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Der Anfang unseres Endes: Filmkritik zu Christopher Nolans "Oppenheimer (2023)"

Mitte der 1950er Jahre muss sich der Erfinder der Atombombe, J. Robert Oppenheimer (Cillian Murphy), in einem Hinterzimmer unbequemen Fragen stellen. Dabei berichtet er von seinem Studium in Europa und besonders von seiner Fokussierung auf die theoretische Quantenmechanik. Während des Zweiten Weltkrieges tüftelte Oppenheimer mit einem Team aus Spezialisten an der Entwicklung dieser gefährlichen Technologie, bis Hitlers Vormarsch und der Angriff der Japaner ebenjene notwendig machen, um den Krieg zu gewinnen. Oppenheimer ist begeistert von der Technologie, versteht jedoch zu spät deren wahre Macht - die Macht, hunderttausende Menschen in kürzester Zeit zu töten und diese Waffe zudem in Hände zu legen, die unsere gesamte Welt vernichten könnten...

Christopher Nolan hat es in den letzten Jahren nicht mehr geschafft, mich zu begeistern. Förmlich die gesamte Welt hat auch noch seine Werke "Dunkirk" und vor allem "Tenet" geliebt, die mich jedoch fast nur noch auf einer visuellen Ebene erreichten. Rein erzählerisch und vor allem emotional hat Nolan seit dem grandiosen "Interstellar" immer mehr abgebaut und diesen Zug setzt er auch mit "Oppenheimer" fort. Natürlich ist ihm mit diesem Film ein grandioser Hit an den Kinokassen gelungen, der parallel zu "Barbie" die zuvor so gebeutelten Lichtspielhäuser füllte. Trotzdem geht Nolan weiterhin den (für mich) falschen Weg, indem er seine Filme zu vor Fakten strotzenden Geschichtsstunden (oder im Falle von "Tenet" Science-Fiction-Lehrstunden) macht, die durch seine großartige Inszenierung leben, aber ungemein kühl agieren. Sicherlich ist Nolans Weg beinahe der einzige, durch welchen man eine eigentlich sehr trockene historische Erzählung noch so spannend wiedergeben kann... dass er sich dabei aber zum wiederholten Male nur auf den getriebenen Plot und niemals auf seine zahlreichen Figuren und den brillanten Cast verlässt, ist irgendwie schade.
Für einen Film, der nach seiner Titelfigur benannt ist, erfahren wie nämlich erstaunlich wenig über den echten Oppenheimer. Zwar erzählt Nolan auch hier abseits der zwei fokussierten Konflikte (der Bau der Atombombe und dessen Folgen einerseits, die Beschuldigungen gegen ihn, dass er ein Kommunist sei andererseits) auch von privaten Episoden Oppenheimers, doch geraten die Szenen, die seine Ehe oder auch eine Affäre in den Fokus stellen, so kühl und berechnend, dass man dabei nichts fühlen kann. Nolan scheint weiterhin mit einer Art Checkliste zu arbeiten und reiht dabei beliebig Szenen aneinander - den ohnehin komplexen Stoff reichert er mit undurchsichtigen Zeitsprüngen an, wechselt Bildformat und Farbtöne und sorgt für keinerlei Übersicht. Gerade die erste Stunde dieses Films ist so voll von Informationen, dass für Zwischentöne keine Zeit bleibt. Die Figuren sind zwar da und sie werden durchweg von einem stark aufspielenden Ensemble dargeboten, doch leben und atmen dürfen sie nicht. Dafür ist Nolan viel zu faktisch unterwegs, um sich auch noch um echte Charaktere und Gefühle scheren zu können.
Gefühle sind hier nur wuchtig und das hat mit Nolans Inszenierung zu tun: Die erste Zündung einer Atombombe ist so beeindruckend inszeniert, dass einem der Atem stockt. Das reicht aber nicht, wenn daraufhin wieder etliche Minuten von trockensten Informationrekapitulationen folgen, bei denen wir viel sehen und hören, aber nichts spüren. Unter dem starbesetzten Cast macht Cillian Murphy seine Sache in der Hauptrolle unglaublich gut, doch man möge sich nur vorstellen, er hätte diesen Charakter auch noch in einen Menschen und nicht nur in eine historische Schablone verwandeln dürfen... zu was wäre der "Inception"-Star dann wohl noch in der Lage gewesen? Das lässt sich so auch auf den gesamten Cast übertragen: Alle sind gut aufgelegt, bekommen aber entweder keinen nötigen oder eben auch gar keinen Raum. Letzteres gilt für die zentralen Frauenfiguren um Emily Blunt und Florence Pugh, die trotz prominenter Nennung keine richtig gute Szene haben. Und viel Talent verschleudert Nolan auch, indem er Oscarpreisträger Rami Malek nur ein paar Sätze reden lässt, während zentrale Schauspieler wie Matt Damon oder Casey Affleck nach getaner Arbeit sang- und klanglos verschwinden. Sicher, das mag alles mit der wahren Historie zu tun haben, hat aber kein Herz. Technisch ist "Oppenheimer" wie gehabt ein beeindruckendes Stück Kino, welches uns in seinen finalen Minuten mit einem mulmigen Gefühl in diese gefährliche Welt entlässt. Darüber hinaus hat er es aber zu keiner Minute geschafft, mich abseits packender Bilder und eines (trotz einer Laufzeit von 180 Minuten) hohen Tempos zu berühren.

Fazit: "Oppenheimer" ist eine mal spannende, mal trockene Geschichtsstunde. Gefühl lässt Nolan nur auf technischer Ebene zu, wenn er seine zentralen Szenen mit enormer Wucht darbietet. Figuren und Schauspieler*innen haben da nichts zu melden, was Gefühle verursachen könnte, weswegen Nolans neuester Film wie immer sehr beeindruckend, aber auch sehr kühl und überladen ist.

Note: 3



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