Der dreißigjährige Kaleb (Theo Christine) versucht seit jeher, mit kleinen und manchmal auch illegalen Nebenjobs für seine Familie, die im Grunde nur noch aus seiner kleinen Schwester Manon (Lisa Nyarko) besteht, zu sorgen. Das Leben im französischen Armenviertel verlangt ihnen alles ab und gibt nichts zurück - sie leben am Rande der Existenz. Zudem bringt Kaleb noch eine tiefe Bewunderung für alle Arten von Reptilien und Insekten mit und kann daher nicht anders, als ihm ein Verkäufer in seinem Hinterladen eine unbekannte Spinnenart andrehen möchte. Kaleb nimmt sie mit nach Hause, doch nach einer Unachtsamkeit ist das Krabbeltier plötzlich verschwunden. Kurz darauf wimmelt es im ganzen, mehrstöckigen Haus von fiesen Achtbeinern, die leider nicht nur herumkrabbeln, sondern darüber hinaus hochgiftig und aggressiv sind und sich unglaublich schnell vermehren...
In kürzesten Abständen entstanden gleich zwei Filme, die die Flucht einer fiesen Spinne in einem Mehrfamilienhaus zum Thema haben. Während "Sting" dabei aber daran scheiterte, da seine mies animierte Hauptfigur keinen Schrecken verbreitete, trifft der aus französischen Landen stammende "Spiders" voll ins Schwarze. Das hier ist weder ein trashiger Creature-Feature-Streifen, der zum Lachen und Ekeln einlädt noch eine billige Kopie, sondern für jeden, der auch nur im entferntesten etwas gegen krabbelige Achtbeiner hat, der pure Horrortrip. Dabei greift Regisseur Sebastien Vanicek in seinem hervorragenden Langfilm-Debüt auf allerlei Tricks und Kniffe zurück, die man zwar erwarten konnte, die aber dennoch unglaublich treffsicher inszeniert sind. Das Spiel mit Licht und Schatten, bei denen die fiesen Spinnen erst zu sehen sind und dann plötzlich im Schatten verschwinden, gelingt ihm makellos und erschafft dabei eine durchgehende Anspannung, da diese Gegenspieler im Grunde immer und überall auftauchen können. Vanicek kann sich zudem auf eine makellose Kameraarbeit und ein hervorragendes Händchen für den Schnitt verlassen, welcher seinen grausamen Spannungsmomenten erst noch die richtige Würze gibt.
Von Anfang an legt "Spiders" ein atemberaubendes Tempo vor und nimmt schon in der ersten Szene keine Gefangenen. Auch die Einführung der Charaktere gelingt ihm mehr als charmant: Die Hauptfiguren sind hier keine dummen Teenies, sondern durchaus clevere Überlebenskämpfer, die zudem auch noch einiges an interessantem Hintergrund zugestanden bekommen. So erzählt der Film nicht nur sehr einfühlsam und atmosphärisch von einem Leben in furchtbarer Armut, sondern baut auch packende, menschliche Konflikte zwischen den einzelnen Handlungsträgern auf. So stellt er sicher, dass wir im weiteren Verlauf auch wirklich um die Figuren bangen, was sogar zu einigen dramatischen Momenten führt, wenn jemand den Kontakt mit den Spinnen schließlich nicht überlebt. Bei diesen wurde übrigens mit einem Mix aus digitaler Tricktechnik und echten (!) Achtbeinern gearbeitet und das Ergebnis ist makellos: Die Tiere sehen durchweg unglaublich echt aus, besonders ihre Bewegungen sind in jeder Faser glaubwürdig und verbreiten echten Schrecken. Dabei arbeitet Vanicek stets sehr clever mit verschiedenen Lichtstimmungen, um die digitale Herkunft der Tiere bestens verstecken zu können und nebenbei auch noch eine Horror-Stimmung aufzubauen, die einen völlig durchschüttelt.
Erst im letzten Drittel, wenn der atmosphärische Aufbau irgendwann dem dauerhaften Überlebenskampf weichen muss, geht "Spiders" die Puste aus. Nun treffen die zuvor so clever handelnden Figuren plötzlich reihenweise typische Horror-Blödsinns-Entscheidungen, um den Achtbeinern immer wieder Chancen auf einen Rückschlag zu geben - da fallen dann einige erhebliche Logiklöcher, wie man sie von einer trashigen Variante des Stoffs viel eher erwartet hätte, sehr auf. Gerade das Finale ist in dieser Ausführung höchst dämlich und spart eine Lösung zahlreicher Konflikte ziemlich mau aus. Doch selbst in diesen Momenten ist der Film aufgrund der knackigen Inszenierung, hervorragend getimter Jumpscares und toller Figuren immer noch besser als der Großteil der Konkurrenz... und zuvor ist er so meisterhaft in seiner Ausführung, dass man minutenlang den Atem anhält. Die einzelnen Suspense-Szenen, ob klein oder später richtiggehend groß, gehen der Regie so ekstatisch von der Hand, dass man mehrmals aufschreien muss. Spannungskino in bester Form, durchzogen mit feiner Gesellschaftskritik und einigen der grauenvollsten, packendsten und intensivsten Horrormomenten der letzten Jahre. Spinnen sind also wieder "in" und wenn das stets so geschieht wie in diesem nicht zwingend innovativen, dafür aber umso wirkungsvolleren, kleinen Film, dann darf man da sogar als Arachnophobiker richtig jubeln.
Fazit: Obwohl "Spiders" in den letzten zwanzig Minuten deutlich die Puste ausgeht, ist das hier einer der intensivsten Creature-Horrorfilme der letzten Jahre. Mit einem grandiosen Spannungsaufbau, tollen Figuren und einzelnen Suspense-Szenen, die einen mehr als einmal komplett durchschütteln, ist das hier teils schwer zu ertragender, aber hochspannender Stoff. Kein Trash, sondern richtig, richtig guter Tierhorror, der bestimmt das Zeug zum Kultklassiker hat!
Note: 2
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