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Ein Fest für Fans... und alle anderen: Serienkritik zur ersten Staffel von "The Last Of Us"

Vor zwanzig Jahren suchte ein aggressiver Cordyceps-Pilz die Menschheit heim und verwandelte alle, die seinen Ranken zum Opfer fielen, in hochaggressive und gefährliche Killer. In dieser zusammengebrochenen Welt ist es Joel Miller (Pedro Pascal) und seiner Partnerin Tess (Anna Torv) nur deshalb gelungen zu überleben, weil sie das taten, was nötig war... ohne Rücksicht auf Verluste. Joel hat sich lange um niemand anderen als um sich und Tess gesorgt, doch nach einem geplatzten Handel mit einem Verbrecher muss er plötzlich eine menschliche Fracht durch das Land transportieren, um eine besondere Aufgabe zu erfüllen: In der jungen Ellie (Bella Ramsey) könnte womöglich das Heilmittel gegen den tödlichen Virus schlimmern und ausgerechnet Joel soll eben diese nun durch von infizierten Menschen besetztes Gebiet zu einem Wissenschaftsteam begleiten. Eine Reise, die etliche Gefahren birgt und sowohl Joel als auch Ellie bis ins Mark erschüttern und prägen wird...

Als enormer Fan der zugrundeliegenden Videospielreihe, der beide Teile mehrfach mit großer Begeisterung gespielt hat, wachte ich natürlich automatisch mit Argusaugen über diese Verfilmung. Und es blieb vorab immer noch eine gewisse Skepsis - nicht nur aufgrund der bisherigen Geschichte von meist eher schlechten als rechten Videospielverfilmungen, sondern auch weil "The Last Of Us" bereits so cineastisch erzählt wird, dass wirklich fraglich war, ob es davon wirklich noch eine Serie braucht. An dieser Stelle ist die Beteiligung von Neil Druckmann, dem Regisseur der Videospiele, kaum hoch genug zu schätzen, denn der weiß schließlich am Besten, was die Geschichte braucht. Und es ist von vorn bis hinten zu sehen, dass er auf die Details, die auch Fans so an diesen Werken lieben, einen enormen Wert legt, weswegen es eben jenen bei der Sichtung mehr als einmal die Sprache verschlagen wird. Es sind nicht nur die extrem detailliert nachgebauten Sets, die passenden Kostüme und Masken der gruseligen Infizierten, die hier exakt wie aus dem Spiel entnommen scheinen und deswegen einen hohen Wiedererkennungswert vermitteln. Der Fanservice, der aber niemals nur als platter Fanservice betrieben wird, reicht über die exakte Anordnung der verschiebbaren Schränke, über exakte Zitate und Anspielungen und natürlich die fantastische Originalmusik... und bis hin zu den Soundeffekten, die wahnsinnig authentisch die akustische Seele des Spiels wachrufen.
Rein optisch, technisch und in Bezug auf die Details kann man ein solches Spiel kaum besser verfilmen, das steht praktisch außer Zweifel. In Sachen Plot muss es für eine reine Verfilmung, die den spielerischen Aspekt zwangsläufig ausklammert, aber natürlich Anpassungen geben. Es ist natürlich mehr als logisch, die häufigen, aber handlungsmäßig zumeist irrelevanten Scharmützel und Actioneinlagen zusammenzuraffen, um die bestehende Zeit mehr in die Interaktionen zwischen den Figuren zu stecken. Das macht HBO auch über weiteste Strecken richtig gut und nutzt die gewonnene Zeit, um deutlich mehr Hintergrundinformationen zu den Charakteren, der Ausgangslage oder einzelnen Szenen zu bieten - so zum Beispiel durch informative und spannende Rückblicke zum Tag des Ausbruchs oder auch Hintergründe über die Entstehung des Cordyceps. Allerdings stimmt das Maß zumindest für den Kenner der Vorlage nicht immer, denn das beinahe alle actionorientierten Passagen, die die Handlung nicht direkt voranbringen, ersatzlos gestrichen wurden, ist aus dramaturgischer Sicht bisweilen nachvollziehbar, aber dennoch schade. Denn durch den großen Verzicht auf viele ikonische Settings und Passagen des Spiels entgehen den Machern einige atmosphärische Highlights, die wunderbare Horrormomente, hervorragende Action-Setpieces oder eben auch mal Momente, in denen die Figuren zusammenarbeiten. Nichtkenner der Vorlage werden diese Momente dann natürlich nicht vermissen, aber vielleicht dennoch feststellen, dass es erstaunlich wenige Szenen mit der eigentlichen Bedrohung der Handlung gibt - erstaunlich für eine Art der "Zombie"-Serie.
