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Wolf Man

Blake (Christopher Abbott) und Charlotte Lovell (Julia Garner) waren mal ein zufriedenes Paar, welches ihre gemeinsame Tochter Ginger (Matilda Firth) mit viel Liebe großzog. Mittlerweile haben sich die beiden jedoch deutlich voneinander entfremdet. Als eines Tages die Nachricht von der Todeserklärung von Blakes Vater Grady (Sam Jaeger) eintrifft, nachdem dieser über viele Jahre als vermisst galt, reist die dreiköpfige Familie zu dem alten Haus, welches der Vater dem Sohn vermachte und in welchem dieser aufgewachsen war. Doch schon auf dem Weg kommt es zu einem folgenschweren Zwischenfall, als die Familie von einer mysteriösen Kreatur attackiert wird. Den dreien gelingt die Flucht in das alte Haus der Grady's, doch damit ist die Gefahr nicht ausgestanden, da eines der Familienmitglieder plötzlich seltsame Symptome einer grausamen Krankheit zu zeigen scheint...

Die Geschichte des Wolfsmenschen wurde schon so oft verfilmt, dass dem Stoff eigentlich kaum noch etwas Neues hinzuzufügen ist. Nach seinem konzeptionell großen Hit "Der Unsichtbare" versucht sich Regisseur Leigh Whannell dennoch daran... und hat zumindest einige feine Grundideen im Gepäck, um sich von den restlichen Verfilmungen abzuheben. Dabei pfeift Whannell nämlich erstmal auf die bekannten Klischees der Geschichte - rettende Silberkugeln spielen hier ebenso wenig eine Rolle wie der die Kreatur erweckende Vollmond. Stattdessen wird eine Familienkonstellation in den Ring geworfen, die schon vor der Begegnung mit dem gefährlichen Werwolf mit enormen Konflikten zu kämpfen hat - Konflikte, die im Angesicht eines Familienmitglieds, welches sich nun in eine solche Kreatur zu verwandeln droht, eine ganz neue Bandbreite erhalten. In der ersten Hälfte spielt Whannell noch sehr kraftvoll mit eben dieser Idee, wenn er sich nicht nur angenehm viel Zeit nimmt, um die Grundsituation der Familie Grady darzulegen, sondern diese später auch, im Angesicht einer ungreifbaren Gefahr, ganz neu zu verhandeln.
Dank überzeugender Darstellerleistungen und einigen knackigen Body-Horror-Effekten entsteht dadurch eine gewisse Art der Spannung, die nicht nur auf einer Grusel-Ebene, sondern auch in emotionalen Bereichen funktioniert. So erweist sich der Versuch, ausgerechnet das Opfer der Verwandlung in den Fokus zu stellen und dessen Verwirrung im Angesicht des Verlusts seiner sozialen Fähigkeiten zu thematisieren, als interessanter Clou. Zudem gelingen dem Regisseur gerade in der ersten Hälfte auch einige feine Schauer-Momente, wenn sehr atmosphärisch mit Licht und Schatten gespielt wird und einzelne Szenen einen nahezu beängstigenden Spannungsaufbau mit sich bringen. Schon nach wenigen Minuten sitzt man förmlich angespannt im Sessel, weil Whannell mit nur wenigen, dafür aber ungemein treffsicheren Elementen ein konsequentes Gefühl der Unruhe einstreut. Dabei liefern sowohl Christopher Abbott als auch "Ozark"-Star Julia Garner starke Performances ab, die nur ab und zu unter den etwas fade geschriebenen Dialogen leiden.
In der zweiten Hälfte hat sich diese feine Grundidee aber schon weitestgehend abgenutzt. Aufgrund des mehr als überschaubaren Figurenensembles und dem völligen Fehlen von dramaturgischen Überraschungen hat "Wolf Man" irgendwann im Grunde keine Wahl mehr, als sich den typischen Horror-Standards zu ergeben. Dann wird aus dem eigentlich spannenden Familienkonflikt dann doch wieder das übliche Monster-Einerlei: Figuren verstecken sich immer wieder, versuchen zu entkommen, verstecken sich erneut, bewaffnen sich und rennen wieder weg. Das ist nicht gänzlich unspannend, allerdings reichlich geradlinig und vorhersehbar inszeniert. Zudem bringt die nachvollziehbare Idee, den Film zu achtzig Prozent in schwerer Dunkelheit spielen zu lassen, einige bekannte Nachteile mit sich. Was zu Beginn noch hilft, um die Atmosphäre richtig schön greifen zu lassen, wird gerade in den wild geschnittenen Actionszenen zu einem undurchdringlichen Gewusel, bei dem man froh sein kann, wenn man überhaupt noch etwas erkennt. Auch die an und für sich überzeugenden Make-Up-Effekte lassen sich in dieser enormen Dunkelheit bisweilen nur noch erahnen.

Fazit: Nach einer spannenden und emotional ziemlich interessanten ersten Hälfte geht dem neuen Werwolf-Thriller aufgrund einer Rückkehr zu den kaum vermeidbaren, typischen Horror-Elementen schnell die Luft aus. Die packende Grundidee der Neuausrichtung wird dabei nur wenig konsequent und sich letztendlich zäh im Kreise drehend verfolgt.

Note: 3-



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