Direkt zum Hauptbereich

Eine neue Ikone des Rennsports: Filmkritik zu "Gran Turismo"

Seit seiner Kindheit begeistert sich Jann Mardenborough (Archie Madekwe) für den Autorennsport. Bis in seine Teenager-Tage hinein saß er jedoch nie hinter einem richtigen Lenkrad und sammelt seine Autoerfahrungen viel mehr durch das stundenlange Spielen der Renn-Simulation "Gran Turismo" in den heimischen vier Wänden. Der Traum, ein echter Rennfahrer zu werden, rückt plötzlich in greifbare Nähe, als der findige Marketing-Manager Danny Moore (Orlando Bloom) von Nissan die "GT Academy" ins Leben ruft - durch diese sollen die bester Spieler und Spielerinnen auf dem Globus die Chance erhalten, tatsächlich in einen Rennwagen zu steigen und sich für einen Platz im Nissan-Team zu qualifizieren. Jann erhält als einer von zehn Spielern diese lebensverändernde Chance und verspricht sich, alles für seinen Traum zu geben. Dabei hat er die Rechnung jedoch ohne den Trainer Jack Salter (David Harbour) gemacht, der anfangs gar nicht an die zockenden Jungspunde glauben möchte...

Es handelt sich hierbei nicht um eine richtige Videospielverfilmung der ikonischen Rennspiel-Simulation für die PlayStation-Konsolen. Stattdessen hat Neill Blomkamp, der hiermit seine Sci-Fi-Fußstapfen rund um "District 9" und "Elysium" verlässt, eine wahre Geschichte verfilmt, die eng mit dem Videospiel verzahnt ist. Und wüsste man dies nicht, würde man diese Geschichte gar nicht erst glauben wollen: Zocker, die in echte Rennwagen gesetzt werden, um bei den ganz großen Profis mitzufahren? So etwas kann sich doch nicht ernsthaft jemand im echten Leben ausgedacht und sogar in die Tat umgesetzt haben. Aber doch, das ist tatsächlich so passiert... auch wenn sich Blomkamp natürlich einige dramaturgische Freiheiten genommen hat, um der tatsächlich sehr emotionalen und spannenden Geschichte im letzten Drittel noch etwas mehr Futter zu bieten. Blomkamps eingängiger Regiestil macht dabei vor allem die zentralen Rennsequenzen zu richtigen Hinguckern. Nur in den wenigsten Momenten muss dabei der Computer mit einigen mäßigen CGI-Tricks nachhelfen, ansonsten verbleibt Blomkamp bei der Rasanz und der Technik dieses mordsgefährlichen Sports und unterfüttert diese mit spektakulären Luftaufnahmen und einem feinen Händchen für den Schnitt.
Die Geschichte an sich ist dabei tatsächlich wenig mehr als die recht typische Erzählung über einen Außenseiter, der sich aller Unkenrufe zum Trotz nach vorne kämpft, um sich seinen großen Traum zu verwirklichen. Alle bekannten Versatzstücke eines solchen Films (im Grunde ja ein Sportler-Biopic) sind drin und machen den Plot somit zu einer recht vorhersehbaren Sache. Das ist aber gar nicht schlimm, da Blomkamp in emotionaler Hinsicht immer wieder die richtigen Knöpfe drückt, trotz Überlänge ein feines Tempo mit klug gesetzten Ruhepausen hält und die einzelnen Etappen von Jann Mardenborough sowohl cineastisch als auch dramaturgisch sinnig setzt. Zwar bleiben einige Nebenfiguren dabei Schablonen und auch der Einblick hinein in die Gaming-Kultur fällt erstaunlich schmal aus - gerade von dem echten Contest unter den Gamern hätte ich gerne mehr gesehen, um sowohl den Konkurrenzkampf als auch die tiefe Leidenschaft für ihre eigene Szene etwas tiefer zu definieren. Das sind aber nur marginale Kritikpunkte, da Blomkamp in der zweiten Hälfte eine sehr intensive Sportgeschichte erzählt, die auch durch ihre Charaktere lebt.
Hauptdarsteller Archie Mardekwe macht seine Sache dabei durchaus solide, beweist Charme und eine gewisse Ausstrahlung. Ob es bei ihm für den Star-Status reicht, wird die Zukunft zeigen müssen, denn zurzeit laufen ihm diverse Co-Stars dabei noch recht eindeutig den Rang ab. Dass sich "Stranger Things"-Star David Harbour als unermüdlicher Szenendieb erweisen würde, war aber im Grunde ohnehin klar: Als deutlich sympathischste Figur beherrscht Harbour jede seiner Szenen nach Belieben und liefert gleich einen knurrigen Charme mit. Djimon Hounsou muss zwar als Klischee-Vater, der die Leidenschaft seines Sohns nicht nachvollziehen kann, agieren, kann dafür aber in einigen emotionalen Momenten ordentlich Feuer geben. Zudem stehen neben Mardekwe einige interessante Jungstars auf dem Parkett, die sich keinerlei Blöße geben und von denen man in der Zukunft hoffentlich noch ein bisschen mehr hört. Die einzige echte Fehlbesetzung ist indes "Fluch der Karibik"-Star Orlando Bloom, der dem Affen doch deutlich zu viel Zucker gibt und mit überzeichneter Mimik und Gestik zu keinem Zeitpunkt glaubwürdig wirkt. Inwiefern das daran liegt, dass das Drehbuch ausgerechnet seine Figur bisweilen ein wenig wirr agieren lässt, lässt sich letztendlich nicht ganz feststellen - vielleicht trafen sich hier einfach ein Schauspieler auf dem falschen Fuß mit einem Skript, welches nicht genau wusste, wohin dessen Charakter eigentlich laufen soll.

Fazit: Darstellerisch, inszenatorisch und dramaturgisch liefert "Gran Turismo" altbekannte, aber durchaus intensive Qualität, die berührt, packt und erfreut. Diese unglaubliche True Story kommt mit der Zeit immer besser in Schwung und gefällt vor allem durch das Spiel des knurrigen David Harbour und die krachenden Rennsequenzen.

Note: 3+



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se