Obwohl "The Bear" mittlerweile gut besucht ist, reißt eine Kritik, die sich vor allem bezüglich der chaotischen Atmosphäre im Restaurant auslässt, herbe Löcher in die Motivationen der Köche und Köchinnen. Da zudem aufgrund der sich ständig verändernden Menüs hohe Ausgaben zu verzeichnen sind, stellt Onkel James (Oliver Platt) die Crew vor ein Ultimatum: Die Ausgaben müssen verringert und zugleich die Einnahmen erhöht werden, sonst werde er als Geldgeber den Laden in zwei Monaten schließen und verkaufen. Für Carmy (Jeremy Allen White) und seine Crew bedeutet das noch mehr Stress und ein Damoklesschwert, welches dauerhaft über ihren Köpfen schwingt. Es lässt sie jedoch auch die klaren Fehler der Vergangenheit sehen und überdenken, weswegen Richie (Ebon Moss-Bachrach) mit der Anstellung von drei alten Bekannten versucht, die holprige Kommunikation in der Küche zu bereinigen. Zeitgleich steht Sydney (Ayo Edebiri) nach dem Angebot eines anderen Restaurants vor einer folgenschweren Entscheidung: Will sie "The Bear" wirklich den Rücken kehren?
Im Gegensatz zur direkten Vorgängerstaffel, welche kaum noch einen roten Faden zu bieten hatte und deswegen vor allem hinsichtlich der Charaktere auf der Stelle trat, liefert Staffel 4 nun wieder ein übergeordnetes und dringliches Ziel, welches alle handelnden Figuren betrifft. Eine dauerhaft runtertickende Uhr, welche in der Küche von Onkel James aufgehängt wird, gibt die wenige Zeit vor, welche Carmy und Co. noch bleibt, um ihr Restaurant soweit zu begradigen, um es vor dem Untergang zu retten. Das erinnert positiv an die zweite Staffel, in welcher ebenfalls ein enormer Zeitdruck herrschte, um das titelgebende "The Bear" eröffnen zu können. Allerdings wird aus dieser Steilvorlage erschreckend wenig gemacht, denn nach einem packenden Auftakt rund um dieses Ultimatum wird eben jenes für die restlichen Folgen fast durchweg ad acta gelegt. Hin und wieder blickt eine Figur besorgt in Richtung des ablaufenden Timers, doch ansonsten kehrt man zu dem zurück, was die dritte Season bereits vorgemacht hatte... und das ist in der Folge noch ein ganzes Stück langwieriger, weswegen sich diese Serie nun bereits zum zweiten Mal sehr oft im Kreis dreht.
Zugegeben, einige Charaktere entwickeln sich hier doch noch etwas weiter und manche Konflikte, die während der dritten Staffel im Fokus standen, werden hier mindestens weiter thematisiert, in vielen Fällen gelöst oder zumindest auf eine andere Ebene gehoben. Erneut lässt sich die Serie mit diesen so wichtigen Entwicklungen aber viel Zeit und schiebt die wichtigsten Veränderungen und Erdrutsch-Momente bis in die letzten Episoden. Dazwischen herrscht dann wieder viel Leerlauf, da wir die zentralen Konflikte und Dramen der Charaktere mittlerweile in- und auswendig kennen und der Plot diesen wenig mehr beifügt, als ständig den Status quo noch einmal zu thematisieren und diverse Figuren zum wiederholten Male aufeinander loszulassen. Das heißt: Minutenlanges Zusehen dabei, wie sich Sydney bezüglich eines neuen Angebots windet oder Richie erneut darum fürchtet, dass seine Tochter sich aufgrund ihrer Beziehung zu ihrem neuen Stiefvater von ihm entfremden könnte. Die wenigsten Plots bekommen durch dieses Auf-der-Stelle-treten neue Impulse und gerade die mittleren fünf Folgen zeigen, dass sich die Handlung im Grunde nur noch im Schneckentempo bewegt.
Und das ist gerade deswegen so schade, da die Staffel zu Beginn ja doch eine Idee aufmacht, die in der Folge für allerlei Dramatik gut wäre - schließlich steht für alle Beteiligten ihre Zukunft auf dem Spiel, die fest an dieses Restaurant gekoppelt ist. Nach den ersten zwei Folgen ist von einer solchen Dringlichkeit aber praktisch nichts mehr zu spüren, da sich die Serie wieder auszuruhen beginnt, ohne in wirklicher Form voranzuschreiten. An die inszenatorische Finesse und die ausgeklügelten Dialoge hat man sich an dieser Stelle bereits gewöhnt - natürlich gefallen sie auch hier wieder, doch der große Überraschungseffekt bleibt selbstverständlich aus. "The Bear" fehlt es mittlerweile an frischen Impulsen, die notwendig wären, um die Serie wirklich weiterzutreiben. Immer wieder merkt man auch dieser Staffel einige frische Ideen an und natürlich gibt es auch weiterhin zahlreiche, bewegende Charaktermomente. Sie sind jedoch seltener geworden, müssen immer wieder banalem Füllmaterial weichen. Zu einer bereits bestätigten und wahrscheinlich nächstes Jahr erneut bei Disneys Streamingdienst aufschlagenden fünften Staffel lässt sich da mittlerweile nur noch höchst skeptisch hinübersehen, denn obwohl diese Season gegen Ende einige starke Veränderungen ankündigt, bleibt abzuwarten, ob und wie die Serie diese denn nun verwandelt... oder ob sie letztendlich doch wieder zu ihrem Alltag zurückkehrt, der mittlerweile längst nicht mehr so faszinierend ist wie noch zu Beginn.
Fazit: Mit Staffel 4 hat "The Bear" seinen Zenit erreicht - gute Ideen werden übersehen, die Charaktere drehen sich immer wieder im Kreis, ein roter Faden fehlt. Zwischen all dem Füllmaterial sind zwar immer noch tolle Charakterszenen und inszenatorische Sahnestücke zu finden, doch sich bis zu diesen durcharbeiten, erfordert diesmal sehr viel Geduld.
Note: 4+
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