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Endlich (ein paar) Antworten: Filmkritik zu "Der Schacht 2"

Im "Schacht" fährt eine große Steinplatte voller Essen über hunderte Stockwerke hinab - die Bewohner der unteren Etagen können nur essen, was die oben lebenden übriglassen. Perempuan (Milena Smit) ist gerade auf einer der höheren Etagen gemeinsam mit ihrem Zellenbewohner, dem Straftäter Zamiatin (Hovik Keuchkerian) erwacht und wird Zeuge davon, wie andere Bewohner des "Schachts" ein komplexes Regelwerk durchsetzen wollen. Nach diesem soll es möglich sein, alle Bewohner bis in die untersten Etagen mit den Speisen auf der Steinplatte zu ernähren. Doch als sich einige wenige nicht an die Regeln halten und somit die Speisen der anderen ruinieren, werden diese Gesetze angezweifelt... und besonders Zamiatin scheint alsbald die Kontrolle zu verlieren.

"Der Schacht" kam im Jahr 2020 auf Netflix förmlich aus dem Nichts und war dementsprechend aufgrund seiner cleveren Grundidee ein ziemlicher Faustschlag direkt in die Magengegend. Einen solchen kann die offizielle Fortsetzung, die nun mehr jedoch als Prequel und nicht als direkte Fortführung der Geschehnisse desVorgängers gilt, natürlich nicht noch mal in gleicher Form setzen - der Überraschungsfaktor ist natürlich hinfällig und dementsprechend sind Kenner des Erstlings bereits auf das Setting und die Thematik des Films vorbereitet. Trotzdem findet Regisseur Galder Gaztelu-Urrutia, der auch bereits den ersten Film inszenierte, einige sehr feine Herangehensweisen an den bekannten Stoff und hält diesen dadurch frisch. So ist es eine hochspannende Abwechslung zu sehen, dass der "Schacht" tatsächlich mal aus einem cleveren Regelwerk bestand, mit welchem sich die perfide Taktik der "Verwaltung" tatsächlich einigermaßen positiv umwandeln ließ. Daraus bezieht "Der Schacht 2" auch eine enorme, innere Spannung, da man als Kenner des Vorgängers bereits weiß, dass irgendwann das Chaos übernehmen wird... doch wie und wann, das ist unbekannt.
Um genau dies zu untermauern, wirft der Regisseur einige neue, sehr interessante Figuren in den Ring - allen voran der Straftäter Zamiatin, der wie eine drohende Zeitbombe wirkt und bei dem man nur darauf wartet, dass er sich an die Regeln, die zu seinem Nachteil zu laufen scheinen, nicht mehr halten will... und somit alle anderen ebenfalls mit ins Verderben reißt. Auch die neue Hauptfigur, diesmal eine junge Frau, funktioniert prächtig und ist eine starker Kontrast zu dem "Helden" des ersten Films. Die Konflikte, die diese hier ausführt und miterleben muss, sind nicht zwingend neu und nach wie vor werden gerade die gesellschaftlichen Parabeln des Untertons bisweilen etwas zu plakativ wiedergegeben. Doch gerade in der ersten Hälfte lebt "Der Schacht 2" von dieser bröckelnden Ordnung, bei der nur ein winziger Funke den gesamten Plan verbrennen lassen kann. Dank der griffigen Inszenierung und des diesmal etwas höheren Budgets, welches auch in einige höchst blutige Actionszenen geflossen ist, kann man sich dieser inneren und äußeren Spannung wieder einmal höchst schnell hingeben.
Doch ab der zweiten Hälfte wackelt das Konstrukt dann leider ein wenig, denn mit der Einführung eines recht überzeichneten Antagonisten beginnt das Ganze bisweilen etwas ins Lächerliche abzurutschen. Lange Zeit versucht der Film, die Geschichte dieses beinahe biblischen Bösewichts zu erzählen und vergisst dabei beinahe völlig, die zuvor aufgemachten Stationen noch weiter auszuleuchten. Der menschliche Konflikt zwischen den Gefangenen als Einheit gerät dabei ins Hintertreffen, der Actionanteil nimmt zu... und das Ganze ist plötzlich deutlich weniger spannend. Zudem verrennt sich "Der Schacht 2" noch etwas mehr als der direkte Vorgänger während seines finalen Aktes in ziemlich wirren Andeutungen und Überhöhungen - gleichzeitig beantwortet er einige offene Fragen des Vorgängers, bleibt in seinem Showdown jedoch erneut wenig aussagekräftig. Zum wiederholten Male dürften einige reichlich verwirrte Gesichter vor den Bildschirmen sitzen, sobald der Abspann läuft... die Enttäuschung fühlend, dass man das große Konstrukt dieser faszinierenden und perversen Grundidee nicht doch noch ein wenig erweitert und zumindest für ein bisschen Klarheit sorgt.

Fazit: Zu Beginn ist "Der Schacht 2" seinem starken Vorgänger noch mindestens ebenbürtig und sorgt mit einigen neuen Einfällen sowie knackigen, menschlichen Konflikten für Hochspannung. Später verliert der Film durch einige überhöhte Szenen und einem ziemlich wirren Finale aber leider ein wenig an Boden.

Note: 3+



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