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Sie schwimmt und schwimmt: Filmkritik zu "Die junge Frau und das Meer"

Schon seit Kinderjahren zieht es Gertrude "Trudy" Ederle (Daisy Ridley) ins Wasser. In den 1920er Jahren kann sie sich zwar im privaten Schwimmunterricht nach und nach als tatkräftige Schwimmerin profilieren, nicht jedoch in der Öffentlichkeit, denn dort gilt ein Sport wie dieser - oder Sport im allgemeinen - als ausschließlich männliche Tätigkeit. Selbst als Trudy in die Öffentlichkeit geschoben wird, ist von ihren Erfolgen kaum die Rede und man interessiert sich mehr für die Männer im Hintergrund als für die Sportlerin. Um diese Missstände endlich auszuräumen, beschließt Trudy, einen Rekord zu brechen, der von Männern gehalten wird und als einer der gefährlichsten überhaupt gilt: Sie will den Ärmelkanal durchqueren und dabei die Bestzeiten der vorherigen Schwimmer pulverisieren. Doch die Strecke zwischen Frankreich und England ist selbst für die kräftigsten und mutigsten Sportler noch so gefährlich, dass sie einen Großteil von ihnen bereits zum Aufgeben zwang oder sogar ihre Leben kostete...

Irgendwie scheint das Thema einer Frau, die sich entgegen allen Unkenrufen auf eine gefährliche Reise über das Meer, einlässt, zurzeit einen Nerv zu treffen. Netflix machte es erst kürzlich mit gleich zwei Filmen vor: Da war zum einen "True Spirit", in welchem sich ein junges Mädchen auf eine Weltreise mit einem Boot über die Meere aufmachte. Und natürlich der mehrfach oscarnominierte "Nyad" aus dem vergangenen Jahr, in welchem es ebenfalls um eine Frau ging, die eine gefährliche und ziemlich weite Strecke über das offene Meer zurücklegen wollte. Beide natürlich basierend auf wahren und ziemlich beeindruckenden Begebenheiten. Nun zog Disney Plus nach und brachte die unglaubliche Geschichte von Trudy Ederle auf den hauseigenen Streamingdienst, der sich rein thematisch natürlich direkt mit "Nyad" vergleichen lässt und trotzdem leicht andere Töne anschlägt. Denn fast noch beeindruckender als Trudys sportliche Meisterleistungen im Wasser ist ihr Kampf gegen eine Männerdomäne, die in den 1920er Jahren von völlig skurill bis erzürnend reicht - ein größerer Feind noch als die großen Wellen und niedrigen Wassertemperaturen, denen sich Trudy in der zweiten Hälfte stellt.
Natürlich ist auch dieses Thema in der aktuellen Filmgeschichte nicht neu und "Die junge Frau und das Meer" findet abseits der beflügelnden Reise seiner Heldin, die es der von Männern dominierten Sportgesellschaft zeigen will, keine wirklichen Ecken und Kanten. Diese Trudy ist gut und heldenhaft und belesen... das wars. Das muss aber nichts Schlechtes sein, denn ihr Kampf gegen die sie manchmal nur belächelnden, sie oftmals aber gar auch behindernden Männer macht Freude und ist ziemlich glaubhaft vorgetragen. Mindestens ebenso bewegend, wenn so auch bereits zahlreich in anderen Filmen gesehen, ist die dramatische Familiengeschichte, die um Trudy herum gebaut wurde und die auch einigen charmanten Nebenfiguren die Chance gibt, sich zu profilieren. Das ist dann zur heutigen Zeit genau der richtige Film und mag somit auch hundert Jahre nach Trudys sportlicher Höchstleistung weiterhin junge Mädchen beflügeln, um ihr nachzueifern. Das ist dann sonderlich tief gezeichnet, aber es ist befriedigend und packend erzählt, obwohl man sich nach alter Biopic-Manier erlaubt hat, gewisse Szenen dramaturgisch zu verdichten und zu überhöhen. Das tut der Spannungskurve natürlich gerade im letzten Drittel, wenn die Schwimmreise der Protagonistin nur noch auf wenige Arten und Weisen inszeniert werden kann, recht gut.
Problematisch ist da eher, dass der Film insgesamt arg "hollywoodesk" wirkt. Obwohl die Geschichte an und für sich schon mehr als genug Kraft hat, kippt man über jede Szene noch einen tosenden Soundtrack, arbeitet mit kitschigen Zeitlupen und allerhand Pathos, bis der Score sogar Chöre einsetzt, die in jedem Fantasy-Epos funktioniert hätten, hier aber deutlich zu viel des Guten sind. Regisseur Joachim Ronning hat bereits mit seinem Achtungserfolg "Kon-Tiki" sowie dem fünften "Pirates of the Caribbean"-Abenteuer bewiesen, dass er eindrückliche Bilder auf hoher See erschaffen kann und dementsprechend liefert er auch hier ab - "Die junge Frau und das Meer" sieht durchweg fantastisch aus, aber vielleicht auch etwas zu glatt, zu poliert, zu hollywood-mäßig. Immerhin sorgt diese Art der Inszenierung, die in ihrer Glattheit ja auch typisch Disney ist, gegen Ende für einige echte Gänsehaut-Momente, wenn die großen Momente von Trudys Reise auch wirklich groß eingefangen werden. Da trumpft dann auch "Star Wars"-Heldin Daisy Ridley mit einer eindrücklichen Performance richtig auf, die definitiv im Gedächtnis bleibt. Und die simple, aber dennoch wichtige Message wird von derlei auch nicht vernebelt, sondern bleibt real und gewichtig. Insofern: Alles richtig gemacht.

Fazit: Daisy Ridley brilliert in einem recht glatten und aus bekannten Genre-Versatzstücken bestehenden Biopic, welches aufgrund seiner Hollywood-Inszenierung erst ein wenig nervt, dann aber nachhaltig beeindruckt. Dabei ist der Kampf einer Frau gegen eine skurille Männerdomäne fast noch spektakulärer und nachhaltiger als ihr ebenfalls sehr beeindruckender, sportlicher Eifer.

Note: 3+



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