Um bei Lumon Industries zu arbeiten, müssen sich die Angestellten einem medizinischen Eingriff unterziehen, welcher ihre Persönlichkeiten trennt: Der "Innie" verrichtet die mysteriöse Arbeit, der "Outie" lebt das Leben außerhalb der Büros. Beide Persönlichkeiten verweilen zwar im selben Körper, wissen jedoch nichts von den Tätigkeiten der jeweils anderen und werden aus- und angeknipst, wenn das Bürogebäude betreten wird, um sich der strengen Kultur des Unternehmens auszusetzen. Bei Lumon Industries übernimmt der Arbeiter Mark (Adam Scott) die Führung einer vierköpfigen Abteilung und soll die neue Kollegin Helly (Britt Lower) einarbeiten. Diese beginnt jedoch schon früh, mehr als unbequeme Fragen zu stellen und gegen den Arbeitgeber zu rebellieren. Das bringt Mark in die Bredouille... bis auch er sich alsbald Fragen darüber stellt, was er hier überhaupt tut und was Lumon Industries eigentlich ist.
Auf rein technischer Ebene gibt es an "Severance" rein gar nichts auszusetzen: Sie ist wunderbar inszeniert und unterhält besonders durch das atmosphärische Setdesign, eine starke Kameraarbeit und einen Schnitt, der einen nahezu mühelos durch die neun Episoden trägt. Die berüchtigte Farbentsättigung der Apple-Originale kommt hier ebenfalls nicht zu stark zum Tragen: Die Serie ist in vielen Teilen düster, spielt desöfteren jedoch auch in gut ausgeleuchteten Räumlichkeiten, was die Sichtung angenehmer macht und für Bilder sorgt, die nicht mehr so fahl daherkommen - das wirkt cineastischer. Zudem ist der Soundtrack ungemein packend, obwohl (oder auch gerade weil) er nicht so auf die Tube drückt. Und auch die Besetzung ist erstklassig, wobei Adam Scott und Britt Lower in den Hauptrollen hervorragend agieren. Doch auch darüber hinaus ist die Serie mit großen Namen wie Patricia Arquette, "Transformers"-Star John Turturro oder dem großen Christopher Walken absolut prestigeträchtig besetzt.
Die Probleme liegen dabei auf anderer Ebene: Ich kann durchaus nachvollziehen, dass viele Kritiker und Fans diese Serie als eine der besten der letzten Jahre ansehen, denn gerade die originelle Ausgangssituation, die durch zahlreiche Details weitergedacht wird, ist ungemein packend. Da schwingt dann natürlich auch einiges an fieser Gesellschaftskritik mit, wenn die Sklaventreiberei auf ein neues Level gehoben wird, wobei Menschen im Grunde ihren eigenen Körper freiwillig als Gefangene hergeben, um sich auf der anderen Seite ein ruhiges Leben zu erschaffen - perfide, belastend und ziemlich clever mit einer Grundangst des Menschen spielend. Letztendlich braucht die Serie jedoch recht lange, um Fahrt aufzunehmen und kommt ausgerechnet dann mit einem extrem fiesen und deswegen auch etwas frustrierenden Cliffhanger zum Schluss, wenn die Sache gerade wirklich ins Rollen kommt. Womöglich kann man diese Staffel letztendlich als eine Art Einführung in die originelle Welt und ihre tragenden Figuren ansehen, wenn man die Fortführung der Geschichte gesehen hat - auf dem Stand der ersten Staffel ist dieser Abschluss aber zumindest wagemutig und dürfte damals, als noch keine neuen Folgen in Sicht waren, für zahlreiche lange Gesichter gesorgt haben.
Schwieriger sieht es jedoch damit aus, wenn das auf den ersten Blick so hochgradig zurechtgebastelte Story-Konstrukt auf Dauer einige herbe Logiklöcher offenbart. Da haben wir zum einen wieder Charaktere, bei denen man sich immer wieder fragt, warum sie eigentlich so handeln können wie sie es tun und warum andere Figuren nichts dagegen unternehmen. Ohne hier zu sehr ins Detail zu gehen: Die Drehbücher müssen sich zeitweilig ganz schön strecken, um ihre Figuren auf dem Brett zu halten und nehmen dabei auch in Kauf, dass die innere Glaubwürdigkeit des ganzen Konstrukts arg schwankt. Das ist gerade bei einer Geschichte wie dieser, die auf solcherlei Details aufgebaut ist, eine große Gefahr. Zudem fremdelte ich bisweilen auch noch ein wenig mit den Charakteren, denn obwohl sich die erste Staffel sehr viel Zeit nimmt, um mit ihnen zu harmonieren, hatte ich gewisse Schwierigkeiten, sie so richtig zu verstehen und zu mögen... aber womöglich sorgt die Fortsetzung da auch noch für Abhilfe. Auf dem jetzigen Stand ist "Severance" eine Serie, die gut ist und bei der Stange hält, bei der aber einige Schönheitsfehler immer wieder dafür sorgen, dass man ein wenig rausgezogen wird. Macht aber nichts, denn nach diesem Cliffhanger in der finalen, neunten Episode bin ich auf die zweite Staffel sowieso völlig scharf.
Fazit: "Severance" hat zwar Probleme mit der inneren Glaubwürdigkeit und seiner Dynamik, da sich einige Folgen in ihren Nebenplots zu ziehen beginnen. Aufgrund der spannenden Ausgangslage und den packenden Mysterien sowie einem starken Cast und einer schwungvollen Inszenierung bleibt man jedoch nachhaltig am Ball.
Note: 3+
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