Vor zwei Jahren verlor die heute siebzehnjährige Mia (Sophie Wilde) ihre Mutter Rhea (Alexandria Steffensen). Sie entflieht ihrer Trauer, indem sie möglichst viel Zeit mit ihren Freunden verbringt, darunter ihre beste Freundin Jade (Alexandra Jensen) und deren jüngerer Bruder Riley (Joe Bird). Gemeinsam werden die drei auch in einen neuen Trend unter ihren Schulkameraden eingeweiht, der durch Videos auf Social Media bekannt geworden ist: Ihr Schulfreund Joss (Chris Alosio) soll eine einbalsamierte Hand besitzen, durch welche man Kontakt zu den Toten aufnehmen und diesen sogar erlauben kann, in sie hineinzufahren. Mia und Jade glauben an einen schlechten Scherz, doch als Mia sich dem Experiment aussetzt, muss sie erkennen, dass nichts davon ein Fake ist. Schon bald gerät der Trend jedoch völlig außer Kontrolle...
Es klingt simpel, ist jedoch schwer umzusetzen: Ein möglichst guter Film kann nach dem Konzept funktionieren, nach welchem man in der ersten Hälfte eine originelle Grundidee geradlinig vorstellt, welche faszinierend und spannend daherkommt. In der zweiten Hälfte lässt man diese Idee dann freidrehen, bricht ihre Regeln und sorgt somit für einen wendungsreichen Plot. Nach diesem Konzept funktionieren viele Filme unterschiedlicher Genres, über "The Cabin in the Woods" bis hin zu Christopher Nolans "Inception". Auch "Talk to Me", die Horror-Überraschung des vergangenen Jahres, die von zwei YouTubern (!) auf dem Regiestuhl erstaunlich professionell umgesetzt wurde, schlägt in diese Kerbe. Dabei ist es die größte Freude, der Grundidee zu Beginn dabei zuzusehen, wie sie dem Publikum auf atmosphärisch dichte Art und Weise vorgeführt wird. Diese Idee mag nun in Ansätzen nicht himmelschreiend originell sein, denn mit Toten wurde im Horror-Kino natürlich schon oft kommuniziert. Der sichere Regie-Stil, einige wirklich saftige Schockeffekte und die ebenso simple wie treffsichere Balance aus düsterem Drama und atmosphärischem Horror-Kino, angereichert mit allerlei stimmigen Details und einem feinen Spannungsaufbau, tun ihr Übriges, um schnell zu fesseln.
Leider hält "Talk to Me" zum Ende heraus nicht ganz, was die erste Hälfte verspricht. Gerade das Finale sorgt mit ihrer wirren Aneinanderreihung von Ereignissen eher für Fragezeichen als für wirkliche Erhellung und zuvor hat sich das Werk durch einige Nebenplots, die erst breit aufgezogen und schließlich (samt anhängender, eigentlich sehr interessanter Charaktere) vollends vergessen werden, auch immer wieder verheddert. Die Folge sind einige Längen sowie ein Plot, der sich im weiteren Verlauf immer mehr verstrickt und dabei einige Tiefschläge einbaut, die aber nicht wirklich aus dem Vollen schöpfen können. Das Regie-Duo fängt solcherlei aber immer wieder mit einer dichten Atmosphäre auf: "Talk to Me" ist vielleicht nicht der gruseligste Film seit Jahren, hat aber mindestens zwei Szenen zu bieten, die wahnsinnig schaurig sind. Begleitet werden diese von einem unberührten und sehr überzeugenden Ensemble aus zumeist unbekannten Gesichtern (mit der Ausnahme von "Der Herr der Ringe"-Star Miranda Otto), die fein gezeichnete Charaktere darbieten dürfen, die eine schöne Portion emotionaler Tiefe miteinbringen, die man so im Horror-Kino auch nicht alle Tage sieht.
Es ist somit kein Problem, an den Figuren dranzubleiben, selbst wenn sich der Plot im letzten Drittel ziemlich maßlos verzettelt und einige brennende Fragen unaufgeklärt bleiben. Besonders fein ist es auch, dass der Film die üblichen Klischees des Genres weitestgehend vermeidet. Zwar finden sich auch hier in essentiellen Szenen knarrende Türen und plötzliche Jumpscares wieder, doch sind diese stets so dicht verbaut, dass sie dennoch zu schauern wissen. Auch die Charaktere handeln meist angemessen und sind somit weit entfernt von den üblichen Teenie-Kreischern, die dem nahenden Killer beinahe freiwillig ins Messer laufen. Eine schöne Prämisse gibt auch der Social-Media-Wahn ab, der im ersten Moment überzeichnet wirkt (wer würde sich schon freiwillig mehrfach von einem Geist übernehmen lassen?), dann aber doch wie die Faust aufs Auge trifft. Denn wenn sich Jugendliche in unserer Realität schon anzünden, um im Internet einige Klicks zu generieren, dann ist der Kontakt zu Toten ja eigentlich nur die nächste, nachvollziehbare Stufe... zumindest in der inneren Logik dieser Geschichte. Der Plot nimmt seine Charaktere dabei durchaus ernst, sodass man sogar verstehen kann, warum sie sich so in Gefahr begeben.
Fazit: Auch wenn "Talk to Me" gegen Ende ein wenig den Faden und somit auch den Schrecken verliert, hält er in seinen anderthalb Stunden einige der fiesesten und atmosphärischsten Gruselszenen der letzten Jahre bereit... dank der sicheren, schaurigen Inszenierung, einem starken Ensemble und einer spannenden Ausgangslage, die stilsicher dargeboten wird.
Note: 3+
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