Direkt zum Hauptbereich

Blitz

Im Jahr 1940 gehört der neunjährige George (Elliott Heffernan) zu den letzten Kindern in London, die evakuiert werden - gegen seinen Willen. Da er nicht von zu Hause weg- und von seiner Mutter Rita (Saoirse Ronan) getrennt sein möchte, springt er nach rund einer Stunde aus dem Zug und macht sich daran, auf eigene Faust nach London zurückzukehren. Dabei gerät er in den Wirren des Krieges immer wieder in gefährliche Situationen, ergreift aber auch die Gelegenheit, Menschen zu helfen. Unterdessen sucht Rita, noch unwissend über den Verbleib ihres Sohnes, nach einem Sinn in ihrem Leben: Sie möchte Unterstützung leisten für die vielen, verängstigten Menschen in London und macht sich daher auf die Suche nach einer Arbeit, bei der sie wirklich etwas bewirken kann...

Wenn man Steve McQueens fünfte Regiearbeit mit einem Wort beschreiben müsste, wäre es wohl dieses: Formelhaft. Der "12 Years A Slave"-Regisseur geht mit diesem Werk nicht unbedingt auf Nummer sicher, denn dafür muss er zu viele, reichlich unangenehme Themen ansprechen. Ganz besonders der Alltagsrassismus in den Wirren des Zweiten Weltkrieges, bei denen Briten noch immer nicht aus ihrer Haut kennen und Menschen mit anderen Hautfarben ausgrenzen, obwohl sie mit ihnen in der selben, ausweglosen Situation stecken, wird von McQueen bisweilen packend dargeboten. Allerdings macht sich auch schon hier das Gefühl breit, dass McQueen mehr daran interessiert ist, ein Märchen zu erzählen als wirklich eine Geschichte über den Krieg. So macht er es sich bisweilen sehr einfach, wenn eine Frau einen schwarzen Mann verbal angreift, bis ein anderer schwarzer Mann sich einmischt, eine Rede schwingt und die Situation damit locker klärt. Ach, wenn es doch nur immer so einfach wäre. Viele Situationen verlaufen ähnlich wie diese - es gibt einen Konflikt und dieser ist nach wenigen Minuten aus der Welt geschafft, weil aus der schweigenden Gruppe ein Mensch hervortritt und Hilfe leistet.
Sicher, das mag aufbauend sein. Auf Dauer langweilt diese Simplifizierung aber gehörig, auch weil McQueen dem keine packende Dramaturgie gegenüber stellt. Gerade die Reise des kleinen George, der passenderweise immer genau dort ist, wo wenige Minuten später förmlich die Welt untergeht, ist vollkommen schematisch geschrieben. Herausstechende Highlights gibt es nur wenige, was auch an der etwas glatten Inszenierung liegt. Dabei hat McQueen eigentlich ein sehr feines Auge, doch mit dem altbekannten, gräulichen Apple-Look lassen sich seine eigentlich schön komponierten Bilder in der tristen Finsternis oftmals nur erahnen. In vielen Szenen sieht man gar nichts, da es mal wieder keinen richtigen Schwarzwert gibt - in anderen Momenten sieht man einiges, fühlt aber nichts. Das geschieht auch deswegen, da McQueen den Blick immer wieder von den wahren Schrecken des Krieges abwendet (womöglich, um eine höhere FSK-Freigabe zu umgehen) und diese Szenen deswegen zu oft ihre echte Wirkung verfehlen.
Für den kleinen Elliott Heffernan ist dies die erste Rolle in einem großen Kinofilm und man wird noch abwarten müssen, wohin seine schauspielerische Reise zukünftig geht: Große Starqualitäten offenbart er mit seiner arg zurückhaltenden Performance noch nicht, aber was noch nicht ist, kann ja noch werden, sofern er daran Interesse zeigt. Noch steht er eindeutig im Schatten seiner erfahrenen Co-Stars, allen voran natürlich Saoirse Ronan. Die lässt normalerweise sowieso nie etwas anbrennen, wirkt in der Rolle der zumeist passiv agierenden und eher in Situationen hineingeschobene als sie wirklich kontrollierende, junge Mutter auch etwas unterfordert. Manch ein bekanntes Gesicht sieht man zudem in kleinen Parts, die ihre kaum würdig scheinen: Wo "Pirates of the Caribbean"-Star Stephen Graham dem Affen immerhin noch ein wenig Zucker geben darf, wenn er hier vollkommen kaltblütig einen grausamen Kriegsräuber darbietet, hat die in der Marvel-Serie "The Falcon and the Winter Soldier" noch so präsent aufgetretene Erin Kellyman in einer Rolle als Ritas beste Freundin mal gar nichts zu tun, was durchaus schade ist.

Fazit: "Blitz" ist sicherlich kein schlechter Film, aber einer, der es sich zu oft zu leicht macht. Gerade hinsichtlich seiner schwierigeren Themen wirkt das Werk zu simplifiziert, zu formelhaft. Darüber hinaus bleibt auch die Inszenierung eher blass und die Reise eines kleinen Jungen durch ein vom Krieg verzehrtes Land wirkt unglaubwürdig, beinahe märchenhaft.

Note: 4+



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr...

Meine Erstsichtungen vom 08.07.24 bis zum 14.07.24

Girl You Know It's True: Musiker-Biopic von Simon Verhoeven, mit Tijan Njie, Elan Ben Ali, Matthias Schweighöfer, Bella Dayne, Mitsou Young und Graham Rogers Dem Film über das umstrittene Musik-Duo Milli Vanilli gelingt das Kunststück, einerseits ungemein unterhaltsam zu sein und andererseits einen der größten Skandale der Musikgeschichte zu erzählen, ohne ihn großartig auszuschlachten. Stattdessen gibt der Film den beiden verrufenen Künstlern ihre Würde zurück, indem er die Hintergründe des Aufstiegs und Falls der beiden Ikonen genau dezidiert und dabei nicht wütend mit dem Finger auf einen bestimmten Schuldigen zeigt - das ist dann auch für Kenner noch hochinteressant, bisweilen spannend und mit einigen emotionalen Tiefschlägen ausgestattet. Trotz einiger Längen hält Simon Verhoevens Regie den Film durchweg am Leben, die Musikszenen sind energetisch inszeniert. Zudem wissen nicht nur Tijan Njie und Elan Ben Ali in den Hauptrollen durchweg zu überzeugen, sondern auch Matthias Schw...

Cold Comes the Night

Die alleinerziehende Mutter Chloe (Alice Eve) leitet ein heruntergekommenes Motel, wo immer wieder zwielichtige Gäste eintrudeln und sogar die örtlichen Prostituierten ein Zimmer nehmen, um sich mit ihren Kunden zu vergnügen. Für Chloes Tochter Sophia (Ursula Parker) ist dies kein geeigneter Wohnort, findet das Jugendamt, und droht deswegen sogar damit, sie Chloe wegzunehmen. Als eines Abends ein mysteriöser Reisender (Bryan Cranston) um ein Zimmer für eine Nacht bittet und sich bereits am Empfang merkwürdig verhält, wird Chloe bereits hellhörig. In der Nacht fallen plötzlich Schüsse und zwei Bewohner der Appartements werden tot aufgefunden. Doch ist dies erst der Beginn einer wahren Tortur, durch welche Chloe in den nächsten Stunden noch wird gehen müssen... Es gibt durchaus einige Filme, bei denen ich mich nachträglich mehr als gewundert habe, warum diese nicht das Licht der Leinwand erblickt haben, sondern direkt für den Heimkinomarkt ausgewertet wurden - noch vor Zeiten von großen ...