Seit Jahren wurde die große Opernsängerin Maria Callas (Angelina Jolie) nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen. Laut eigenen Aussagen ist ihre Karriere beendet, weswegen sie nun ein weitestgehend zurückgezogenes Dasein in ihrer Villa fristet, umgeben von ihren loyalen, aber ebenso um ihren Gesundheitszustand besorgten Angestellten Bruna (Alba Rochwacher) und Ferruccio (Pierfrancesco Favino). Ernähren tut sich die Sängerin fast nur noch ausschließlich von Tabletten, die ihren Geisteszustand mehr und mehr zu beeinträchtigen scheinen. So führt Callas Gespräche mit Personen, die nicht vor Ort sind, wirkt benebelt und verwirrt. Sogar Callas selbst glaubt, dass ihre letzten Tage angebrochen sind... doch meint sie damit ihr ganzes Leben oder hat dies noch etwas über ihre Karriere zu sagen, die vielleicht doch noch nicht an ihrem Ende angelangt ist?
Regisseur Pablo Larrain scheint eine Muse an in der Öffentlichkeit stehenden, historisch unvergesslichen Frauen gefunden zu haben, die in einer Extremsituation mit sich selbst kämpfen. Sowohl Jackie: Die First Lady als auch Spencer wurden von Kritikern nahezu einhellig positiv aufgenommen, wobei Larrain sowohl Natalie Portman als auch Kristen Stewart zu einer Oscar-Nominierung als beste Hauptdarstellerin verhalf. Für eine solche hat es für Angelina Jolie diesmal nicht gereicht, was womöglich nur einen Grund gehabt haben dürfte: Jolie spielt eine der begnadetsten Opernsängerinnen, singt den größten Teil ihrer Gesangsparts aber natürlich nicht selbst. Das konnte so auch niemand erwarten, denn Maria Carras' Stimme lässt sich einfach nicht wiederholen und man möge bitte eine Opernsängerin von solch enormer Kraft finden, die zugleich aber auch noch schauspielerisch so viel Verve mitbringt wie Jolie. Da die Academy aber offensichtlich Gefallen daran findet, wenn Schauspielerinnen wirklich möglichst alles geben, waren sie hier vielleicht nicht ganz so beeindruckt, was Jolie's Leistung aber Unrecht tut.
Denn völlig gleich ob das hier nun ihre Gesangsstimme ist oder nicht (tatsächlich sang Jolie selbst, doch für den finalen Schnitt wurde nur ein Bruchteil ihrer echten Stimme verwendet): Der Der fremde Sohn-Star liefert hier erneut eine brillante, schauspielerische Performance ab. Drei Jahre war sie der Leinwand mal wieder abstinent, nachdem der Marvel-Blockbuster Eternals mit ihr in einer prägnanten Nebenrolle nicht den gewünschten Erfolg brachte, und meldete sich dann mit einem echten Tusch wieder zurück. Jolie überzeichnet nie, ihre Arbeit ist sinnstiftend für Grazie, Zerbrechlichkeit und Vorsicht in vielerlei Arten. Die Schauspielerin trifft dabei stets die richtigen Töne, bleibt gleichsam überstrahlend und glaubwürdig und verkörpert somit exakt das Bild, was viele von dieser Ausnahmekünstlerin gehabt haben dürften. Zudem spielt ihr auch noch ein exzellenter Supporting-Cast zu, wobei hier vor allem Alba Rochwacher und Pierfrancesco Favino gesondert hervorgehoben werden müssen - als loyale Angestellte der Opernsängerin, die aber nicht nur kuschen, sondern gleichsam auch mit einer gewissen Härte agieren müssen, haben sie die womöglich besten, weil berührendsten Dialoge des gesamten Films und agieren gleichzeitig mit einer bestechenden Zurückhaltung.
Dass Jolie den bekannten Charakter der Maria Callas so genau trifft, ist aber zeitgleich auch ein Problem. Wo Regisseur Larrain seinen anderen Grande Damen der Historie noch stets neue, so kaum gesehene Seiten abgewinnen konnte, gilt dies für Callas nur selten. Das mag zwar teils so gewollt sein - schließlich galt sie Zeit ihres Lebens als unnahbar, verschlossen, geheimnisvoll. Doch es löst eben diesen magischen Schleier auch nicht auf, weswegen diese Callas weiterhin wie ein (sicherlich beeindruckendes) Kunstwerk verbleibt: Wunderbar anzusehen, mit einer magischen Ausstrahlung, doch auch fernbleibend von uns. Das was Larrain erzählt, tut er mit gewohntem Verve: Kamera, Ausstattung, Schnitt, der gesamte Stil seines Dramas, all das ist weiterhin von einer enormen Qualität, ohne dabei überzeichnet oder selbstverliebt zu wirken. Doch etwas wirklich Erfrischendes erfahren wir nicht, der große Aha-Moment rund um diese Ikone fehlt, weswegen man letztendlich auch nur rätseln kann, zu welcher Aussage man sich hier hinreißen wollte. Der letzte Kampf einer großen Sängerin, die erkennen muss, dass ihre glorreichsten Zeiten vorbei sind? Eine mahnende Erklärung über Medikamentenmissbrauch oder die Schattenseiten des Ruhms? Vielleicht aber auch nur eine Verbeugung vor einer der größten Künstlerinnen unserer Zeit - und als solche mag Maria vielleicht nicht rundum befriedigend sein, da man dafür zu wenig erfährt. Doch spüren kann man diese große Kunst durchweg... wenn auch nicht die echte Person dahinter, denn diese wird wohl für immer ein Mysterium bleiben. Was vielleicht aber auch gut so ist, wer weiß.
Fazit: Angelina Jolie brilliert in dieser zerbrechlichen und gleichzeitig so glanzvollen Performance, unterstützt von wundervollen Nebendarsteller*innen. Inszenatorisch entfaltet Pablo Larrains Film einen regelrechten, magischen Sog, bleibt inhaltlich jedoch unter seinen Möglichkeiten.
Note: 3
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