Direkt zum Hauptbereich

Wieder ein Netflix-Blender: Filmkritik zu "Pain Hustlers"

Die Highschool-Abbrecherin Liza Drake (Emily Blunt) möchte sich und ihrer Tochter Phoebe (Chloe Coleman) ein besseres Leben ermöglichen, doch die Aussichten sind schlecht - für einen kaum ausreichenden Hungerlohn muss Liza sogar in einem Stripclub arbeiten, um irgendwie über die Runden zu kommen. Das Angebot des Clubgasts und Pharma-Vertreters Pete Brenner (Chris Evans), in seiner Firma einzusteigen, kommt dabei wie gerufen: Er will ein neues Medikament gegen Krebsschmerzen auf den Markt bringen, befindet sich dabei jedoch aufgrund störrischer Ärzte auf einem sinkenden Schiff. Die wenig erfahrene, aber umso energetischer auftretende Liza bringt einen ersten Erfolg, der alsbald immer weiter steigt. Schon bald wird jedoch klar, während Liza und Pete in Geld schwimmen, dass das Medikament auch seine Nebenwirkungen hat... die sogar tödlich sein können.

Schon Streaming-Konkurrent Disney Plus hat sich mit der Miniserie "Dopesick" der tragischen, wahren Geschichte der Opioid-Krise in den USA angenommen - keine Serie, die mich so richtig abgeholt hat, da sie auf Dauer doch etwas zu unentschlossen war, die aber dennoch einige Schläge in die Magengrube ausgeteilt hat und deswegen in Erinnerung blieb. Netflix versucht nun, dem Thema mit einem großen Film gerecht zu werden und scheitert dabei nicht nur in Vergleich mit der Konkurrenz ziemlich kläglich. Das größte Problem ist dabei ein wirres Drehbuch, welches sich nie entscheiden kann, in welche Richtung es nun gehen will: Satirische Unterhaltung oder doch ein finsteres Drama mit späteren Thriller-Elementen, welches wirklich etwas zu dem Thema zu sagen hat? Unentschlossen tingelt der zähe Film zwischen mehreren Genres hin und her und schafft es dabei weder, das Publikum an die holzschnittartigen Charaktere zu binden noch irgendeine Form der Spannung aufkommen zu lassen. Die Charakterzeichnung ist marginal und setzt immer wieder unglaubwürdige und viel zu schnell aufkeimende 180-Grad-Wendungen voraus. Und das Schlimmste: Das wahre Drama hinter dieser wahren Geschichte, die viele Menschenleben zerstört hat, lässt sich in der wackligen Inszenierung zwischen satirischer Komödie und stumpf aufgezogenem Drama nie wirklich erahnen.
Regisseur David Yates führt hier zum ersten Mal seit sieben Jahren bei einem Film Regie, der nicht zum "Wizarding World"-Universum gehört - in diesem verantwortete er nicht nur die letzten vier "Harry Potter"-Filme, sondern auch alle drei (bisherigen?) Streifen der "Phantastische Tierwesen"-Spin-Offs. Bei diesen großen Blockbuster-Produktionen ließ Yates schon mehrfach eine eigene, kreative Vision vermissen und das ist in diesem Netflix-Werk nun kaum anders. Wirr und ohne echte Zusammenhänge wirft Yates immer wieder visuelle Spielereien in den Topf - ob es sich nun um Superzeitlupen oder Interviews mit den Betroffenen in Schwarzweiß handelt. Wirklich Hand und Fuß hat diese kunterbunte und dennoch ziemlich willkürliche Inszenierung dabei nicht... und wenn er mal keine Ideen hat, filmt Yates ziemlich uninspiriert nach Lehrbuch ab. Nun muss ein Film wie dieser nicht wie aus dem Ei gepellt aussehen, denn eine auf dem Papier eher trocken klingende Geschichte darf dann auch ruhig mal etwas normaler wirken. Aber Yates versucht auf Biegen und Brechen, visuelle Stilmittel einzubringen, die in solch ein Drama nicht wirklich hineinpassen und deswegen eher verwirrend daherkommen. Es schadet "Pain Hustlers" in der Ausführung seiner im Grunde spannenden, aber hier seltsam entrückten Geschichte nicht zwingend, wirkt aber dennoch wie ein verzweifelter Versuch, dem Film dort Substanz zu verleihen, wo er keine weitere mehr bräuchte.
Seinen namhaften Cast hat Yates mal solide im Griff und schludert dafür an anderen Stellen. Enttäuschend ist in dieser Hinsicht nur der Auftritt von Chris "Captain America" Evans - obwohl es normalerweise eine Freude ist, dem Schauspieler dabei zuzusehen, wie er ein egomanisches Arschloch zum Besten gibt, so bleibt er hier völlig außer Form und redlich blass. Das ist dann kein Vergleich zu seiner großen Spielfreude in dem spaßigen Krimi "Knives Out", wo er eine solche Rolle schon einmal erfolgreich verkörperte. Emily Blunt ist in der weiblichen Hauptrolle die Sympathieträgerin und agiert durchaus solide, wobei das Drehbuch ihre Rolle aber immer wieder seltsame Sprünge vollziehen lässt, was eine Bindung an diese etwas zu glatt gezeichnete Figur nicht einfach macht. Der eigentliche Star in diesem Werk ist dann Andy Garcia, der als geldgeiler Pharma-Chef zwar gnadenlos überzeichnet, dabei dem Affen aber so viel Zucker gibt, dass es eine wahre Freude ist, ihm zuzusehen. An ihn binden mag man sich aber natürlich auch nicht, weswegen am Ende mehr als fraglich ist, wem wir hier eigentlich die Daumen drücken sollen. So richtig packend wird "Pain Hustlers" deswegen auch erst in den letzten Minuten, wenn die finalen Konsequenzen deutlich werden - das ist dann für einen Film, der vorher zumeist zäh, unentschlossen und wirr erzählt wurde, aber natürlich zu spät.