Doch wenn man (als Kenner der Vorlage) nicht zu sehr darüber nachdenkt, was denn hier fehlt, dann sieht man umso mehr das, was drin ist... und das ist im Grunde durchweg richtig gut. Die Macher haben die Essenz des Spiels verstanden und wissen ganz genau, wie sie die Story wiedergeben müssen, reichern an passenden Momenten Neues an und filmen an anderen fast schon 1:1 die Zwischenszenen des Spiels ab... warum auch etwas ändern, wenn es schon vorher meisterhaft war? An der berauschenden Optik kann man sich ohnehin kaum sattsehen, doch das Herzstück waren immer die bewegende Geschichte und die erstaunlich menschlichen, ambivalenten Charaktere. Auch wenn ein paar klitzekleine Längen zur Mitte nicht ausbleiben und die Dynamik des Plots aufgrund vieler Rückblenden und Unterbrechungen nicht immer ganz stimmig bleibt - "The Last Of Us" ist auch in Serienform aufgrund seiner packenden Geschichte wahnsinnig fesselnd und berührend. Oftmals trieben mir die niemals gestellten und deswegen so ehrlichen Dialoge die Tränen in die Augen, da die Macher immer wieder die perfekte Symbionte aus neuen Pfaden und würdiger Verfilmung finden. Nur in wenigen Momenten müssen sie sich deutlich hetzen - da ist unverständlich, warum gerade die letzten Folgen so vergleichsbar kurz ausfallen, wenn man die emotionale Wucht der Geschichten bedenkt, die in diesen erzählt werden. 
Dass "Narcos"-Star Pedro Pascal seine Sache als Joel Miller hervorragend machen würde, stand im Grunde außer Frage und dementsprechend sieht er der Version aus den Videospielen nicht nur unfassbar ähnlich, sondern liefert auch schauspielerisch ein beeindruckendes Gesamtpaket. An Bella Ramseys Darstellung als Ellie musste ich mich anfangs hingegen etwas gewöhnen. Dass sie nicht aussieht wie unsere geliebte Ellie aus dem Spiel ist dabei gar nicht das Problem, doch war mir ihre Performance gerade in den ersten Folgen noch zu zickig, zu gewollt flapsig. Im späteren Verlauf der Serie findet "Game of Thrones"-Star Ramsey aber einen wesentlich besseren Zugang zu der ohnehin sehr herausfordernden Rolle und überrascht mit einigen ganz starken, bewegenden Momenten, die nicht nur unglaublich nah dran an der Vorlage sind, sondern aufgrund der enormen Ausstrahlung der jungen Schauspielerin für Gänsehaut am ganzen Körper sorgen. Zu der grandiosen Besetzung zählen zudem auch noch Storm Reid als Ellies Freundin Riley sowie "Milk"-Star Gabriel Luna als Joels jüngerer Bruder Tommy - ein Cast, der sich somit durchweg sehen lassen kann. Für die Fans der Spiele hat man mit zeitweiligen Besetzungen der Originalbesetzung in anderen Rollen zudem noch ein paar echte Schmankerl parat, die aufzeigen, wie sehr die Macher darauf schielten, eben jenen ein ebenso frisches wie detailliertes Erlebnis zu geben. Das hängt dann solide Werke wie den "Uncharted"-Film oder den letzten "Tomb Raider"-Versuch sowieso schon in jeder Hinsicht meilenweit ab... und muss einfach fortan als (weitestgehend) perfekte Blaupause für Videospielverfilmungen jeder Art gelten. Und als klarer Beweis, dass viele Videospiele schon so gut und cineastisch genug sind, dass man sie nicht noch an jeder Ecke und an jedem Ende auf das filmische Medium zurechtstutzen oder verwässern muss.

Fazit: "The Last Of Us" vollbringt das unglaubliche Kunststück, eine würdige und für Fans mit allerlei liebevollen Details vollgestopfte Verfilmung eines grandiosen Spiels zu sein und zeitgleich einen eigenen Ansatz zu finden, der dynamisch wirkt und das Material sinnig erweitert. Auch wenn der Actionanteil etwas enttäuschend ausfällt, ist das hier nun das Nonplusultra für eine Videospielverfilmung, an der sich alle zukünftigen messen lassen müssen.

Note: 2



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