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Poirots schläfrigster Fall: Filmkritik zu "A Haunting in Venice"

Hercule Poirot (Kenneth Branagh) hat sich im Jahr 1947 in Venedig niedergelassen und dem Leben als Detektiv abgeschworen... bis eines Tages seine alte Bekannte Ariadne Oliver (Tina Fey), eine engagierte Schriftstellerin, an seine Tür klopft. Diese berichtet von merkwürdigen Vorkommnissen und paranormalen Geschehnissen im Anwesen der Opernsängerin Rowena Drake (Kelly Reilly)... und von dem Medium Joyce Reynolds (Michelle Yeoh), dessen undurchsichtige Methoden Ariadne mit Poirots Hilfe aufdecken möchte. Poirot willigt ein und nimmt Reynolds' Gebaren in einer Seancen-Nacht unter die Lupe. Als es jedoch zu einem plötzlichen Todesfall in Rowenas Anwesen kommt, muss Poirot seine Sichtweisen überdenken. Ist hier vielleicht doch eine übernatürliche Macht am Werk?

Dass dieser Film existiert, ist durchaus erstaunlich. Nicht nur war der direkte Vorgänger "Tod auf dem Nil" aufgrund seiner Besetzung mit einigen Skandalen behaftet und kam auch bei Kritikern nicht so richtig an, sondern wurde auch an den Kinokassen weitestgehend ignoriert. Trotzdem erschien nur rund anderthalb Jahre später bereits die nächste Fortsetzung, die freundlichere Reviews bekam und auch keine skandalumwitterten Stars mehr in ihren Reihen besaß. Immerhin ein bescheidener Erfolg war es für den dritten Einsatz von Hercule Poirot, immer noch von "Harry Potter"-Star Kenneth Branagh dargestellt, aber auch kein beachtlicher. Das hatte man von dieser Reihe zwar ohnehin nicht erwartet und in einem von zahlreichen Blockbuster-Flops gebeutelten Kinojahr 2023 ist solch ein ganz kleiner Hit dann ja auch noch mal eine Freude. Rein qualitativ hat mich dieser Fall dann aber noch deutlich weniger abgeholt als der direkte Vorgänger, der ja auch schon nicht mehr an den starumwitterten "Mord im Orient Express" aus dem Jahr 2017 heranreichte. Ganz im Gegenteil sogar: Dieser Fall für den Detektiv mit dem mächtigen Schnauzer ist eine sehr, sehr müde Angelegenheit.
Zum ersten Mal sollen richtige Horror-Elemente Einzug in die Reihe halten - Poirot begibt sich tatsächlich auf die Spuren einer schaurigen Geistermär. Dieses Genre steht dem Franchise aber so gar nicht zu Gesicht, denn immer wenn "A Haunting in Venice" versucht, mit billigen Schauertricks und ganz mauen Jumpscares eine gewisse Gruselstimmung aufkommen zu lassen, wird es ziemlich peinlich. Das liegt natürlich auch daran, dass wir uns immer noch in einem Mainstream-Franchise befinden, welches ab 12 Jahren freigegeben ist... so richtig zur Sache kann es hier gar nicht und deswegen ist das hier auch kein Horrorfilm, obwohl er immer wieder versucht, einer zu sein. Solcherlei Spiränzchen hat man in dem müde inszenierten Plot, der mal wieder erst spät in Gang kommt und später auch kein vernünftiges Tempo mehr findet, schon früh durchschaut. Und der im Fokus stehende Kriminalfall ist dabei längst nicht so spannend wie die beiden vorhergehenden... tatsächlich fungiert die hier ablaufende Spurensuche eher schon als Schlafmittel, bis es einem leidlich egal ist, welche der wenig lebendigen Figuren am Ende als großer Strippenzieher entlarvt wird.
Mit dem Star-Ensemble ist es mittlerweile ebenfalls Essig. Nicht, dass ein Film wie dieser davon leben müsste, doch ist man von bekannten Namen wie Gal Gadot oder Armie Hammer hier auch schon wieder weit entfernt... und dieses Ensemble aus "Tod auf dem Nil" hatte gegenüber den sich die Klinke in die Hand gebenden Megastars aus "Mord im Orient Express" ja auch schon deutlich das Nachsehen. Nun sind Kelly Reilly, Michelle Yeoh und Jamie Dornan natürlich keine unbekannten Namen und im Grunde können sie alle ja auch ordentlich was. Hier werden sie in ihren blassen und uninteressanten Figurenmustern, die eh nur Figuren auf einem mittelmäßig originellen Krimi-Schachbrett sind, aber kaum gefordert. Und auch Kenneth Branagh möchte in der Rolle des mal wieder energetisch zur Tat schreitenden Detektivs nicht mehr gefallen: Die Figur war bereits im Vorgänger auserzählt worden und hat hier nun gar nichts mehr von Bedeutung zu sagen. Was an und für sich nicht so wichtig ist, wenn denn zumindest der Kriminalfall, mit dem sie hier beauftragt sind, spannend genug wäre, um den Film zu füllen. Branagh wirkt dementsprechend müde und längst nicht mehr so gewitzt wie in den beiden Vorgängern, was der einschleichenden Langeweile nur hilfreich ist.

Fazit: Wenn sogar Kenneth Branagh in seiner sonst so süffisant auftretenden Rolle müde wirkt, dann spürt man, dass diese Rolle eigentlich am Ende ist. Der Fall kommt wenig spannend daher, die Figuren sind nur noch Schablonen. Wenn Poirot tatsächlich noch immer nicht in den Ruhestand geht, muss nächstes Mal wieder mehr Energie und Atmosphäre her!

Note: 4-



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