Eigentlich ist der Plan für die Zukunft von "MyDrugs" gesetzt: Nachdem Moritz (Maximilian Mundt), Lenny (Danilo Kamperidis) und der zwangsläufig neu zum Unternehmen hinzugestoßene Daniel (Damian Hardung) rund eine Million Euro verdient haben, wollen sie den Online-Shop einstellen und sich zurückziehen, um mit dem Geld ihre wahren Träume zu erfüllen. Doch das Geschäft einfach aufzugeben ist gar nicht so einfach, wie Moritz bei einem Treffen mit seinen holländischen Partnern feststellen muss. Zudem versucht er noch immer, seine Beziehung zu Lisa (Lena Klenke) aufrechtzuerhalten. Auch Lenny muss sich mit der Liebe herumärgern und sich entscheiden, ob er seinem Online-Schwarm Kira (Lena Urzendowsky) nun endlich die Wahrheit sagt oder doch weiter auf seine Lügen setzt... was sich immer schwieriger gestaltet, denn Kira pocht nun auf ein Treffen in der realen Welt!
Durch meine eigenen Arbeiten als Autor habe ich zwischendurch zumindest oberflächlich einen kleinen Eindruck erhalten, wie manche (vor allem deutsche) Serien, gerade auf Netflix, geplant werden. Für viele gilt dabei der Standpunkt, dass möglichst alle grandiosen Ideen dringend in einer ersten Staffel untergebracht werden müssen, um das Publikum in jedem Fall durchgehend bei der Stange zu halten... selbst wenn für die folgenden Seasons dann weniger oder keine richtig guten Ideen mehr übrig sind. Wie man dieses Problem löst, wird sich überlegt, sollte die Serie tatsächlich für weitere Staffeln verlängert werden. Und zu Beginn der Sichtung der zweiten Staffel von "How To Sell Drugs Online (Fast)" hatte ich den Eindruck, dass man nach eben jenem ziemlich kopflosem Konzept vorgegangen war. Denn in den ersten drei Folgen bewegt sich die Serie erstaunlich weit weg von der eigentlich düsteren Dramaturgie rund um die Gefahren des Drogenbusiness und wird beinahe zu einer Soap. Über lange Strecken stehen die leider auch nicht immer überzeugend geschriebenen Liebesplots im Vordergrund, wobei vor allem der Nebenplot rund um Lenny und seine Online-Freundin zu Beginn wie aus einer schlechten Romantic Comedy herübergezogen scheint.
Natürlich sind diese zwischenmenschlichen Beziehungen in einer solchen Serie extrem wichtig und waren in der ersten Staffel auch bereits das entscheidende Salz in der Suppe. Hier stimmt dann jedoch das Gleichgewicht nicht mehr ganz, wenn die große Gefahr über lange Zeit völlig ignoriert wird und sich die Hauptfiguren im direkten Vergleich mit ziemlich kindischem Unsinn herumschlagen - wobei man in dieser Hinsicht natürlich auch nicht vergessen darf, dass es sich bei denen immer noch um Teenager handelt, weswegen ihre hormongesteuerten Lovestorys hier in jedem Fall eine Daseinsberechtigung haben. Und zu viel meckern möchte ich ohnehin nicht, denn entgegen meines viel zu schnellen Voraburteils fängt sich die Staffel später wieder so richtig und überzeugt mit nahezu den gleichen Qualitäten wie die erste Season: Hochspannende Zwischenhöhepunkte, begleitet von interessanten und auch bisweilen kritischen Nebenhandlungen, welche die Charaktere noch ein bisschen packender erzählen. Gerade hinsichtlich Hauptfigur Moritz lassen sich die Autoren einiges einfallen, um diesen Charakter immer ambivalenter werden zu lassen. Und das ausgerechnet der ehemalige Sunnyboy Daniel dank einiger richtig feiner Skriptideen noch zu einem echten Fan-Favoriten werden würde, hat wohl auch niemand so richtig kommen sehen. Etwas ab vom Schuss ist nur der endgültige Neuzugang von Lennys Online-Schwarm Kira - der werden nicht nur einige ziemlich dürftige Plots zugespielt, auch die neue Schauspielerin Lena Urzendowsky hat offensichtlich deutliche Schwierigkeiten, zu ihren wesentlich natürlicher spielenden Kollegen und Kolleginnen aufzuschließen.
Sobald die Serie zu alten Stärken zurückgefunden hat und Charakterepisoden einigermaßen gleichwertig zum hochspannenden Fortschritt der Haupthandlung hinzufügt, ist der Spaß wieder enorm. Allerdings ist auch ein deutlicher Anstieg der Skurillität zu sehen. So gehört der etwas schräge Humor zwar absolut zur DNA der Serie, doch wird gerade mit der Einführung der "Albaner"-Crew bisweilen etwas zu sehr der Vogel abgeschossen, wobei die Gags in Gefahrensituationen arg bemüht wirken. Einige sehr bequeme Zufälle schaden zudem weiterhin der Glaubwürdigkeit - gerade, weil das alles ja auf einer wahren Geschichte beruhen soll und solcherlei Drehbuch-Klischees dann umso mehr auffallen. Diese Schwächen hatte die erste Staffel bisweilen aber auch schon und lieferte trotzdem hervorragende Unterhaltung, weil das Drumherum passte. Und weil die zweite Season insgesamt nur wenig dahinter zurückbleibt, möchte ich diesen Umstand auch nicht zu arg beklagen. Insgesamt haben die Macher am Ende doch spannende Wege gefunden, um die Figuren packend weiter zu erzählen, eine schwungvolle Dynamik mit einigen bewegenden und knallharten Wendungen zu erschaffen und das Ganze zudem auch noch einigermaßen leichtfüßig zu erzählen. Und das dürfte alle Fans (zu denen ich mich mittlerweile eindeutig zähle) durchaus zufriedenstellen.
Fazit: Trotz einiger Startschwierigkeiten, die erst befürchten lassen, dass sich die Krimishow in eine schwach geschriebene Teenie-Soap verwandeln könnte, halten die bekannten Qualitäten schnell wieder Einzug und einige etwas bequeme Drehbuch-Schwenker werden von dem starken Cast, dem spannenden Plot und der mitreißenden, inszenatorischen Dynamik, bei der auch immer Platz ist für leise Charaktermomente, locker ausgestochen.
Note: 3+
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