Joe Goldberg (Penn Badgley) hat sich nun unter neuem Namen nach London abgesetzt, nachdem er in Amerika seinen Tod vortäuschte. Als Literaturprofessor an einer Universität wirkt er zwar etwas überholt, kann jedoch schnell Fuß fassen unter der dort angesessenen Prominenz. Es könnte alles so gut sein, wären da nicht seine Gedanken an die untergetauchte Marianne (Tati Gabrielle), die er zurücklassen musste... und würde nicht eines Tages plötzlich eine Leiche auf seinem Wohnzimmertisch liegen. Joe stellt fest, dass er diesen Menschen diesmal nicht ermordet hat. Stattdessen scheint ein Unbekannter ein perfides Spiel mit ihm zu spielen, vermutet dieser doch, dass er es hier tatsächlich mit dem für tot erklärten Goldberg zu tun hat. Nun muss Joe selbst als Ermittler agieren, um den Mörder zu enttarnen und somit seinen eigenen Hals aus der Schlinge zu ziehen, die ihm umgelegt wurde...
Es ist alles ein bisschen anders diesmal und dennoch bleiben die Macher ihren Wurzeln treu - das war ja aber schon immer irgendwie die Stärke dieser Serie, die in jeder Staffel Schauplatz und große Teile des Ensembles austauschte, um neuen Spirit zu finden und trotzdem rund zu wirken. Da macht auch die vierte Staffel keine Ausnahme, die uns nun in etwas düsterere London schickt, um Joe Goldberg dort unter den meist Reichen und Schönen agieren zu lassen. Die neu eingeführten Charaktere erinnern dabei mit ihren teils skurillen Manirismen an die aufgedrehten Figuren der dritten Staffel, wobei in einigen Fällen angenehme Tiefen erreicht werden. Manche Charaktere bleiben jedoch irgendwo als etwas nervige und zumeist unsympathisch-oberflächliche Idioten hängen - da waren die Vorgängerstaffeln noch etwas präziser und ambivalenter. Trotzdem gefällt das Ensemble auch hier, obwohl kernige Figuren wie die liebesverrückte Love Quinn ein wenig vermisst werden, da deren Lücke hier nicht mit neuen Charakteren, die ähnlich interessant daherkommen, geschlossen werden kann.
Treu bleibt man sich jedoch bei der einzig wahren Hauptfigur des Werks: Joe Goldberg ist auch hier wieder der treibende Faktor und es gelingt "You" auch in der vierten Staffel weiterhin, diese Figur weiterzuentwickeln und interessant zu halten. Goldberg wird vor neue Herausforderungen gestellt, vor allem aber auch psychisch auf ein neues Level gehoben, was deutlich aufzeigt, dass seine Figur noch immer nicht ganz auserzählt ist. Die schauspielerische Leistung von Penn Badgley ist dabei wie gewohnt stark und man spürt, dass er mit seiner Rolle eine echte Bindung eingeht. Unnahbar und dennoch ein wenig zum Greifen findet das Skript der vierten Staffel interessante Pfade, um Joe in der Spur zu halten und dennoch neue Seiten an ihm zu offenbaren. Einige seiner eigenen Wendungen wirken vom Drehbuch zwar bisweilen etwas forciert, halten die Personalie aber dafür frisch und sorgen für eine gewisse Form der Undurchsichtigkeit. Sehr amüsant ist auch weiterhin Joes Off-Kommentar, welcher die Geschehnisse um ihn herum mal mit trockenem Humor, mal auch mit sehr gezielten und aufrüttelnden Worten untermalt.
Und obwohl "You" in der vierten Staffel weiterhin packende Unterhaltung bietet, die das Gros der aktuellen Streamingserien überflügelt und dabei clever, unvorhersehbar und wendungsreich bleibt (besonders der im Zentrum stehende Kriminalfall erhält eine grandiose Auflösung)... es lässt sich nicht ganz verhehlen, dass das Ganze mittlerweile doch eine Art der Wiederholung darstellt. Obwohl das Setting unverbraucht, die Charaktere mindestens interessant und der neue Fokus der Geschichte frisch sind, so haben wir die Idee eines Joe Goldberg, der erneut untertaucht und sich in einem neuen Gebiet befindet, so nun schon öfters gesehen. Es ist wahrscheinlich gut, dass die Serie nächtes Jahr mit einer fünften Season enden wird, bevor man Gefahr läuft, sich abseits der Psyche des Hauptcharakters zu arg im Kreis zu drehen. So fallen diesmal doch einige Längen auf, wenn der neue Schauplatz und das Ensemble schon wieder auf übliche Art und Weise vorgestellt werden müssen und das Publikum sich angesichts all der neuen Gesichter und Vorfälle erneut neu orientieren muss. Es ist niemals langweilig, aber bisweilen ein bisschen redundant, da es diesmal an so richtig knackigen Charakteren mangelt und die (auch schon bekannte) Kritik an den Reichen, die sich am Leid anderer ergötzen, diesmal doch arg erzwungen und ohne doppelten Boden daherkommt. Freuen darf man sich auf die fünfte Staffel natürlich trotzdem und es dürfte durchaus ein rundes Ende für die Show herauskommen, wenn man sich dabei weiterhin treu bleibt und dennoch erneut frische Ideen aus dem Hut zaubert. Der Cliffhanger ganz zum Schluss deutet zumindest daraufhin, dass dies den Machern gelingen wird.
Fazit: Die vierte Staffel mag aufgrund langsam auftretender Wiederholungserscheinungen die bisher schwächste Season sein, unterhält aber trotzdem mit frischen Ideen und auch den altbekannten, bei Fans geliebten Zutaten. Joe Goldberg hält die Geschichte trotz manch einer Länge und einigen forcierten Drehbuch-Entscheidungen als stark geschriebene Hauptfigur sinnig und spannend zusammen.
Note: 3+
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