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Ein exzellentes Regiedebüt: Filmkritik zu "Past Lives"

Als sie zwölf Jahre alt waren, waren Na-young (Greta Lee) und Hae-sung (Teo Yoo) schrecklich ineinander verliebt. Doch dann wanderte Na-youngs Familie aus Seoul nach New York aus, Na-young nahm den Namen Nora an und der Kontakt zwischen den beiden brach ab... bis sich Hae-sung zwölf Jahre später dazu entschließt, seine Jugendliebe über die sozialen Medien zu suchen. Daraus entsteht ein inniger Kontakt über das Internet, mit stundenlangen Skype-Gesprächen. Beide scheinen zu wissen, dass sie eigentlich füreinander bestimmt sind, doch die große Entfernung und die mittlerweile völlig verschiedenen Leben der beiden eine solche Liebe nicht mehr zulassen. Na-young beginnt an ihrem eigenen Lebensweg zu zweifeln, während Hae-sung den seinen fast vollständig nach seiner Jugendliebe auszurichten beginnt...

"Past Lives" ist das Regiedebüt der südkoreanisch-kanadischen Regisseurin Celine Song und sie beweist gleich mit ihrem ersten Film, dass sie mit großen Ambitionen jonglieren und diese voll erfüllen kann: Ihr Film wurde bei seiner Erstaufführung einhellig umjubelt und wird in einigen Wochen wohl auch ins Rennen um die Oscars gehen - mehrere Nominierungen für den Golden Globe werfen da bereits einen Schatten voraus, auch wenn es nicht für eine Auszeichnung gereicht hat. Und auch wenn es "Past Lives" bei den Oscars wohl nicht gelingen wird, erneut eine Überraschung für den südkoreanischen Film abzuliefern wie noch vor einigen Jahren der großartige "Parasite"... zu wünschen wäre es ihm allemal. Song erzählt hier eine bewegende, aber beinahe völlig klischeefreie Liebesgeschichte aus moderner und damit automatisch sehr schmerzfreier Sicht. Die Message, dass selbst wenn wir irgendwie füreinander bestimmt sind, es nicht automatisch möglich ist, wirklich zusammenzukommen, schlägt hier tiefe Kerben, die in der finalen, aufwühlenden Szene zu Tränen rührt.
Dabei inszeniert Song ihren Film fast schon aus der Rolle einer heimlichen Beobachterin: Jedes Gespräch, jede kleine Tat der Figuren wirkt so echt und ungestellt, als würden wir eine Dokumentation sehen - so etwas habe ich in einem Liebesfilm vielleicht zuletzt in "Blau ist eine warme Farbe" so realitätsnah erleben dürfen. Song hat ein Gespür für eindringliche, aber auch niemals aufdringliche Bilder und filmt dabei auch die Schauplätze Seoul und New York über weite Strecken unparadiesisch ab. Sie setzt sinnige Farbtupfer ein und sorgt mit kleinen, feinen Anspielungen und Ideen (wie den Wetterkapriolen oder den wackligen Internetverbindungen während wichtigen Gesprächen) für eine ganz eigene Atmosphäre, durch welche man den Film auf verschiedene Arten lesen und verstehen kann. Für die deutsche Version wurden die koreanischen Dialoge (und der Film besteht zu einem Großteil aus solchen) nicht neu vertont, was definitiv eine gute Entscheidung war. Denn gerade das Thema Sprache ist hier quasi omnipräsent und zeigt auf, wie uns eine Sprache einschließen, aber auch ausschließen kann. Wie Song mit diesem Thema die erste Szene des Films erst im letzten Drittel sinnig anspricht, das ist wirklich meisterhaft und zeigt, wie sehr sich die Regisseurin nicht nur mit der tragischen Liebesgeschichte, sondern auch mit den Themen, die sie von außen umachten, auseinandergesetzt und sie perfekt austariert hat.
Dabei hat Song zudem auch eine großartige, moderne Frauenfigur erschaffen: Nora weiß, was sie will, ist selbstbewusst und hat große Ziele. Dabei ist sie aber keine unkaputtbare Heldin, sondern darf auch mal straucheln, zweifeln und weinen - eine zutiefst menschliche Frau, die gerade in Szenen ohne Worte eine große Tragik offenbart. Greta Lee liefert dabei eine brillante, nuancierte Performance, bei der das Timing in den gewitzten Wortduellen streckenweise perfekt ist. Neben ihr gefällt Teo Yoo als förmlich liebesverrückter Einsiedler, der dabei einen ganz eigenen, schüchternen Charme offenbart. Richtig aufblühen tun beide jedoch zusammen - die Chemie zwischen Yoo und Lee ist so dermaßen gut und die Funken zwischen beiden sprühen so offensichtlich (obwohl es der Film niemals so extrem darauf anlegt und die Beziehung eher menschlich als romantisch anhaucht), dass man kaum glauben würde, dass beide kein reales Paar sind. Mit John Magaro kommt später noch eine Art fünftes Rad am Wagen hinzu, der noch am ehesten wie ein Klischee wirkt - doch auch hier findet Song noch clevere Arten und Weisen, ihn nicht zu einem bloßen Zündstoff für einen richtigen Konflikt zu nutzen, sondern durch ihn einige clevere und wichtige Messages über aktuelle Beziehungen und die Liebe zu erzählen.

Fazit: Celine Song hat mit ihrem Regiedebüt eine tragische, aber zutiefst menschliche und ruhig inszenierte Liebesgeschichte abgeliefert, die vor allem durch ihr emotionales und Klischees vermeidendes Drehbuch sowie durch zwei grandios gespielte Hauptfiguren berührt.

Note: 2-



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