1793: Die Französische Revolution ist in vollem Gange. Marie-Antoinette (Catherine Walker) wird vor einem johlenden Publikum hingerichtet. In dieser Zeit des Umbruchs strebt der korsische Artillerie-Kommandant Napoleon Bonaparte (Joaquin Phoenix) innerhalb der neuen Französischen Republik nach einem Aufstieg. Nach einigen gewonnen Schlachten macht er sich einen Namen, woraufhin er erst zum General und schließlich sogar zum Anführer seiner eigenen Armee aufsteigt. Neben seiner Siege auf dem Feld reizt ihn jedoch auch die Liebe: Hals über Kopf verliebt er sich in die junge Witwe Josephine de Beauharnais (Vanessa Kirby), wobei ihre baldige Ehe jedoch auch von Zwietracht und Streit geprägt ist... bis hinein ins gemeinsame Schlafzimmer. Der Druck von außen und innen beginnt Napoleon zu zerfressen und es ist nur eine Frage der Zeit, bis seine Wagnisse auf dem Schlachtfeld und in der Ehe zu ersten Niederlagen führen werden.
Ich habe mir Ridley Scotts Monumentalwerk für die Erstsichtung sogleich in dem rund eine Stunde längeren Director's Cut angesehen, nachdem die nur zweieinhalb Stunden lange Kinoversion vor allem aufgrund dieser zu kurzen Laufzeit erheblich kritisiert wurde. Nun ist "Napoleon" auch innerhalb dieser überlangen Version sicherlich kein Film, der frei von Fehlern ist, hat aber dennoch viel auf der Habenseite. Vordergründig ist da natürlich alles zu nennen, was irgendwie mit der Visualität zu tun hat, denn wenn Ridley Scott (wie schon so oft) einen Monumentalfilm inszeniert, scheut er keine Kosten. Dementsprechend sind die vereinzelten Schlachtszenen enorm wuchtig, bisweilen erschreckend brutal und zaubern ungeahnt schöne und auch schreckliche Bilder. Darüber hinaus ist ihm natürlich ein prächtiger Ausstattungsfilm gelungen, der über die detaillierten Kostüme und Bauten bis hin zu den durchweg gelungenen und oftmals gar nicht als solche zu erkennenden Special Effects einfach großartig aussieht. Von einem versierten Handwerker wie Scott war solch eine optische Brillanz aber natürlich ebenso zu erwarten wie dass Joaquin Phoenix in der Titelrolle mal wieder absolut großartig ist... auch wenn man einwenden muss, dass "Mission: Impossible"-Star Vanessa Kirby ihm als seine Ehefrau mehr als einmal die Schau stiehlt.
Neben Kirby und Phoenix bleibt der Cast dann jedoch weniger beeindruckend, was nicht an den vor der Kamera versammelten Talenten liegt, sondern an der wenigen Zeit, die man ihnen widmet. Die wenigen Mimen, die hier mehr als eine Handvoll Szenen abbekommen, sind zumeist rein funktional angelegt und bleiben daher kaum in Erinnerung. Was im Grunde aber nur verständlich ist, denn "Napoleon" schafft es bereits nicht, die Geschichte seiner Hauptfigur schlüssig und packend zu erzählen, weil dafür einfach nicht genug Zeit ist. Natürlich ist diese Aufgabe eine Sache der schieren Unmöglichkeit, denn ein ganzes Leben (wobei der Film eine Zeitspanne von rund dreißig Jahren abdeckt) in dreieinhalb Stunden zu pressen, ist nicht machbar, ohne dabei Abstriche hinzunehmen. Und da gelingt es auch dem Directors Cut mit rund einer Stunde mehr an Laufzeit nicht, diese Lebensgeschichte dynamisch zu erzählen. Oftmals werden Szenen aneinandergereiht, die Geschichte fühlt sich sprunghaft an, muss zwangsläufig wichtige Momente auslassen oder komprimieren. Dabei fühlt sich "Napoleon" dann oftmals an wie eine etwas sperrige, faktische Geschichtsstunde, bei der wir viel lernen, aber so gut wie nie wirklich mitfühlen können.
Erschwerend kommt dabei hinzu, dass sich gerade dieser Zwang danach, möglichst viel mitzunehmen, nicht auszahlt, da der Film immer wieder historische Fakten verdreht oder sie, für eine stimmigere Dynamik, fiktionalisiert. Das soll natürlich erlaubt sein, schließlich geht es hier immer noch um einen Kinofilm und keine direkte Dokumentation. Dieser Ansatz hätte es dann aber auch erlaubt, etwas tiefer in die Figuren (ja, auch die Nebenfiguren) einzutauchen und sie abseits der bekannten Fakten mit mehr Leben zu füllen. Bezeichnenderweise ist die leise erzählte Geschichte rund um die Ehe zwischen Napeolon und Josephine die spannendste des Films, da die Titelfigur in diesen Szenen auch menscheln darf, Makel abseits des Schlachtfelds haben kann und man diese Figur in Momenten sieht, die für sie mehr als nur peinlich gewesen sein dürften. Aber wie gesagt: Dabei etwas zu fühlen, ist schwer, da "Napoleon" zu überladen ist von Eindrücken, von noch mehr Schlachten und Diskussionen und politischer Intriganz. Das macht diesen viel kritisierten Film dann auch in der vom Regisseur bevorzugten Version noch zu einem oft schleppenden Werk, welches viel Substanz hat, aber darüber hinaus zu selten in die Tiefe geht.
Fazit: Prunkvoll ausgestattetes Monumental-Kino, prachtvoll und mit Wucht inszeniert, von Phoenix und Kirby virtuos gespielt. Darüber hinaus bleibt "Napoleon" aber in all seinem Zwang, hier so viel Geschichte in komprimierter Zeit erzählen zu müssen, reichlich kühl und fühlt sich selbst bei dreieinhalb Stunden Laufzeit noch sprunghaft an.
Note: 3-
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