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Die Apokalypse läuft ins Leere: Filmkritik zu "Leave the World Behind"

Völlig spontan entscheidet Ehefrau und Mutter Amanda Sandford (Julia Roberts) eines Morgens, mit ihrem Mann Clay (Ethan Hawke) und den beiden gemeinsamen Kindern Archie (Charlie Evans) und Rosie (Farrah McKenzie), in den Urlaub zu fahren. Sie beziehen ein Airbnb-Haus in Long Island, um endlich den Kopf freizukriegen. Dies ist jedoch so leicht nicht möglich, denn seltsame Ereignisse geschehen um sie herum - das Internet fällt aus, Handys funktionieren nicht mehr und am Strand wird die Familie sogar Zeuge einer Beinahe-Katastrophe. Als eines Abends George H. Scott (Mahershala Ali), welchem das Urlaubshaus laut eigener Aussage gehört, zusammen mit seiner Tochter Ruth (Myha'la Herrold) um Einlass bittet, weil er vor einer möglichen Katastrophe Schutz suchen will, klingeln bei Amanda alle Alarmglocken. Ist womöglich eine große Gefahr im Gange? 

Die Handschrift von Regisseur und Autor Sam Esmail, der vor einigen Jahren durch seine höchst umstrittene Streaming-Serie "Mr. Robot" bekannt wurde, ist hier durchgehend zu sehen. Nicht nur weist das apokalyptische und höchst beunruhigende Szenario in Teilen deutliche Parallelen zu den Geschehnissen seiner Serie auf, auch seinen eindringlichen Regiestil mit wilden Kamerafahrten und unkonventionellen Bildausschnitten, die uns die Figuren zugleich sehr fern und nah halten, hat er mit herübergerettet. Esmails Inszenierung sorgt vor allem in einzelnen Szenen, in welchen die unbekannte Katastrophe auf die beiden Familien hereinbricht, für Bedrückung... und das nicht, weil er dabei auf effekthascherische CGI-Szenen vertraut, sondern ganz stark auf atmosphärische Dichte setzt. Die Skepsis gegenüber Esmail, da der seine Serie "Mr. Robot" nach starkem Beginn letztendlich dramaturgisch völlig in den Sand setzte, war jedoch ebenfalls nicht unbegründet. Mehrfach schraubt er die Erwartungen mit dramatischen Szenen und Parallel-Montagen in die Höhe - nicht selten entpuppen sich diese jedoch als überkandidelte Luftblasen, die nur oberflächliche Spannung erzeugen, um im Nichts zu resultieren. Das trifft übrigens auch auf das maßlos enttäuschende Ende zu, welches auf einem ekstatischen Höhepunkt einfach sang- und klanglos verpufft.
Das größte Problem dieses Films, der seine wahnsinnig spannende Ausgangssituation letztendlich immer nur für luftleere Bedrohungsszenarien im Wechsel mit viel Leerlauf nutzt, ist das Drehbuch. Dieses kreiert Charaktere, die zu keinem Zeitpunkt glaubwürdig wirken und die stets forcierte Konflikte entstehen lassen, weil sie dauerhaft Geheimnisse für sich behalten sollen. Dabei ist der Ansatz einer egomanischen Charaktertruppe hinsichtlich der Message, die Esmail erzählen will, gar nicht so verkehrt: Die Technikabhängigkeit unserer Welt wird harsch thematisiert und findet immer wieder kongeniale Einfälle, wenn die Panik vor einem Ausfall sämtlicher Technik ausgerechnet darin resultiert, dass DVDs und BluRays eben immer noch die bessere Alternative zum Streaming sind - in die Dinger kann sich immerhin niemand reinhacken. Den Figuren tut dieser provokative Ansatz allerdings nicht gut und Esmail verdammt sie in seinem angestrengten Plot förmlich zu Menschen, die nur deswegen Geheimnisse bewahren, weil sich sonst vieles sehr schnell aufklären ließe. Esmail streckt seinen Film in die Länge, indem er sämtliche Charaktere völlig out of order handeln lässt und sorgt somit nicht nur für Glaubwürdigkeitsprobleme, sondern gar für echte Plotholes, die sich sehr störend auswirken.
Der Cast kann sich indes zwar sehen lassen, doch selbst echte Könner wie Oscarpreisträger Mahershala Ali, "Money Monster"-Star Julia Roberts oder der überraschend warmherzig auftretende Ethan Hawke können aus solcherlei plotgetriebenen Schablonen keinen echten Mehrwert zaubern. Und das ist insofern eine echte Krux, da sich Sam Esmail mit aller Wucht auf diese Figuren und die Konflikte, die sie mit sich und rundherum miteinander austragen, versteift. Unglaubwürdige bis unsympathische Figuren in einem Kammerspiel, welches sich voll auf sie konzentriert... da wären eklatante Längen wohl auch nicht ausgeblieben, wenn Esmail das Tempo erhöht hätte. Da er dies aber ohnehin nicht tut, fühlt sich "Leave the World Behind" in seinen 130 Minuten immer dann ungemein lang an, wenn sich diese Charaktere in stetiger Wiederholung die gleichen Sachen sagen. Auch hier wäre enormes Potenzial drin gewesen, doch nutzt Esmail die stimmigen Konflikte wieder nur für Luftblasen, die letztendlich klanglos platzen. Es lässt sich nicht verhehlen, dass der Film gerade in seinem apokalyptischen Szenario und den sehr beängstigenden Einzelmomenten, die daraus entstehen, seine wuchtigen Momente hat. Dazwischen ist aber auch erstaunlich viel im Argen... und das ist trotz aller inszenatorischen Wucht eben die Schuld des Autors (und nicht des Regisseurs) Sam Esmail, der hier erneut eine Luftblase anbietet.

Fazit: Das apokalyptische Szenario bietet immer wieder atmosphärisch dichte und spannende Einzelszenen. Dazwischen herrscht jedoch, bedingt durch unglaubwürdige Charaktere, einen angestrengten Luftblasen-Plot und massive Logiklöcher, viel Leerlauf. Immerhin trifft die Kritik gegenüber unserer Technikabhängigkeit ziemlich ins Schwarze.

Note: 3-



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