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Eine weise Echse: Filmkritik zu Netflix' "Leo"

Leo ist eine Brückenechse, die seit vierundsiebzig Jahren in einem kleinen Terrarium in einem Klassenraum der Fort Myers Elementary School haust - in dieser Zeit haben er und sein bester Freund, die Schildkröte Squirtle, etliche Kinder der fünften Klasse kommen und gehen sehen. Nun glaubt Leo, dass sich sein Leben im Jahr 2023 dem Ende neigt, weswegen er seine Flucht aus dem Glaskasten und in die freie Natur plant. Seine körperliche Gebrechlichkeit macht dem Fluchtplan jedoch erst einmal einen Strich durch die Rechnung. Zudem entdeckt er, dass die neuen Kinder der fünften Klasse seine Hilfe gleich mehrfach gebrauchen können: Nicht nur hadern sie alle mit ihrem baldigen Eintritt ins Teenager-Leben, sondern auch die fiese Vertretungslehrerin Mrs. Malkin hält die Klasse auf Trab. Nur Leo scheint mit seinen Lebensweisheiten noch in der Lage zu sein, den verlorenen Kids zu helfen...

In den letzten Wochen war ich beruflich verreist und habe in dieser Zeit keinerlei Filme gesehen, weswegen es auf meinem Blog sehr ruhig wurde. Nun bin ich wieder in der Heimat und werde in den kommenden Wochen allerlei Filme nachholen müssen, die unter anderem auf den hiesigen Streamingdiensten erschienen sind - so werdet ihr an dieser Stelle bald Kritiken zu Netflix-Streifen wie "Rebel Moon" und "Leave the World Behind" sowie zu den Streamingdiensten gestoßenen Kinofilmen wie "A Haunting in Venice" oder "No Hard Feelings" finden. Den Startschuss macht jedoch der neue Animationsfilm "Leo", auf den ich mich irgendwie gefreut habe - denn dass Netflix auch Animationskino beherrscht, haben sie mit einigen treffsicheren Familiengranaten wie dem spaßigen "Das Seeungeheuer" schon bewiesen. Abstriche muss man im Vergleich mit dem großen Animationskino aus den Häusern Disney oder Illumination jedoch schon in der Technik machen. Obwohl der Animationsstil in "Leo" charmant geraten ist, findet man sich qualitativ doch eher im Mittelmaß wieder und kommt definitiv nicht auf Touchfühlung mit optischen Leckerbissen wie Pixar's "Elemental".
Auch die Geschichte an sich ist eher seicht geraten und gewinnt nur durch ihre originelle Hauptfigur an Fahrt - gemeinhin fallen die weisen Belehrungen und die sehr simplen Problemlösungen fast schon aufdringlich auf. Der skurille Humor, der sicherlich aus der Feder von Adam Sandler stammt (welcher dem Titelhelden im Original auch seine Stimme geliehen hat), beißt sich dabei mit den üblichen Kitschmomenten, hat aber auch seine treffsicheren Momente. So sind einige Szenen von wildem Chaos tatsächlich ziemlich witzig, ohne dabei in überkandidelten Stress auszuarten. Und es finden sich immer wieder auch feine Running Gags sowie clevere, inszenatorische Ideen, die für Lacher sorgen - sei es die Darstellung der vollkommen freidrehenden Vorschulkinder als brabbelnde Bubbleheads oder der Auftritt einer überbesorgten Drohne, die eine Tüte mit Chips, die möglicherweise Spuren von Nüssen enthalten könnte, gleich in Flammen aufgehen lässt. An Tempo mangelt es "Leo", trotz seiner teilweise etwas zu repetitiven Storyline, definitiv nicht, denn dafür lassen sich hier in regelmäßigem Takt zu viele schräge Ideen finden, die durchaus lustig sind.
Die Charaktere wirken im direkten Kontrast jedoch durchweg zu weich und auch die Musical-Einlagen (in anderen Animationsfilmen klare Highlights) wirken hier nur gewollt und haben keinerlei Ohrwurm-Faktor. Das führt dann zu einem merkwürdigen Hin und Her aus spaßigem Chaos, herzerwärmenden Kitschmomenten und allerlei Einfachheit. Man möchte "Leo" aufgrund seiner originellen Ideen und der sympathischen Hauptfigur, die aber auch Fehler macht und Ecken und Kanten aufweist, durchaus den Hut ziehen, aber auf den Nebenschauplätzen werden dabei zu viele Stolpersteine ausgelegt. Zu viele Figuren tummeln sich in der kurzen Laufzeit und gerade der Konflikt rund um die gemeine Vertretungslehrerin kommt nicht nur zu einem vorhersehbaren, sondern auch arg an den Haaren herbeigezogenen Klimax. Immerhin haben wir es hier jedoch mit einem Animationsfilm zu tun, der nicht nur jüngere Zuschauer*innen ansprechen wird, sondern auch Erwachsenen immer wieder spannende Brotkrumen zuwirft. Mit etwas mehr Sorgfalt hätte hier dann auch Animationskino entstehen können, welches auf Netflix so richtige Wellen schlägt.

Fazit: Die Geschichte ist simpel und beißt sich mit dem bisweilen frechen, chaotischen Humor - Kitsch und Rowdy-Gags geben sich die Klinke in die Hand, erreichen aber zu selten eine stimmige Symbionte. Trotz aller Plot-Schwierigkeiten hat "Leo" das Herz aber durchaus am rechten Fleck und kann mit vielen, originellen Ideen auch mehrfach zum Lachen bringen.

Note: 3



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