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Kalt wie der Winter: Filmkritik zu David Finchers "Der Killer"

In Paris soll ein Auftragskiller (Michael Fassbender) einen Job erledigen - am Ende soll ein Mann eine Kugel im Kopf haben und der Killer unerkannt wieder abreisen. Um diesen Job auszuführen, hat sich der Killer eine über Jahre hinweg fast perfektionierte Aneinanderreihung von Vorsichtsmaßnahmen, aber auch Zeitvertreibungen angeeignet... denn das Warten auf den perfekten Moment kann sich über Stunden oder gar Tage hinwegziehen. All dies hilft dem Killer jedoch nicht, als sein Attentat in Frankreich auf katastrophale Art und Weise scheitert. Kurz darauf ist nicht nur das Gesetz hinter ihm her, auch seine Auftraggeber und der das Attentat bezahlende Klient wollen nun seinen Tod. Der Killer hat keine andere Wahl, als sich seinen ehemaligen Mitstreitern in den Weg zu stellen...

Endlich: David Finchers neuer Film ist da. Drei Jahre nach dem ebenfalls bereits auf Netflix veröffentlichten "Mank", der bei den damaligen Oscars eine große Rolle spielte, sind Fans der Regie-Legende mehr als nur gespannt. Schließlich hat Fincher in seiner Karriere wenige, dafür aber kultige Filme abgeliefert, die in vielen Bereichen zu den Besten ihres jeweiligen Genres gehören. Und dass Fincher sein Handwerk nicht verlernt hat, sieht man hier... zumindest in einigen herausstechenden Szenen. Der Spannungsaufbau von einzelnen Szenen ist so dermaßen kongenial durchgetaktet, dass man ähnlich wie der namenlose Killer bisweilen das Atmen einstellt. Finchers Inszenierung von kleinen und großen Action-Momenten, vor allem aber von leisen Szenen, in welchen der Killer mittels cleverer Tarnungen und dem Abpassen des besten Moments versucht, in ein Gebäude einzudringen, sind herrliches Suspense-Kino, technisch perfekt und in Sachen Schnitt, Kameraarbeit und dem generellen Aufbau und Verlauf dieser Szenen absolute Meisterarbeit.
Das ist aber letztendlich nur die Oberfläche und sei sie auch noch so einwandfrei. Darunter verbirgt sich diesmal leider nichts oder zumindest erschreckend wenig. "Der Killer" ist der womöglich kühlste, unemotionalste und berechnendste Film in Finchers beeindruckender Vita. Das liegt auch an der Hauptfigur selbst, die natürlich möglichst unerkannt bleiben will und deswegen auch dem Publikum so gut wie nichts über sich preisgibt. Ab und an sehen wir leise Zweifel über das Gesicht des Hauptdarstellers ziehen, doch das war es dann auch: Ähnlich wie der "Terminator" ist dieser Auftragsmörder eine gefühlskalte Maschine, stets mit einer Waffe im Anschlag, nur auf sein eigenes Gut aus und dabei problemlos auch über die Leichen von Unschuldigen gehend. Eine emotionale Bindung an diesen Charakter kann dabei praktisch nicht stattfinden... im schlimmsten Fall (wie bei mir) mag man diesen Typen nicht mal. Ich konnte weder Verständnis noch irgendeine Art der Sympathie für diesen mir völlig fernen Menschen aufbringen. Daran ändert auch Michael Fassbenders mal wieder starke Leistung nichts. Fincher versucht dem mit einem ständigen Voice Over der Hauptfigur entgegenzuwirken, was jedoch ein hohes Nervpotenzial birgt: Nach rund anderthalb Stunden, während derer der Killer immer wieder seine gleichen Phrasen und Gedanken an das Publikum abgibt, rollte ich gar mit den Augen.
Auch der Plot verbirgt keine großen Überraschungen. So faszinierend es zu Beginn auch sein mag, einem Auftragskiller bei seiner peniblen und erstaunlich unspektakulären Arbeit zuzusehen, so sehr nutzt sich dieser Fakt der enormen Detaillierung selbst von kleinsten Momenten irgendwann ab. Dabei wäre es sicherlich merklich interessanter gewesen, wirklich einem Alltag zu folgen. Stattdessen hat sich Fincher für den Archetypus einer solchen Handlung entschieden, die schon vor dreißig Jahren einen langen Bart hatte und der hier nichts Entscheidendes beigefügt werden kann: Ein Krimineller stellt sich aufgrund von Alternativlosigkeit gegen seine Auftraggeber. Das ist zäh erzählt, erinnert in seiner klaren Unterteilung in Kapitel im Grunde nur an ein Abhaken von Checkboxen und verliert im weiteren Verlauf immer mehr an Tempo. Das Tempo an sich wäre auch kein großes Problem, wenn Fincher denn unter dieser kühlen Kalkül noch ein bisschen Gefühl, ein paar Überraschungen bereithielte, die dieser einseitigen Hauptfigur mehr Fleisch auf die Knochen packen würde. Doch er konzentriert sich auf technische Oberflächen, die allesamt packend herausgearbeitet wurden, aber als emotionales Futter gar nicht oder sogar entgegengesetzt funktionieren. Das endet dann als womöglich schwächster Film in der Filmografie des "Sieben"-Regisseurs, der mich nicht nur letztendlich erschreckend gelangweilt, sondern gar an meinen Nerven gezogen und abgeschreckt hat.

Fazit: "Der Killer" mag von Finchers bockstarker Inszenierung von einzelnen Szenen und einer stimmigen Performance Fassbenders leben, ist unter der technischen Oberfläche aber nur ein kühles Subjekt, ohne Emotionen, ohne Überraschungen, ohne Verve.

Note: 4



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