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Eine sehr bunte Wüste: Filmkritik zu Wes Andersons "Asteroid City"

Asteroid City ist eine winzige Stadt in der Wüste - diese heißt so, weil dort mal ein kleiner Asteroid landete und einen Krater hinterließ. Der Familienvater Augie Steenbeck (Jason Schwartzman) macht in der Kleinstadt Halt, weil er dort seinen Sohn Woodrow (Jake Ryan) zu einem Nachwuchs-Wissenschaftler-Kontest begleitet... und er zudem auch noch ein Familiendrama mit ihm und dessen drei Schwestern zu besprechen hat. Mit der Zeit treffen weitere Gäste in Asteroid City ein, darunter die erfolgreiche Schauspielerin Midge Campbell (Scarlett Johansson), die Grundschullehrerin June Douglas (Maya Hawke) und der Möchtegern-Cowboy Montana (Rupert Friend). Eine unvorhersehbare Begegnung während einer mitternächtlichen Betrachtung des Sternenhimmels will, dass all diese Fremden länger als geplant in der Stadt verweilen...

Noch nie hat sich Wes Anderson wohl so weit in die Welt des Skurillen vorgewagt, wenn er nun sogar das Genre der Science-Fiction auf seine eigene Art und Weise bedient. Und das will für einen Anderson schon etwas heißen, der es dem Mainstream-Publikum mit seinem verschrobenen Humor, seinem eigenwilligen Inszenierungsstil und vielerlei nichtiger, dramaturgischer Eigenheiten nie leicht gemacht hat, einen Zugang zu seinen Werken zu finden. Wenn man diesen jedoch findet, kann das sehr viel Spaß machen: Bei "Asteroid City" braucht es gut eine halbe Stunde, bis man sich an diesen Stil wieder einmal gewöhnt hat, obwohl man ihn aus der Feder Andersons ja eigentlich schon kennt. Dialoge, die Führung des immensen Casts und das Setdesign lassen sofort erkennen, wer hier die Regie geführt hat. Doch obwohl sich Anderson diesmal weit aus dem Fenster lehnt, ist sein neuester Film nicht ganz so kreativ und wild wie sein vorheriges Werk "The French Dispatch", da es sich bisweilen doch ein wenig in seinen eigenen Manirismen zu verrennen droht.
Die üblichen Zutaten sind aber natürlich wieder dabei und Fans von Andersons bisheriger Filmografie werden diese erneut lieben. So hat Anderson erneut eine ungemein detailfreudige Kulisse erschaffen, die vor vielen kleinen Ideen und liebevollen Anspielungen nur so strotzt... und dabei eine trockene Wüstenlandschaft bisweilen in ein buntes Potpurri verwandelt. Grandios sind wie immer auch der Soundtrack, die Ausstattung und die Kameraarbeit, die einige Bilder von ungestellter Schönheit erschafft, die man sich so gleich an die Wand hängen mag. Und auch das illustre Starensemble, welches zu absurder Größe aufgeplustert wird, ist wieder dabei - hier geben sich die Stammschauspieler des Regisseurs mit neuen Gesichtern die Klinke in die Hand. Megastars geben sich selbst mit wenigen Sätzen in Cameo-Auftritten zufrieden, auch wenn nicht jedes bekannte Gesicht hier auch noch eine wirklich sinnige Rolle erfüllt. Grandios spielen tun sie aber alle wie gehabt und transportieren dabei den trockenen, herrlich naiven Humor ihrer wunderbar geschriebenen Figuren ganz meisterhaft. Durch diese schmissigen Textzeilen können dann auch Nachwuchsstars wie die aus "Dungeons & Dragons" bekannte Sophia Lillis locker neben den alten Hasen rund um Tom Hanks, Willem Dafoe und Steve Carell bestehen, als wäre das schon immer so gewesen.
Auf dramaturgischer Ebene kann Anderson aber nicht so sehr begeistern. Obwohl sein unverwechselbarer Regiestil über einige Schlappen hinwegtäuscht, so läuft der Plot rund um eine einsame und dennoch sehr lebendige Wüstenstadt in den vielen einzelnen Charaktermomenten bisweilen ein wenig ins Leere. Angesichts so vieler Figuren werden einige auf dem weiteren Weg zwangsläufig irgendwie vergessen und man erinnert sich leider nur aufgrund der bekannten Gesichter, die sie spielen, so richtig an sie. Etwas wirklich Neues, so von ihm noch nicht Gesehenes kann Anderson diesmal nicht abliefern, da man sich nach einer kurzen Eingewöhnungszeit doch wieder an seinen alten Stil erinnert. Dem bleibt er sehr treu und manchmal weiß man deswegen schon, mit welcher kleinen Idee er als nächstes um die Ecke kommen könnte. Bedenkt man dann noch, dass die Handlung reichlich unfokussiert verläuft und uns am Ende auch nicht wirklich weismachen kann, was diese denn nun im Kern aussagen soll, ist das schon eine kleine Enttäuschung. Immerhin funktioniert aber der Rahmen eines Theaterstücks, den Anderson hier für seine eigentliche Geschichte geschaffen hat, über weite Strecken - auch wenn er hier ab und an Gefahr läuft, sich ein wenig in diesen Details zu verhaspeln und den Fokus nicht mehr zu bewahren.

Fazit: Wes Andersons neuester Film besitzt alles, was seine Fans lieben - diesmal aber auch nicht mehr. Trotz eines neuen Hanges zur ganz eigenen Science-Fiction hält sein altbekannter Regiestil diesmal keine echten Überraschungen bereit. Dafür sorgt der Cast aber rundum für gute Laune und einige trockene Witze sitzen so richtig.

Note: 3



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