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Nur wenig mehr als ein typischer Slasher: Filmkritik zu "Thanksgiving"

Vor einem Jahr kam es zu Thanksgiving in einem Supermarkt zu einer folgenschweren Katastrophe, als hunderte Kunden pünktlich zum Black Friday alle Sicherheitsbestimmungen überwanden - mehrere Tote und Verletzte waren zu verzeichnen. Als ein Jahr später nach und nach die damaligen Anwesenden der Katastrophe, die gnadenlos über verletzte und sterbende Menschen am Boden hinwegstiefelten, um noch ein Schnäppchen zu ergattern, von einem maskierten Killer gemeuchelt werden, erhärtet sich für Sheriff Eric Newlon (Patrick Dempsey) der Verdacht, dass sich jemand an den Quasi-Tätern blutig rächen möchte. Deswegen sucht er die Teenager-Clique rund um die junge Jessica Wright (Nell Verlaque) auf, die damals einer der Drahtzieher der Katastrophe zu sein schien. Unterdessen metzelt sich der mysteriöse Killer immer weiter durch die damaligen Anwesenden... und verschickt auch beunruhigende Nachrichten von einem anstehenden Thanksgiving-Mahl, welches er akribisch vorbereitet.

Zu Beginn ist Gore-Regisseur Eli Roth, der in seinen Filmen wie kaum ein zweiter mit dem blutigen Holzhammer arbeitet und sein Publikum lieber mit richtig viel Geschmaddere als mit packendem Suspense aus den Sitzen schrecken lässt, vollkommen in seinem Element. Nicht nur verneigt er sich in den ersten Minuten schon eindeutig vor großen Horror-Ikonen wie Wes Craven und John Carpenter, sondern nutzt auch die Vorlage, eine blutige Katastrophe zu einem Seitenhieb gegen die amerikanische Gesellschaft auszuerzählen. Die Bilder einer vollkommen abdrehenden Meute, die im Kampf um ein kleines Supermarkt-Schnäppchen sämtliche Moral ablegt, sind zwar überzeichnet, aber auch nicht allzu weit weg von der gruseligen Realität - Roth nutzt eben dieses Thema, um so richtig matschig zu werden und erschafft dabei einige Bilder, die mittels ihres grotesken Humors ihre Wirkung nicht verfehlen. Leider verliert er diesen Schwung kurz darauf, wenn sich sein Feiertags-Splatter in eine müde Variante eines herkömmlichen Slashers verwandelt. Aufgrund teils grausiger Dialoge, schwach gezeichneter Charaktere und fehlender Dynamik, um in dem Who-Dunit-Thema wirkliche Spannung zu erzeugen, kann er hier allenfalls im Windschatten der "Scream"-Reihe agieren.
Man merkt dem Film den leicht billigen Charme dabei durchweg an und das soll wohl auch so sein. Doch wer so viel Zeit mit dem Mystery-Spielchen rund um einen Killer, der enttarnt werden soll, verbringt, sollte eben diese Phase auch spannend genug gestalten. Stattdessen rufen die recht kreativen und bisweilen arg brutalen Kills zwischendurch nur noch das Interesse des Publikums wach, da sich dazwischen wenig tut. Die Charaktere entwickeln kein Feuer und werden von teilweise desaströsen Darstellerleistungen begleitet: Patrick Dempsey lässt hier nichts von seinem Talent durchblicken und auch die Hauptdarstellerin bekommt nicht einmal das genre-typische Augenaufreißen einigermaßen glaubwürdig hin und wirkt dementsprechend fehlbesetzt. Zudem wirkt auch das erstaunlich große Figurenensemble höchst chaotisch - so führt das Drehbuch recht umständlich Figuren ein, die dann im weiteren Verlauf nichts mehr beizutragen haben (nicht mal als Opfer des maskierten Killers), weswegen man sich fragt, warum sich Roth nicht lieber auf eine kleinere, dafür aber besser ausgearbeitete Clique von Figuren konzentrieren wollte. Womöglich wollte er sich einige Charaktere aber auch noch für die bereits angekündigte Fortsetzung warmhalten, auch wenn nicht ganz klar ist, warum sie hier dann nur ein Schattendasein führen und Konflikte aufmachen, die schlicht und einfach nicht mehr aufgenommen werden.
Eine Steigerung ist auch im Steckenpferd des Regisseurs noch möglich. Denn obwohl er gerade in der zweiten Hälfte mit seinen drastischen und extrem blutigen Kills alle Erwartungen erfüllt (sogar so sehr, dass lange unklar war, ob "Thanksgiving" in Deutschland überhaupt ungeschnitten erscheinen würde), so nutzt er in anderen Momenten die Steilvorlage nicht ganz. Das betrifft weniger die recht "privat" gehaltenen, einzelnen Kill-Momente an einzelnen Figuren, sondern vor allem die Massenszenen. Das einführende Supermarkt-Massaker hat zwar ziemlich Wumms, hätte aber gerade unter einem Regisseur wie Roth, der eigentlich keine wirkliche Grenze kennt, noch deutlich drastischer ausfallen können. Besonders ersichtlich wird diese Sparmaßnahme (ob es nun am Budget oder doch an der Zurückhaltung bezüglich einer möglichen, schädlichen Indizierung gelegen hat, lässt sich schwer sagen) in einer Szene, in welcher eine auf offener Straße durchgeführte Parade eskaliert. Roth legt hier urplötzlich mit enormer Brutalität los und beginnt die Eskalation mit einer Aneinanderreihung von mehreren Katastrophen... und schneidet dann einfach weg. Als hätte ihn der Mut verlassen, aus dieser lange und groß vorbereiteten Sequenz ein Mega-Splatter-Gewitter wie in Alexandre Ajas "Piranha" zu machen, bereitet er damit den großen Knall vor, löst ihn aber nicht ein, was irgendwie verwirrend ist. Das gilt auch fürs Finale, welches gegenüber den vorherigen Knalleffekten nur noch ein laues Lüftchen ist... auch da die letztendliche Auflösung vollkommen banal daherkommt.

Fazit: Nach einem makaberen und intensiven Auftakt verwässert sich "Thanksgiving" in einem recht herkömmlichen Slasher, dem es im Vergleich zur Konkurrenz an Cleverness und Dynamik mangelt. Immerhin löst Eli Roth sein Versprechen nach wirklich drastischen Kill-Sequenzen wie gehabt ein, auch wenn er noch nicht auf der höchsten Eskalationsstufe agiert.

Note: 3-



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