Fazit: Die wahre Geschichte mag fesselnd sein, doch Netflix macht aus dieser ein reichlich wirres Werk, welches uninspiriert zwischen einer satirischen Komödie und einem trocken erzählten Drama tingelt. Leider kein großer Wurf, auch aufgrund der erneut ziemlich laschen Regie von David Yates.

Note: 4



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr...

Der große Crash - Margin Call

Es gehört schon einiges an Talent dazu, einen Film über eine Schar Anzugträger, die in dialoglastiger Manier das eventuelle, schockierende Ende ihrer Firma aufdecken. Wenn man es falsch angeht, könnte der Stoff arg trocken werden, mal ganz davon abgesehen, dass der Otto-Normal-Zuschauer mit den finanziellen Zusammenbrüchen und all den Zahlen nicht unbedingt umgehen kann. Eine Riege großer Stars kann da schon helfen, die Zuschauer anzulocken, so beweist es zumindest der angenehm ruhige Thriller "Margin Call"... DER GROSSE CRASH - MARGIN CALL Kurz vor der Finanzkrise 2007: In der Wertpapierhandelsabteilung einer großen New Yorker Bank werden etliche Mitarbeiter entlassen, unter ihnen ist auch Risikomanager Eric Dale (Stanley Tucci), der zuvor jedoch noch eine schockierende Entdeckung macht. Seine Arbeit hinterlässt er dem übriggebliebenen Mitarbeiter Peter Sullivan (Zachary Quinto), der die Zahlen überprüft... und dadurch entdeckt, dass der ganze Konzern auf wackligen Fü...

Eraser

Arnold Schwarzenegger, wohl neben Sylvester Stallone die Action-Ikone der 80er und 90er Jahre schlechthin, ist endlich zurück. Nachdem er sein Amt als Gouverneur von Kalifornien niedergelegt hat, dürfen wir ihn seit einiger Zeit endlich wieder in genügend rauen, spaßigen Actionfilmen wiedersehen. Auch wenn in der heutigen Zeit ganz klar Statham, Diesel und Co. die Actionhelden sind, macht es aber dennoch Spaß, den "Terminator"-Star wiederzusehen. Und natürlich auch seine vergangenen Filme, von denen ich bislang kaum einen gesehen habe und die ich nun mal nachholen möchte. Angefangen habe ich nun mit "Eraser" aus dem Jahr 1996... ERASER US-Marshall John Kruger (Arnold Schwarzenegger) arbeitet in einer geheimen Vereinigung der USA im Zeugenschutzprogramm. Darin beschützt er die Leben von Kronzeugen, welche vor Gericht Aussagen tätigen sollen und verschafft ihnen eine neue Identität, um sie vor dem Tod zu bewahren. Sein neuester Job ist eine junge Mitarbeiterin bei...