Eigentlich haben Carol Danvers (Brie Larson) und Monica Rambeau (Teyonah Parris) gerade alle Hände voll damit zu tun, im Weltraum ihren Superhelden-Abenteuern nachzugehen. Dort möchte nämlich die finstere Kree Dar-Benn (Zawe Ashton) einen Sprungpunkt zerreißen, um mittels dieser Anomalie zahlreiche Welten zu gefährden. Dummerweise tauscht Carol während des Gefechts urplötzlich den Platz mit der auf der Erde befindlichen Kamala Khan (Iman Vellani). Die drei Frauen stellen fest, dass sie aufgrund der Anomalie, mit welcher sie in Berührung kam, bei jeglichem Einsatz ihrer Kräfte die Plätze tauschen. Das daraus resultierende Chaos kann Dar-Benn benutzen, um ihre Pläne auszuführen. Die drei Heldinnen müssen sich daher erst einmal um ihr eigenes Problem kümmern und sich zudem als eine Art Zufallsteam zusammenraufen, um gemeinsam eine Chance gegen die Bösewichtin zu haben...
Es dauert mehr als fünfunddreißig Minuten, bis sich die drei titelgebenden Superheldinnen erstmalig so richtig in einem Raum gegenüberstehen, um tatsächlich kurz miteinander zu reden. Bis zu diesem Punkt möchte "The Marvels", mit nur 106 Minuten Laufzeit der bislang kürzeste Film des MCU, keinesfalls irgendwelche Zeit verlieren und überfordert das Publikum so schon sehr früh mit einem wahnwitzigen Tempo und zahlreichen Actionszenen, die vor allem aufgrund der chaotischen Umstände, bei denen die Frauen ständig die Plätze tauschen, ungemein unübersichtlich geraten sind. Es gibt kaum Zeit, um die Figuren abseits der ständigen Scharmützel einigermaßen zu charakterisieren: Dafür sind die vorhergehenden Marvel-Projekte "Captain Marvel", "WandaVision" und "Ms. Marvel" schließlich bereits dagewesen und wer diese nicht gesehen hat, wird sich angesichts des wirren Schaulaufens verschiedener Figuren, die als bekannt vorausgesetzt werden, vollkommen verloren fühlen. Wer alles gesehen hat, fühlt sich hier dementsprechend schnell heimisch, da Regisseurin Nia DaCosta immer wieder hübsche Wege findet, um die bekannten Figuren in den neuen Settings einzusetzen.
Funktionieren tut das trotzdem nicht, denn mehr noch als der letzte "Doctor Strange"-Film beispielsweise schießt "The Marvels" sein Publikum mit Dauerfeuer-Action nahezu taub. Worum es dabei geht, war vielleicht in keinem Marvel-Film bisher so egal - prinzipiell lässt sich die Geschichte auf den Kampf zwischen Helden und Feinden herunterbrechen und was die Antagonistin dabei eigentlich will, wird nie so richtig klar. Raum für zwischenmenschliche Ebenen bleibt da nicht: Wenn der Film tatsächlich mal echte Gefühle ansprechen will, kommen diese sehr hölzern herüber. Immerhin sind die einzelnen Actionszenen optisch recht hübsch gelungen, auch wenn sie nichts bieten, was der Fan nicht schon in zig anderen Superhelden-Filmen eindrucksvoller zu sehen bekommen hat. Selbst die schönsten Actionszenen würden aber hier nicht helfen, da der Film kein echtes Herz besitzt, um all diese prunkvollen Settings zu verbinden. Anderthalb Stunden lang werden hier Charaktere aufeinander losgelassen, ohne dass es dabei wirklich um etwas Signifikantes gehen würde. Das Aufregendste sind dabei die beiden finalen Szenen dieses Filmes, die mit der eigentlichen Alibi-Handlung von "The Marvels" gar nichts mehr zu tun haben, sondern bereits die Brotkrumen für spätere Projekte des MCU ausstreuen.
Seinen Fokus abseits der Geschichte möchte der Film viel mehr auf die Bildung des neuen Teams legen und auf das endliche Aufeinandertreffen zwischen Superheldin Carol Danvers und ihrem größten Fan, Kamala Khan, haben sich wohl viele gefreut. Erstaunlich, dass die Chemie zwischen den drei Frauen dabei kaum zum Tragen kommt, da ohnehin sehr früh schon die nächste Actionszene um die Ecke biegt. Wie von Marvel derzeit gewöhnt, schießen die Macher mit einem veralberten Humorquotienten mehrfach den Vogel ab, und das in negativer Hinsicht: Spätestens, wenn sich der Film kurzzeitig in ein kitschiges Disney-Musical (!) verwandelt, ist Carol Danvers nach Thor der nächste Superheld des MCU geworden, der ehemals ernstgenommen werden konnte, nun jedoch nur noch für abgestandene und pubertäre Gaga-Gags herhalten muss. Immerhin gibt es mit Iman Vellani aber auch einen heimlichen Star zu vermelden, der das Ganze Durcheinander mit viel Charme angemessen erdet: Mit viel Staunen und einigen herrlichen Onelinern ist Vellani so etwas wie das Herz dieses ansonsten sehr, sehr kühlen Films und nimmt die Zuschauer passend bei der Hand. Dass neben ihr Brie Larson so wirkt, als würde sie an jeder Spielpartnerin vorbeispielen, zeigt deutlich auf, dass Vellani weitere Marvel-Produktionen in der Zukunft aufwerten könnte.
Fazit: Ein Fokus auf eine stimmigere Team-Chemie inklusive persönlicherer Momente wäre schön gewesen - so haben die Charaktere innerhalb der dauerhaften, generischen Weltraum-Action schlichtweg keinen Raum, um sich zu entfalten. "The Marvels" ist somit nach "Ant-Man 3" eine weitere, seelenlose MCU-Enttäuschung, die ihr sichtbares Potenzial zugunsten superteurer und ziemlich langwieriger Dauerfeuer-Knallerei vergeudet.
Note: 4
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