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Fast (zurecht) vergessen: Filmkritik zu "Elektra (2005)"

Nach den traumatischen Ereignissen in Hell's Kitchen ist die Auftragskillerin Elektra Natchios (Jennifer Garner) zwar nicht so tot wie gedacht, zieht sich aber dennoch auf eine kaum bewohnte Insel zurück, um ihre seelischen Wunden zu lecken. Ganz nebenbei soll sie dort auch auf die Namen eines weiteren Auftrags warten, obwohl Elektra sich für diesen nur ungern verpflichtete. Im Quasi-Exil macht Elektra auch die Bekanntschaft mit der rebellischen Teenagerin Abby Miller (Kirsten Prout) und ihrem Vater Mark (Goran Visnjic), kann sich diesen aber aufgrund ihrer Traumata und des antrainierten Vertrauensproblems nicht wirklich öffnen. Als Elektra den Auftrag schließlich ziemlich bewusst in den Sand setzt, muss sie sich auch noch einiger gefährlicher Feinde erwehren, die es nicht nur auf sie, sondern auch auf Mark und Abby abgesehen haben...

Es gibt so einige Marvel-Verfilmungen aus vergangener Zeit, die man als Filmfan ganz gerne aus der Existenz streichen würde. Für viele zählen dabei jegliche bisherigen Versuche, die "Fantastic Four" auf die Kinoleinwand zu hieven - ich hingegen konnte mit der Version von Ben Affleck als blinder Rächer Daredevil niemals etwas anfangen. Das diffuse Comic-Spektakel aus dem Jahr 2003 gefiel mir so wenig, dass ich um die Fortsetzung, welche seinen Quasi-Sidekick Elektra in den Mittelpunkt stellte, jahrelang einen weiten Bogen machte. Doch mittlerweile leben wir in einer Zeit, in der selbst solche Gurken von damals womöglich noch mal wichtig werden könnten, denn seit das Marvel Cinematic Universe das Multiversum eröffnet und zahlreiche alte Helden aus längst vergangenen Zeiten reaktiviert hat, kann man nie wirklich sicher sein, wer da alles doch noch einmal aus der Vergessenheit auftaucht. Dementsprechend habe ich mir vorgenommen, einige Marvel-Lücken zu füllen und mir selbst die Filme anzusehen, die ich ansonsten wohl kaum mit der Kneifzange angefasst hätte. Die Überraschung hierbei ist, dass "Elektra", obwohl weiterhin alles andere als ein guter Film, ein gutes Stück mehr überzeugt als der völlig überkitschte und unfreiwillig komische "Daredevil".
Das liegt zum einen an der Regie, welche die Actionszenen deutlich übersichtlicher inszeniert hat, wobei die einzelnen Gefechte nicht mehr zu einem wüsten Schnittgewitter verkommen, bei dem man einfach gar nichts mehr erkennt. Auch die vollkommen deplatzierten und wie aus einer anderen Zeit stammenden, kitschigen Rocksongs zur Unterlegung der großen Krawall-Momente wurden durch einen zwar austauschbaren, aber stimmigeren Soundtrack ersetzt. Und noch dazu bietet "Elektra" eine simplere und auch nicht wirklich überzeugende, aber im Kern weniger unnötig verworrene Geschichte, die nicht mit zahllosen Nebenplots zugekleistert wird und sich deutlich mehr auf die Heldenfigur im Fokus konzentriert. Man merkt Elektra jedoch an, dass sie zumindest mit der damaligen Basis nicht fähig ist, einen eigenen Film zu tragen, auch wenn sich "Peppermint"-Star Jennifer Garner in der Hauptrolle redlich müht. Der arg schwammige und bisweilen reichlich banale Hintergrund der Figur, der hier recht zäh durchgekaut wird, lockt aber niemandem hinter dem Ofen hervor und sorgt nur dafür, dass sich die Wartezeit zwischen den einzelnen Actionszenen ein wenig lang anfühlt.
In diesen wurde der Fantasy-Anteil, der in "Daredevil" höchstens angedeutet wurde, mächtig hochgeschraubt: Hier kommen nun zahlreiche, zumeist ziemlich finstere Gestalten mit allerlei Superkräften zum Vorschein, die so durchaus auch in einem "X-Men"-Film hätten Platz finden können. Das beißt sich zwar mit dem raueren und realistischeren Ton des Vorgängers, gibt den Trickspezialisten aber immerhin genügend Raum, um ein bisschen zu klotzen. Solche Mühen hätte man indes zwar auch einfach ins Drehbuch stecken können, um den eigentlichen Plot und vor allem die Nebenfiguren noch etwas ausbauen zu können. Denn abgesehen von ihren spektakulären Gimmicks bleiben die Bösewichter hier nun vollkommen blass und die Anhängsel der reichlich schweigsamen Elektra trifft es gar noch schlimmer. Während Mark Miller ein Kerl ohne jegliche Eigenschaften ist (außer, dass er ziemlich gut aussieht), ist zudem noch eine arg nervige Teenagerin von der Partie, deren einzige Aufgabe es scheinbar ist, Elektra immer wieder in Schwierigkeiten zu bringen. Letztlich zeigt für diesen schematischen Versuch eines Spin-Off's der Daumen auch nicht nach oben, aber immerhin ist die Sichtung nicht so anstrengend und vollgestopft mit unnötigem Ballast, weswegen kurzweilige Unterhaltung gerade so noch drin ist.

Fazit: "Elektra" mag in Sachen Story, Schauspiel und Plot wirklich nicht viel mehr bieten als eine recht hohle Hülle, aber immerhin ist die Regie energetischer und konzentrierter als der völlig konfuse "Daredevil"-Film. Und Jennifer Garner macht ihre Sache als traumatisierte Attentäterin sehr solide.

Note: 4+



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