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Das war's (leider) noch lange nicht: Serienkritik zur elften Staffel von "The Walking Dead"

Nachdem es ihnen unter schweren Verlusten gelungen ist, die gefährlichen Flüsterer aufzuhalten, sehen sich Daryl (Norman Reedus), Carol (Melissa McBride) und Co. in der von Beißern überrannten, apokalyptischen Welt mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Nicht nur die tägliche Suche nach Nahrung und Wasser hält die Überlebenden auf Trab, sondern auch das Auftauchen einer neuen Gemeinschaft auf der Landkarte: Eugene (Josh McDermitt) spürte das "Commonwealth" auf und diese neue Gemeinschaft sticht mit ihren ganz eigenen Regeln, vor allem aber auch ihrer enormen Größe noch einmal deutlich hervor. Indes befindet sich auch Hilltop-Anführerin Maggie (Lauren Cohan) auf einer wichtigen Mission und muss sich dafür zähneknirschend mit Negan (Jeffrey Dean Morgan) zusammentun - ihren Todfeind, den sie eigentlich schwor, umzubringen...

Hier geht tatsächlich eine Ära zu Ende: Nach deutlich mehr als einer Dekade und insgesamt elf Staffeln findet die populäre Zombieserie "The Walking Dead", die in der Popkultur zurecht Kultstatus genießt, ihren Abschluss. Oder doch nicht? Nein, tut sie tatsächlich nicht, denn obwohl ein Großteil der Character-Arcs und der zentrale Konflikt dieser Season am Ende abgeschlossen werden, bleiben einige der prägnantesten Fragen vollkommen offen und werden in Zukunft in diversen Spin-Off-Serien behandelt. Das ist dann zwar immer noch "The Walking Dead", aber nicht mehr die Mutterserie "The Walking Dead"... soweit, so verwirrend. Ein wirkliches Ende ist also immer noch nicht in Sicht, da kaum abzusehen ist, auf wie viele Staffeln diese neuen Miniserien denn zukünftig ausgeweitet werden. Und das ist in der Tat irgendwie schade, da man trotz dieser finalen Season noch immer nicht abschließen kann, wenn so viele Geschichten so offen bleiben. Tatsächlich ist ein wenig das eingetreten, was ich befürchtet habe: Die Serie, die zuvor schon sehr angestrengt mit etlichen Geheimnissen und Charakteren jonglieren musste, wird in Zukunft noch weiter zerfasern und sich über etliche Serien hinweg tragen. Wenn man sich das aktuelle Marvel Cinematic Universe anschaut, dann sieht man, wie so viel Kontent zur gleichen Zeit auch negative Begleiterscheinungen mit sich ziehen kann und aus diesem Grunde ist es schade, dass man der zuletzt ja ohnehin mit schwachen Quoten kämpfenden Show hier nicht einfach einen richtigen Schluss vergönnt hat. Rein plottechnisch hätte man dies nämlich hinbekommen, wenn man hier und da einige dramaturgische Eckpunkte anders verflochten hätte.
Aber gut, das ist nun eben so. Wenn man sich darüber nicht zu viele Gedanken macht und akzeptiert, dass einige der in der Mutterserie begonnenen Geschichten so bald doch kein Ende finden werden, dann können sich Fans an den altgedienten Qualitäten der Show erfreuen. Zwar reicht die elfte Staffel nicht an die frühen Höhepunkte der Serie heran oder auch an die grandiose neunte Season, welche bis jetzt das absolute Highlight einer damals leicht schwankenden Horrorshow darstellte. Das liegt zum einen daran, dass sich mittlerweile so viele Charaktere um Leinwandzeit balgen, dass einige nur noch recht tatenlos mitgezerrt werden und viele Figuren somit auserzählt wirken. Zum anderen auch an den diesmaligen Bösewichten, denn erschaffen die Autoren mit dem "Commonwealth" zwar eine höchst spannende, neue Basis, doch die darin befindlichen Antagonisten versprühen schlichtweg nicht die gleiche, enorme Bedrohung wie damals der Governor oder auch der frühere Negan. Dafür glänzt dieser neue Plot mit anderen Vorteilen: Der politisch motivierte und deutlich an unsere heutige Gesellschaft angelehnte Handlungsstrang rund um die Geheimnisse im Commonwealth beginnt langsam, dann aber immer stringenter anzuziehen und zeigt auf, dass es nicht immer Zombies braucht, um letztendlich für Hochspannung zu sorgen. Zudem haben es die Autoren immer noch sehr gut (wenn auch nicht ganz so gut wie früher) im Griff, unsere Lieblingsfiguren in vertrackte Gefahrensituationen zu schicken, um gnadenlos um sie zu bangen.
Viel mehr als eine reine Zombieserie ist diese Staffel aber zu einer echten Charakterstudie geworden - was passt, denn in dieser "finalen" Season sollen die meisten uns bekannten Figuren ja auch endlich ein wohlverdientes (oder auch blutiges) Ende finden. Das Highlight stellt dabei das Aufeinandertreffen zwischen Negan und Maggie dar - "The Boy"-Star Lauren Cohan und der zum Antihelden ausgebaute Jeffrey Dean Morgan erweisen sich dabei auch als die klaren, schauspielerischen Schwergewichte dieser Staffel und sind bereits allein für einige der emotionalsten und aufwühlendsten Momente verantwortlich. Andere Figuren bleiben dabei, trotz der Rekordlaufzeit von vierundzwanzig Episoden, etwas mehr im Hintergrund oder kämpfen damit, dass ihre Geschichten eigentlich schon vor längerer Zeit zu einem Ende gekommen sind. Das große Ensemble erzwingt dabei förmlich diverse dramaturgische Fallstricke, bei denen zahlreiche Figuren über viele Episoden schlichtweg vergessen werden und sich einzelne, persönliche Geschichten ohne großen Knalleffekt entwickeln. Trotzdem haben die meisten Storys immer noch eine tiefe, innere Spannung zu bieten, die nicht von einigen kleinen Längen sowie ein paar schwächeren Episoden zunichte gemacht werden kann. Gerade gegen Ende zieht der Spannungsbogen enorm an und schließt einen großen Teil des "The Walking Dead"-Universums durchaus zufriedenstellend ab. Das ist dann zwar nicht vollkommen rund, in seiner schieren Größe und auch seiner emotionalen Wucht ein ziemliches Erlebnis. 

Fazit: Aufgrund des Ausbaus dieses Serienuniversums kann man mit der Mutterserie schlichtweg nicht richtig abschließen. Der Weg zu diesem teilweise offenen Abschluss ist aufgrund des hochspannenden "Commonwealth"-Plots und einiger starker Charakterepisoden aber dennoch ein sehr packender... auch wenn die ganz großen Überraschungen diesmal ausbleiben und einige aufgemachte Fragezeichen ziemlich klanglos verpuffen.

Note: 2-



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