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Deutschlands neue Oscar-Hoffnung: Filmkritik zu "Das Lehrerzimmer"

Direkt von ihrem Studium ist die junge Lehrerin Carla Nowak (Leonie Benesch) an einem Gymnasium angetreten und führt eine siebte Klasse als Klassenlehrerin. Schon während ihres ersten Jahres sieht sich Carla, ebenso wie der Rest des Kollegiums, einer Reihe von Diebstählen in der Schule entgegen, wobei Carlas Klasse in den Fokus der internen Ermittlungen gerät. Die harschen Methoden, mit denen Schüler und Schülerinnen jedoch förmlich dazu gezwungen werden, bei eben diesen zu helfen, gehen jedoch schwer gegen die moralischen Grundvorstellungen der engagierten Lehrerin. Schon bald sitzt sie zwischen den Stühlen, will einerseits ihre Klasse schützen, zugleich aber auch Recht und Ordnung für eine Straftat walten lassen. Als sich der Verdacht auf eine bestimmte Person fokussiert, nimmt Carla die Aufklärung selbst in die Hand und tritt dabei eine Reihe von Ereignissen los, welche das gesamte Gymnasium nach und nach auf den Kopf zu stellen drohen...

Diesen Film wird Deutschland also in einigen Wochen als Beitrag für den Auslands-Oscar einschicken. Und auch wenn die Konkurrenz (wie eigentlich jedes Jahr) enorm anmutet, möchte man Deutschland für diesen großartigen Film ohnehin schon in den Nominierten-Listen sehen. Regisseur Ilker Catak hat mit "Das Lehrerzimmer" ein wahnsinnig intensives Werk abgeliefert, welches sicherlich seine Schwächen hat, aber sowohl als richtig fieses Drama und auch als eine Art elektrisierender Thriller, bei dem man bis kurz vor Schluss noch mit jedem Ausgang (dem schrecklichsten und dem besten) rechnet. Die letzten dreißig Minuten dieses Films sind pures Spannungskino, das uns die Luft aus den Lungen treibt... und schon vorher wusste der Film mit minutiös ausgearbeiteten Charakteren, brennenden Konflikten und einer simpel gehaltenen Ausgangssituation, die sich bis zur förmlichen Kernschmelze verselbstständigt, ungemein zu packen. Das liegt zum einen an Catak's hervorragender Regie und den eng gehaltenen, förmlich erstickenden Bildern... aber auch an dem brillanten Soundtrack, der quasi durchgehend für eine richtig gemeine Unruhe sorgt.
Letzten Endes ist es aber die Geschichte einer Straftat, die einen riesigen Rattenschwanz hinter sich her zieht. Im Fokus dieser Geschichte steht eine junge Lehrerin, die ihre eigenen Moralvorstellungen nutzen möchte, um Ruhe und Frieden in eine von allerlei Vorfällen beunruhigte Klasse einzubringen... und damit alles nur noch schlimmer macht. Es ist eine wahre Freude, wie minutiös Catak die einzelnen Beweggründe seiner Figuren und deren daraus resultierende Handlungen nutzt, um den fokussierten Konflikt immer mehr eskalieren zu lassen. Nur selten schlägt er dabei auch mal über die Stränge, wenn sich beispielsweise eine Schülerzeitung in ihrer Extrem-Recherche so aufführt, als würden sie gerade einen korrupten Präsidenten zu Fall bringen wollen - das ist dann doch etwas überzeichnet geraten. In den meisten anderen Momenten gelingt diese sehr genaue Betrachtungsweise aber ausgezeichnet, dank toller Charaktere, einem hohen Tempo und einzelnen Brandherden, die gerade in unserer heutigen Gesellschaft ungemeinen Dampf haben. Catak will dabei jedoch keine Lösungen anbieten, sondern der Eskalation zusehen und eher eine Art mahnenden Zeigefinger erheben... wie man es besser machen könnte, zeigt er jedoch nicht.
Aufgrund dieser Herangehensweise ist das Ende von "Das Lehrerzimmer", welches quasi in der Schwebe abschließt und fast alle Konflikte ungelöst lässt, maximal enttäuschend... aber auch irgendwie spannend, denn womöglich gibt es aus manchen Situationen in unserer heutigen Gesellschaft, bei der jede Handlung sogleich einen riesigen Skandal ausruft, keinerlei Ausflucht oder gar eine Lösung mehr. Innerhalb dieser moralischen Zwickmühle, die sich mit Dampf entlädt, glänzt die großartige Leonie Benesch als getriebene, aber auch standfeste Lehrerin, die erst mit der Zeit ahnt, was sie eigentlich angerichtet hat. Eine wahnsinnig spannende, weil mit Fehlern behaftete und dennoch ungemein nachvollziehbar agierende Figur, der Benesch genau die richtige Grundspannung, Ambivalenz und Sensibilität verleiht. Unbedingt erwähnenswert sind, neben starken Leistungen aus dem Lehrerkollegium, vor allem die Kinderdarsteller*innen, die so glaubwürdig und lebensnah agieren, dass man von jedem von ihnen gern noch mehr erfahren würde. Leider ist bei nur 98 Minuten da nicht mehr für alle Platz, da sich der Film alsbald vor allem einem konkreten Schüler ausführlicher widmen muss. Aber was gibt es denn für ein größeres Kompliment für einen Film, alsdass man dessen Laufzeit als zu kurz empfindet, weil man so gern noch mehr gesehen hätte?

Fazit: Trotz einiger Überzeichnungen und eines arg unbefriedigenden Endes empfiehlt sich "Das Lehrerzimmer" aufgrund brillanter Regie, Cast-Leistungen und gesellschaftskritischer, elektrisierender Geschichte definitiv für einen Oscar. Gerade die letzten dreißig Minuten sind an emotionaler Hochspannung kaum zu überbieten.

Note: 2



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