Bis vor Kurzem arbeitete der junge Koch Carmy (Jeremy Allen White) noch in einem der besten Restaurants des ganzen Landes. Dann erbte er jedoch nach dem plötzlichen Tod seines Bruders Michael (Jon Bernthal) dessen zwar beliebten, aber auch ziemlich abgewrackten Imbiss "The Original Beef of Chicagoland". Für Carmy ist es eigentlich ein Abstieg, doch sieht er es als seine Pflicht an, das Lebensprojekt seines Bruders weiter über die Runden zu bringen. Das stellt sich jedoch als sehr schwierig heraus, da Michael nicht nur enorme Schulden angehäuft hat, sondern auch in einem Rhytmus arbeitete, den Carmy kaum nachvollziehen kann. Dadurch kommt es immer wieder zu erheblichen Pannen sowie Konflikten mit dem Personal, darunter Michaels bestem Freund Richie (Ebon Moss-Bachrach). Einen Silberstreif am Horizont erhält der Imbiss durch die neu zum Team stoßende Sydney (Ayo Edebiri), welche frischen Schwung und ein paar eigene Ideen einbringt...
Als eine der besten, aktuellen Serien besprochen, wollte ich nun auch selbst mal ein Stück von "The Bear" kosten. Der Einstieg fiel mir zu Beginn aber nicht wirklich leicht, da die Show gleich in den ersten Minuten mit einem wahnsinnigen Tempo loslegt. Der wilde Schnitt, das ganze Chaos in der Küche, zahlreiche Charaktere, ein dröhnender Soundtrack - ich war bis in jede Synapse angesprochen und völlig überfordert. Das ist im Grunde ein cleverer Schachzug, überträgt sich die chaotische Atmosphäre in der Küche eines Imbiss' so doch perfekt aufs Publikum. Es ist aber auch durchaus ein bisschen anstrengend, etwas zu viel von allem und zu Beginn taugt höchstens die neu zum Team stoßende Sydney als Sympathieträgerin, da wir passenderweise durch ihre Augen ebenfalls zum ersten Mal in die Welt vom "Beef" eintauchen. An die vielen Inszenierungs-Ideen musste ich mich jedoch erstmal gewöhnen und da machen es einem die ersten beiden Episoden, in denen sich die Charaktere über weite Strecken nur anbrüllen, nicht leicht.
Es dauerte aber nicht lange, bis mich die Serie doch noch am Haken hatte. Sobald die Show, auch dank eines sich mit der Zeit ergebenden Überblicks über die Figuren und deren ganz eigene Dramen und Eigenschaften, etwas zur Ruhe kommt, wurde ich immer neugieriger. Die Serie hat einen sehr feinen Blick auf die einzelnen Charaktere, die nicht überdramatisierend dargestellt werden, sondern durchweg sehr menschlich wirken. Dementsprechend ist auch keine Zeit für unglaubwürdige Romanzen oder bis zum Exzess getriebene Mega-Konflikte: Diese Figuren unterhalten sich so, wie echte Menschen sich in diesen Situationen sicherlich unterhalten würden... selbst wenn das auch mal in eine echte Tirade aus Schimpfwörtern ausartet. Die Show müht sich nicht darum, die Charaktere als Sympathieträger zu etablieren, sondern lässt sie einfach leben und arbeiten, bis wir irgendwann (wie auch im echten Leben) genug Zeit mit ihnen verbracht haben, um sich ein Urteil zu bilden. Und neben den durchaus faszinierenden Alltags-Routinen in den Hinterzimmern eines im Grunde stinknormalen Imbiss-Restaurants macht genau dieser leichtfüßige und zugleich einnehmende Stil den Reiz von der ersten Staffel von "The Bear" aus.
Besonders die letzten beiden Episoden der Staffel räumen dort mit sämtlichen Emotionen richtig auf, ohne dabei aber in ein simples Drama auszuarten. Da hilft es auch, dass der gesamte Cast hervorragend agiert: Nicht grundlos haben Jeremy Allen White, Ebon Moss-Bachrach und Ayo Edebiri anschließend große Karrieren gestartet, die sie nicht zuletzt ihrem "The Bear"-Engagement verdankt haben dürfen. Neben all den chaotischen und wilden Momenten kommt die Serie immer wieder genug zur Ruhe, um die Charaktere atmen zu lassen und den Schauspielern etliche Gelegenheiten zu geben, um zu glänzen. Das macht, auch dank knackiger Laufzeiten der einzelnen Episoden, dann doch ziemlich viel Freude. Es geht selten um das ganz große Drama, sondern oftmals doch nur um kleinere (und auch mal größere) Probleme, die dann irgendwie gelöst werden müssen. Das ist nicht sonderlich spektakulär oder glanzvoll, oftmals nicht mal wirklich spannend oder ergreifend. Aber es hat einen Reiz und einen Sog, der einen irgendwann einnimmt und dafür sorgt, dass ich die Serie trotz einiger Längen und manch einer handelsüblichen Schwäche doch ins Herz geschlossen habe. Ich freue mich jedenfalls auf die noch folgenden Staffeln.
Fazit: Nach einem etwas schleppenden Einstieg kommt "The Bear", wenn man sich an die Charaktere und die Atmosphäre gewöhnt hat, immer besser in Schwung und dient als hochinteressanter Einblick in das unglamouröse Leben von lebensechten Figuren und die chaotischen Vorgänge hinter den Türen eines Imbiss-Restaurants.
Note: 3+
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