Um ihre zuletzt ein wenig eingeschlafene Ehe etwas aufzupeppen und endlich mal etwas Neues, Aufregendes zu wagen, lädt das Ehepaar Sophie (Julia Koschitz) und Paul (Florian David Fitz) zwei Freunde zu einem ganz besonderen Abend ein - geplant ist ein Vierer. Die von der Idee völlig begeisterte Single-Frau Mia (Lucia Barrado) wartet dafür schon in einer Bar, die als Startpunkt des Abends dienen soll, um sich später in Sophies und Pauls Wohnung zu verlagern. Trotz aller akribischer Vorbereitungen erscheint jedoch nicht der eigentlich für den Vierer eingeplante Andi in der Bar, sondern Pauls bester Freund Lukas (Friedrich Mücke). Warum der nun plötzlich für dieses Wagnis zur Verfügung steht, wieso das Sophie ziemlich sauer macht und warum sich eigentlich Paul, der für solcherlei Experimente gar nicht der Typ zu sein scheint, so für diesen Abend stark macht, wird in den folgenden Stunden durch alle vier Teilnehmenden noch mehr als akribisch diskutiert werden...
Ach Mann, das hätte so gut werden können! Ausgerechnet ein deutscher Film über das zumindest in den Medien hierzulande noch immer deutlich heruntergespielte und nur hinter vorgehaltener Hand besprochene Thema von sexuellen Experimenten (insbesondere bei Paaren), der sich dann auch wirklich traut, mal Tacheles zu reden. Und zu Beginn sieht es so aus, als würde sich das Langfilm-Debüt von Regisseur Ivan Sainz-Pardo genau in diese Richtung bewegen. Natürlich als Komödie inszeniert und dabei mit allerlei kleinen Peinlichkeiten und Ausrutschern, aber dennoch seriös und nicht abwertend oder albern über das Thema redend. Ganz passend zum Zeitgeist also, aber auch nicht zu sperrig oder vorpreschend, um ein sich womöglich in den Film verirrendes Mainstream-Publikum abzuschrecken. Mit diesem Ansatz hätte ich mich durchaus als Patt zwischen allen Zielgruppen anfreunden können... doch leider geht "Der Vierer" relativ bald doch wieder den erwartbaren Weg und macht aus einer sexuell experimentierfreudigen Komödie wieder mal das typische Beziehungs-Kistchen, welches wir aus Deutschland so nun schon zigfach kennen.
Da geht es dann plötzlich nur noch ansatzweise um den aufregenden Abend, der zumindest für drei der vier Personen etwas wirklich Einzigartiges darstellen soll, sondern um die typischen Konflikte aus deutschen Beziehungskomödien. Die da steht auf den, was der andere nicht so gut findet. Der da hat Angst wegen dem da, was die andere stört. Es geht um eingeschlafene Ehen, kleine und große Geheimnisse, um Beichten und natürlich um Chaos. Es ist nicht so, dass diese Themen an und für sich keine Daseinsberechtigung hätten, doch die müde Oberflächlichkeit, mit der sie hier mal wieder abgehandelt werden, ist schlicht und ergreifend völlig langweilig und zieht sich, auch aufgrund der naturgemäß beengten Inszenierung, selbst bei einer Lauflänge von nur 90 Minuten arg hin. Und dann vergeben die Macher auch noch die Chance, als sie plötzlich doch wieder auf ziemlich erfrischende und einigermaßen mutige (zumindest für eine deutsche Mainstream-Komödie) wieder zum Hauptthema zurückkehren... und nach wenigen Minuten wieder Schluss machen, um doch erneut die altbekannten, banalen Beziehungsgeschichten auszudiskutieren.
Die Charaktere stammen dabei durchweg aus dem Setzbaukasten für das Genre: Wir haben einerseits das etwas schläfrige Paar, welches wieder ein wenig Power in die Beziehung bringen will, dabei natürlich bestehend aus der neugierigeren Frau und dem ziemlich sorgenvollen Mann. Und dann gibt es da noch den romantischen Good Guy, der ganz fest an die Liebe glaubt und den genauen, weiblichen Gegenpol, der das Leben ohne jegliche romantische Gefühle angehen möchte... und dabei ziemlich glücklich ist, was das Drehbuch aber natürlich nicht so stehen lassen kann, denn das wäre ja nicht fein so. So viel zum Zeitgeist. Die namhaften Schauspieler*innen fühlen sich in den Figuren dann entweder sichtlich nicht wohl oder finden keinen Zugang, weil sie wieder nur auf dem typischen Boden einer chaotischen Komödie agieren, obwohl das Thema deutlich ambivalentere Züge verlangt hätte. Dementsprechend wirken "100 Dinge"-Star Florian David Fitz und Julia Julia Koschitz als Ehepaar völlig unglaubwürdig, wohingegen Lucia Barrado die einzig passende, weil kraftvollere Performance abgibt, ohne sich dabei einer Lächerlichkeit preisgeben zu müssen.
Fazit: Ein Film der vertanen Chancen - das aktuelle und zumeist eher hinter vorgehaltener Hand seriös diskutierte Thema muss hier als obligatorische Wiederholung uralter, unentspannter Beziehungs-Kamellen herhalten, weswegen "Der Vierer" seinem eigentlichen Ansatz in dem Bemühen, doch wieder möglichst mainstreamig zu werden, nur in den wenigsten Momenten gerecht wird.
Note: 4
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