Direkt zum Hauptbereich

Der Sargnagel für das Spider-Verse: Filmkritik zu "Madame Web"

Als Waise aufgewachsen, nachdem ihre Mutter Constance (Kerry Bishe) während einer Forschungsreise im Dschungel von Peru bei der Geburt ihrer Tochter starb, hat Cassandra Webb (Dakota Johnson) eine zynische Sichtweise auf das Leben entwickelt. Im Jahr 2003 arbeitet sie als Rettungskraft und distanziert sich dennoch weitestgehend von jeder menschlichen Verantwortung... bis ein beinahe tödlicher Unfall seltsame Visionen in ihr weckt, die ihr Teile der nahen Zukunft offenzulegen scheinen. Als sie eine Vision davon hat, wie die drei Teenagerinnen Julia (Sydney Sweeney), Mattie (Celeste O'Connor) und Anya (Isabela Merced) von einem Mann namens Ezekiel Sims (Tahar Rahim) getöttet werden, greift sie ein und rettet den Mädchen das Leben. Ezekiel selbst scheint etwas mit Cassandras Vergangenheit zu tun zu haben, doch ahnen beide noch nichts von dieser Verbindung... und Ezekiels Ziel, die drei Mädchen auszulöschen, hat hingegen etwas mit seiner gefährlichen Zukunft zu tun, die durch Cassandras Visionen verändert werden könnte.

Ich fand die Idee von Sony's Spider-Man-Universum immer schon ein bisschen daneben. Es ist zwar aus finanzieller Hinsicht nachvollziehbar, dass Sony mit den Rechten an dem Wandkrabbler selbst noch ein wenig Geld machen will, nachdem sie Tom Hollands Superheld durch einen Deal teilweise an das Marvel Cinematic Universe abgegeben haben. Trotzdem wirkt die ganze Reihe rund um Nebenfiguren aus dem Spider-Man-Kanon bis heute noch ziemlich wirr und so recht weiß man auch nicht, ob und wie diese Geschichten denn eigentlich mit Marvels MCU verwoben sind - einzig die beiden "Venom"-Filme warfen dabei ein paar kleine, aber bis heute auch nicht wirklich gewichtige Brotkrumen in eine bestimmte Richtung aus. Es scheint aber generell auch nicht wirklich wichtig zu sein, denn entgegen des Erfolgs der beiden "Venom"-Abenteuer (die mich aber auch schon nicht wirklich abholen konnten), kriegt Sonys eigenes Superhelden-Franchise sonst keinen Fuß auf den Boden. "Morbius" war so schlecht, dass ich mich an praktisch nichts mehr davon erinnern kann und nun floppte im Frühjahr auch "Madame Web" absolut zügellos an den Kinokassen. Was nach den miesen Trailern und der Tatsache, dass während der zeitweiligen Superhelden-Müdigkeit des Publikums ohnehin niemand nach diesem Stoff gefragt hatte, keine Überraschung war.
Vielleicht wussten dies die Macher aber auch selbst und gaben sich daher keine wirkliche Mühe, aus "Madame Web" noch einen zumindest ansatzweise vorzeigbaren Superheldenstoff zu machen. Verbindungen zu irgendeiner Art eines "Spider-Man"-Abenteuers (ob nun im MCU oder anderswo) gibt es keine und für sich alleinstehend entwickelt dieser Film keinerlei Grip. Das Drehbuch hat dabei Dialoge zu bieten, die sich eher wie die Entwicklung einer mitten im Prozess böse abgeschmierten KI-Schinderei anhören als wirkliche Sätze, die ein Mensch so sagen würde. Die visuellen Effekte sind selbst im an und für sich spektakulären Finale noch undiskutabel schlecht und lassen den Film durchweg matschig und billig aussehen. Die Charaktere bekommen kaum ein nachvollziehbares Innenleben, die Actionszenen verursachen aufgrund der sich ständig herumdrehenden Kamera schnell ein Schwindelgefühl und der Versuch, noch ein wenig Humor in diese arg unfokussierte und zähe Origin-Geschichte einzuweben, ist in vielerlei Hinsicht peinlich. Einzig die Ausgangslage, dass sich vier Frauen ohne wirkliche physische Superkräfte gegen einen in dieser Hinsicht eben durchweg überlegenen Gegenspieler erwehren müssen, sorgt in vereinzelten Szenen für ein wenig Spannung - so müssen Cassandra und Co. immer wieder ihr Köpfchen statt ihre Fäuste einsetzen, um sich den bösen Gegenspieler vom Leib zu halten.
Dakota Johnson hat sich mit der Hauptrolle in diesem Werk offensichtlich keinen wirklichen Gefallen getan, obwohl sie noch die einzige ist, die offenkundig versucht, dem Film so etwas wie eine Identität zu verleihen. Die Wahl einer Frau als Hauptfigur, die sehr zynisch auf das Leben an sich blickt, ist dabei interessant, doch spielt der "Fifty Shades of Grey"-Star so unmotiviert an jeglicher Tiefe vorbei, dass man sich fragt, wieso sie für diese Produktion überhaupt zugesagt hat. Dass man sich zudem mit dem neuen Shootingstar Sydney Sweeney sowie den beiden Blockbuster-Stars Celeste O'Connor ("Ghostbusters: Legacy") und Isabela Merced ("Transformers: The Last Knight") drei richtig große Nachwuchstalente sicherte, um denen daraufhin aber kaum etwas zu tun geben, stößt ebenfalls sauer auf. Die planlose Regie kann keinerlei Dynamik zwischen den drei jungen Schauspielerinnen entfachen, weswegen sie alle irgendwie aneinander vorbeispielen. Und dann wäre da noch der Bösewicht, der äußerst wirr auftritt und abgesehen von seinem Wunsch, nicht in naher Zukunft abzutreten, praktisch keinerlei Charaktereigenschaft besitzt - sicherlich einer der blassesten Superhelden-Schurken der letzten Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte, der dementsprechend in den ohnehin arg zerschnittenen Actionszenen dann auch nur selten beweisen darf, aus welchem Holz er eigentlich geschnitzt ist.

Fazit: Die wenigen guten Ideen dieses vierten Films von Sonys Spiderverse übersieht "Madame Web" zumeist - stattdessen gibt es ein müdes Casting, eine noch müdere Regie, banale Charaktere und einen Plot, bei dem man sich die Haare raufen mag. Nicht mal die wenigen Actionszenen wissen angesichts erneuter, furchtbarer Tricktechnik die Langeweile zu durchbrechen.

Note: 4-



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se