Sein Berufsleben hat den grummeligen Mordermittler Walker (Tom Hardy) ziemlich zerrüttet - sein Familienglück hängt am seidenen Faden, die Aussichten auf eine fröhlichere Zukunft sind gering. Als Walker gemeinsam mit seiner Partnerin Ellie (Jessie Mei Li) an einen Tatort gerufen wird, an welchem mehrere Mitglieder einer Triaden-Organisation durchsiebt wurden, steht im Grunde schon fest, dass es sich dabei um einen ausgefeilten Racheakt einer feindlichen Gruppe handelt. Bei den Nachforschungen stellt sich heraus, dass der Teenager Charlie Beaumont (Justin Cornwell) in den Angriff involviert war... und das bringt Walker in Teufels Küche. Tatsächlich arbeitet dieser unter der Hand für Charlies Vater Lawrence (Forest Whitaker), einen einflussreichen Politiker. Nun muss er sich entscheiden, für welchen Teil seines moralischen Kodex er arbeiten möchte, um das Blutvergießen zu stoppen.
Auf diesen Film hat eine große Fangemeinde vor allem aufgrund des Namens auf dem Regiestuhl gewartet. "Havoc" besiegelt nämlich die Rückkehr des walisischen Regisseurs Gareth Evans, der einen feinen Netflix-Deal eingegangen ist. Und von Evans' Rückkehr ins Genre des Cop-Thrillers erwarteten sich Fans natürlich eine erneute, brillante Action-Choreographie, wie er sie in seinen wegweisenden "The Raid"-Filmen dargeboten hatte. So ganz durfte Evans augenscheinlich aber nicht mehr das machen, was er damals getan hat. So fehlt es ausgerechnet den ausufernden Actionszenen an einer echten Kinetik, an der dringlich benötigten Handarbeit und einem Feinschliff in Sachen Choreos. Stattdessen hat sich Evans in den Teufelsschlund begeben, in welchem so viele moderne Action-Thriller abtauchen und statt einer feinen Liebe zum blutigen Detail plötzlich mit allerlei Wackelkameras, nervösen Schnitten und viel CGI gearbeitet. Letzteres fällt nicht nur bei den unzähligen, digital hinzugefügten Blutspritzern negativ auf, sondern stört vor allem immer dann, wenn motorisierte Vehikel ins Spiel kommen und die dahinrasenden Autos keinerlei reale Physis mehr offenbaren. Dabei bekommt "Havoc", der fast durchgehend in gräulicher Düsternis spielt, einen unpassenden, digitalen Look, der nur teilweise von dem grobkörnigen Bildstil annulliert werden kann.
Es gibt jedoch ein paar Momente, in denen Gareth Evans kurz zeigen kann, was für ein Film "Havoc" hätte werden können. Eine herausstechende Sequenz in einem Club beispielsweise, in denen die zahlreichen Figuren doch wieder zu Hieb- und Stichwaffen greifen, um sich gegenseitig auf ziemlich drastische Art und Weise die Fressbretter zu polieren, treibt das Adrenalin nach oben. Zwar ist die Kamera auch hier unangenehm shaky und angesichts so vieler Gruppen und Einzelpersonen, die sich aufeinander stürzen, verliert man ohnehin recht flott den Überblick über das Gesamtgeschehen. Hier zeigt sich jedoch, dass Evans noch gerne an verrückten und rasanten Kampfchoreos arbeitet, wenn man ihm doch nur die Gelegenheit dazu gibt. Darüber hinaus greifen die Figuren aber ohnehin meist zu Schusswaffen. Was diese anrichten können, zeigt Evans ebenfalls in aller Deutlichkeit, weswegen die zentralen Actionszenen vor allem aufgrund ihrer Länge und der Anzahl ihrer Opfer beeindrucken... aber wirklich kreative Ideen sucht man hier ebenfalls mit der Lupe, ohne sie zu finden. Am Ende bleibt die große Ballerei trotz tausender, verschossener Kugeln zu austauschbar und zu unübersichtlich, um so richtig mitzureißen.
Auch an einer Geschichte hat sich Gareth Evans wieder versucht und bleibt dabei ebenfalls im Mittelmaß stecken. In einem irrsinnigen Tempo rast das Drehbuch die einzelnen Versatzstücke des Genres ab und lässt im Verlauf des Films rund zwei Dutzend handlungsrelevante Figuren aufeinander los. Fast alle von ihnen bleiben jedoch reine Abziehbilder, höchstens mit marginalem oder klischeehaftem Hintergrund ausgestattet, sodass man sich zwischen den herumsirrenden Kugeln um keinen von ihnen wirklich sorgt. Angesichts der sehr wirr erzählten Cop- und Untergrund-Geschichte droht man nicht nur im Gefecht, sondern auch angesichts der moralisch sehr flexiblen Ziele der Figuren den Überblick zu verlieren... sofern einem das ständige Wechseln der Seiten und das Aufdecken von wahren Gesinnungen nicht irgendwann einfach egal ist. Tom Hardy macht in der Hauptrolle eine gewohnt gute Figur, auch wenn ihm dieser Rollentypus augenscheinlich nicht mehr viel abverlangt - Spaß dabei, ihm zuzusehen, hat man aber eh immer. Große Namen versauern dafür in wenig aussagekräftigen Nebenrollen. So bleibt nicht nur Oscarpreisträger Forest Whitaker als schmieriger Politiker reichlich blass, auch "Stirb langsam"-Fiesling Timothy Olyphant wird, obwohl er durchaus eine gewisse Energie bereithält, weitestgehend verschenkt.
Fazit: Die Rückkehr des kultigen Action-Regisseurs Gareth Evans bleibt eher eine Flaute. Auf reiner Action-Ebene kann er seinem eigenen Hype kaum mehr gerecht werden und bleibt auch handlungstechnisch reichlich austauschbar. Der Look ist zu digital, der Cast wirkt gehemmt. Nur in einzelnen Momenten scheint das kreative Genie immer mal wieder ein bisschen durch.
Note: 4+
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