwache Nebenplots werden wir merklich hingehalten, um ja nicht durchzublicken, was hier wirklich gespielt wird und das wirkt sich schließlich auf die im Kern doch eher lasche Gangster-Geschichte aus, in welcher mit korrupten Cops, fiesen Kriminellen, Verrat und Vertrauen eben all das erzählt wird, was wir aus dem Genre bereits kennen, bevor das Ende alles auf den Kopf stellt. Im Gegensatz zur Erzählung wirken aber immerhin die Schauspieler absolut frisch. Kevin Spacey, damals noch ein Schauspieler aus der letzten Reihe, gab hier eine Vorstellung zum Besten, die ihn schlagartig in die A-Liga Hollywoods katapultierte und neben seinem barvourösen, punktgenauen Spiel können Stephen Baldwin, Gabriel Byrne und Co. nur verlieren... und das, obwohl auch sie gute Leistungen bringen! Fazit: Ein guter Thriller, der durch seine Schlusswendung ordentlich gewinnt, zuvor herrscht dann aber ab und zu auch mal ein wenig Verwirrung und den Figuren hätte man sich auch näher widmen dürfen. Dennoch: Intelligenter und cleverer geht es kaum, Singer hat hier ein starkes Genre-Stück abgeliefert!

Note: 2-



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid