In den 60er Jahren kommt der damals neunzehnjährige Bob Dylan (Timothee Chalamet) mit kaum mehr als ein paar kleinen Geldscheinen und seiner Gitarre nach New York. Sein Ziel: Er will sein großes Idol, den Folksänger Woody Guthrie (Scoot McNairy) im Krankenhaus besuchen und ihm einen Song vorspielen. Am Krankenbett des Stars sitzt auch sein guter Freund und Musiker Pete Seeger (Edward Norton) - beide glauben nach nur einem Song, dass in Dylan die Zukunft der Folk-Branche liegen könnte, welche diese Musik auch einem jüngeren Publikum zugänglich macht. Seeger verhilft Dylan zu seinen ersten Auftritten, wodurch dieser in der Branche Fuß fassen und erste Platten aufnehmen kann. Wenig später ist Dylan eine Berühmtheit... mit dem Ruhm, der sich mehr um seine Person als um seine künstlerischen Tätigkeiten zu drehen scheint, muss er jedoch erst klarkommen.
Acht Oscarnominierungen gab es in diesem Jahr für das Biopic rund um Bob Dylan, welches sich vor allem die ersten Jahre vor seinem großen Durchbruch zur Brust genommen hat. Gewonnen hat der Film in keiner der Kategorien, was aber natürlich keinen Beinbruch darstellt. Dass allein drei Nominierungen auf den Cast abzielten, ist kein Wunder: Gerade Timothee Chalamet liefert mal wieder eine elektrisierende Performance, an der man sich kaum sattsehen kann. Seine Gesangsszenen sind mindestens ebenso bewegend wie manch ein etwas finsterer Einblick in seine Seele, auch wenn der Film da bisweilen zu arg an der Oberfläche kleben bleibt. Man hat nach der Sichtung des Films zumindest nicht das Gefühl, Dylan wirklich verstanden und begriffen zu haben - zu schwierig und exzentrisch ist seine Person, um ihr hier wirklich einen Stempel aufdrücken zu können. Was aber natürlich irgendwie auch passend ist, denn schließlich zeichnet sich Dylan seit jeher damit aus, sich nicht anzupassen und lieferte dabei auch gleich mal ein bis heute stark diskutiertes Konzert, weil er es einfach nicht einsehen wollte, den zahlenden Menschen das zu geben, was sie wollten.
Diese Diskrepanz zwischen einem begnadeten Künstler und einem unnahbaren, bisweilen ziemlich egomanischen und sozial unbeholfenen Menschen bringt Chalamet hervorragend aufs Parkett. Neben ihm wurden auch Edward Norton und "Fubar"-Star Monica Barbaro für je einen Oscar nominiert. Gerade bei Norton ist es bewundernswert, wie sehr er sich in seiner Rolle als seelenruhiger und menschlich ungemein empathischer Mentor zurückhält. Barbaro hingegen bringt in ihre Gesangsszenen eine echte Wucht ein, die sich kaum kopieren lässt. Unter dem namhaften Cast hat es nur Elle Fanning nicht zu einer Oscar-Nominierung gebracht, wobei ihre Rolle aber auch aus dem Stand heraus die undankbarste ist. Als zwischenzeitliche Freundin der Hauptfigur hat sie meistens weniger zu tun, als den großen Bob erst anzuhimmeln und ihn letztendlich zu verachten, wobei das Drehbuch ihre Figur immer wieder für längere Zeit vergisst. Generell sind gerade die leidlichen Beziehungsgeschichten in ihrem deutlichen Genre-Klischee ein Schwachpunkt des Skripts.
Dass man sich hier nur auf die ersten fünf Karriere-Jahre Dylans und nicht gleich auf sein ganzes Leben fokussierte, gab den Machern die Möglichkeit, den üblichen Stolpersteinen eines Biopics, bei dem etliche Jahre in 140 Minuten komprimiert werden müssen, auszuweichen. Deswegen und auch aufgrund der mal wieder flügelhaften Regie von "Walk the Line"-Regisseur James Mangold fühlt sich "Like a Complete Unknown" runder und konzentrierter an als einige seiner Genre-Kollegen. Einige Längen, inbesondere in der letzten Stunde, die sich im Kreis zu drehen droht, bleiben dabei dennoch nicht aus. Dafür entschädigen jedoch gleich mehrere, grandiose Musikszenen, die nicht nur aufgrund der bekannten und hier wunderbar dargebrachten Songs, sondern auch durch ihre emotionale und dramaturgische Stringenz überzeugen. Für Fans des legendären Musikers ist der Film dann sowieso eine sichere Bank. Für alle anderen gibt es hier grandioses Schauspiel-Kino zu sehen, welches zwar nicht genug in die Tiefe geht, aber immer wieder dennoch emotionale Momente bietet.
Fazit: "Like A Complete Unknown" entfesselt einen mal wieder brillant aufspielenden Timothee Chalamet, der von einem starken Supporting-Cast begleitet wird. Neben fesselnden Musikszenen leistet sich das Skript zwar auch einige dramaturgische Fehltritte, wird vor allem Fans von Bob Dylan aber dennoch nachhaltig für sich einnehmen können.
Note: 3+
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