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Sing Sing (2023)

Im berüchtigten Sing-Sing-Gefängnis, in welchem Mörder, Diebe und Gewalttäter einsitzen, hat John Divine G Whitfield (Colman Domingo) vor Jahren das Theaterprogramm Rehabilitation Through the Arts gegründet. Dort üben ausgewählte Insassen gemeinsam mit dem Regisseur Brent Buell (Paul Raci) Theaterstücke ein, um diese anschließend zur Aufführung zu bringen. Whitfield glaubt, dass die Männer somit eine kurzzeitige oder sogar langfristige Flucht aus ihrem tristen, bedrohlichen und deprimierenden Alltag hinter Gittern finden können. Als sich eines Tages der auf dem Hof mit Geld und Drogen handelnde Clarence Maclin (Clarence Maclin) bei der Gruppe anmeldet, bringt er durch den Vorschlag, eine Komödie zu inszenieren, ganz neuen Schwung ein. Ein Schwung jedoch, der Whitfield erst nicht wirklich liegt und schließlich sogar zu Konflikten führt, die das ganze Programm gefährden könnten...

Es gibt prinzipiell nichts, was ich an dem dreifach oscarnominierten (aber leider ohne Gewinn aus der Veranstaltung gehenden) Sing Sing kritisieren könnte, denn der Film macht alles richtig. Auf einer sehr schönen und erhellenden, wahren Geschichte beruhend haben wir hier nicht ein typisches Knast-Drama vor uns, bei der es an der Essensausgabe zu gewalttätigen Ausschreitungen kommt oder ein menschlicher Konflikt unter Insassen plötzlich mit der Lebensgefahr einer Partei endet. Das Ziel war hier, so real und echt wie möglich zu sein, um die Atmosphäre dieser Geschichte so punktgenau wie möglich einzufangen. Um das zu ermöglichen, verzichtete man nicht nur auf allerhand Klischees des Genres, sondern besetzte auch einen großen Teil der ehemaligen Insassen und Mitglieder des Programms, die sich hier als jüngere Versionen selbst spielen. Das sind dann natürlich keine geübten Schauspieler und das sieht man hin und wieder auch - macht aber nichts. Denn wichtiger als ein perfektes Spiel ist hier der enorme Realitätsgehalt, welcher durch die echten Menschen, die hier ihre eigene, persönliche Geschichte spielen, durchweg gegeben ist und daher eine dichte Atmosphäre entfaltet.
Und hier und da sind dann doch noch ein paar "echte" Schauspieler dabei, wie zum Beispiel Colman Domingo in der Hauptrolle. Der wurde für seinen Einsatz dann auch gleich völlig verdient für den Oscar als bester Hauptdarsteller nominiert und liefert dementsprechend eine echte Ausnahme-Performance ab, die noch lange haften bleibt. Ähnliches lässt sich über Paul Raci sagen, der hier den künstlerisch offenen und mit ungemein viel Herz, aber auch sehr, sehr viel nötiger Ruhe arbeitenden Regisseur spielt und als dieser der wichtige Ruhepol ist, der immer wieder kluge, aber niemals aufgesetzte Worte zu sagen hat. Diese Mischung aus echten, hochkarätigen Schauspielern und (vorsichtig gesagt) Laien hätte ziemlich schief gehen können, doch die Chemie zwischen den Akteuren stimmt durchgehend. Dafür sorgt auch der eigenwillige, aber treffsichere Inszenierungsstil: Grobkörnige und meist unscharfe Bilder sowie eine stets sehr nah an den Schauspielern bleibende Kamera sorgen beinahe für einen Art Doku-Stil, sodass sich das ganze Geschehen (auch dank dem Verzicht auf effekthascherische Überzeichnungen) sehr echt anfühlt.
Wobei man natürlich konstatieren muss, dass das in der Summe dann nicht immer aufregend ist. Die persönlichen Tragödien der Figuren sind an und für sich hochgradig dramatisch, doch wie diese zwischen die oftmals lockerleichten Theaterszenen eingebunden werden, wirkt hin und wieder etwas zu aufgesetzt... mal ganz davon ab, dass wir diese Geschichten rund um mögliche Unschuldige oder mit dem Rücken zur Wand stehenden Kriminellen so nun auch nicht zum ersten Mal sehen. Diese 104 Minuten sind deswegen nicht immer ganz kurzweilig, auch wenn man aufgrund des Aufbaus einer bemerkenswert dichten Atmosphäre auf keine dieser Minuten hätte verzichten können. Als reines Drama ist der Film dann vielleicht nicht immer dringlich genug, doch das muss er vielleicht auch gar nicht sein. Es ist eher eine, in dieser Form hochinteressante, Milieustudie, ein Blick durch ein Fenster in eine völlig andere und dennoch sehr reale Welt. Innerhalb dieses Rahmens sicherlich etwas sperrig, aber mit viel Herz und echtem Gefühl inszeniert... sowie ein kleines bisschen Humor, denn wenn Gefängnisinsassen eine wilde Komödie mit Gladiatoren, Peter Pan und Freddy Krueger einproben, kann man sich da natürlich auf allerlei wild-witzige Theaterszenen freuen.

Fazit: Dank seiner sehr real wirkenden Inszenierung und einem brillierenden Hauptdarsteller ein packendes, nahe am echten Leben wirkendes Drama, welches typische Gefängnis-Klischees umgeht und stattdessen eine sehr menschliche Geschichte erzählt. Auch wenn einem manches dennoch bekannt vorkommt, definitiv ein Drama, welches alleine aufgrund seiner wundervollen, realen Hintergründe in Erinnerung bleibt.

Note: 3+ 



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