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Die Schatten droh'n: Serienkritik zur zweiten Staffel von "Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht"

Er hat seine Mitstreiter alle getäuscht und dabei besonders die von ihm völlig geblendete Galadriel (Morfydd Clark) in eine schwierige Situation gebracht, als er sich als Halbrand, König der Südlande, ausgab: Sauron (Charlie Vickers) ist in seiner gefälschten Menschengestalt nach Mordor zurückgekehrt und versucht dort, den ihn zuvor verratenden Adar (Sam Hazeldine) zu stürzen. Indes sorgt sich Elrond (Robert Aramayo) um die drei für die Elben geschmiedeten Ringe der Macht und verweigert diesbezüglich sogar den Befehl von Gil-Galad (Benjamin Walker), ihm diese auszuhändigen - zu sehr fürchtet er, dass Sauron sie weiterhin mit düsteren Tricks verwirren möchte. Währenddessen ist der Istar (Daniel Wayman) weiterhin in Begleitung der tapferen Nori (Markella Kavenagh) unterwegs... und auf ihrer Reise erwarten sie neben Durst und Hitze noch viele Gefahren.

Die zweite Staffel macht praktisch in jeder Hinsicht da weiter, wo die erste Staffel vor rund zwei Jahren endete - sowohl in Sachen Handlung als auch vom Stil und der Ausrichtung her. Dementsprechend vereinen sich die deutlichen Qualitäten und auch die Schwächen hier wieder und es ist klar, dass sich "Die Ringe der Macht" gerne mit den zwei vielleicht größten Epen der neueren Film- und Seriengeschichte messen lassen möchte und zwangsläufig muss. Einerseits möchte man natürlich mit der gigantischen "Der Herr der Ringe"-Filmtrilogie mithalten... ein Vorhaben, dass nach wie vor scheitern muss und auch weiterhin scheitern wird, denn an Peter Jacksons bravouröse Filme ist einfach kein Rankommen. Im anderen Fall muss sich diese Serie natürlich auch mit "Game of Thrones" vergleichen lassen, versuchen zahlreiche Kreative doch nach wie vor die große Lücke in den Fantasy-TV-Epen zu stopfen, die nach dem Ende der Hauptserie klafft. Und auch hier muss "Die Ringe der Macht" natürlich zurückstecken, auch wenn man nach wie vor versucht, all die Elemente des Vorbilds zusammenzubringen. Dementsprechend gibt es große Schlachten und düstere Ungeheuer wie vertrackte Ränkespiele in großen Thronsälen und allerlei Verrat in den eigenen Reihen.
Also alles nur ein müder Abklatsch und der vergebliche Versuch, mit zwei Meisterwerken der Filmkunst irgendwie mitzuhalten? Natürlich nicht, denn nur weil eine Serie nicht mit zwei der größten Werke der jüngeren Film- und Seriengeschichte, welche die Popkultur für immer verändert haben, mithalten kann, heißt dies nicht zwangsläufig, dass diese nun schlecht oder gar gescheitert wäre. Denn nach wie vor weiß die Handlung von "Die Ringe der Macht" ganz besonders Fans der Materie das ein ums andere Mal zu beeindrucken und zu fesseln. Das liegt einerseits an einem gewissen Fanservice, wenn bekannte Figuren, Orte und Gegenstände ihren Auftritt haben oder Momente, von denen in den Filmen und Büchern nur gesprochen wurde, hier plötzlich bebildert werden. Im Vergleich zur ersten, in dieser Hinsicht noch frischeren Staffel hat die Nachfolge-Season aber ein bisschen weniger Staunen zu bieten: Große Momente wie die Entstehung des Schicksalsberges oder die Enthüllung der wahren Gestalt des finsteren Sauron finden sich hier deutlich seltener. Stattdessen versuchen die Autoren sehr angestrengt, die vielen, immer noch deutlich nebeneinander herlaufenden Geschichten mit ihren zahlreichen Charakteren etwas dynamischer zu bündeln. Das gelingt durch eine gemeinsame Bedrohung, die nun wesentlich greifbarer ist, doch zerfasert das Handlungskonstrukt mit ihren zahlreichen Baustellen, die sich gegenseitig nur selten wirklich berühren, immer noch ein wenig.
Auch fehlt es an den charmanten Charaktermomenten der ersten Staffel. Man spürt, dass die Macher mit manchen Figuren doch weniger anzufangen wissen als zuvor geahnt - so werden einige von ihnen doch recht unwirsch aus der Geschichte entfernt, während andere über weite Strecken und ohne eigenen Antrieb deutlich im Hintergrund bleiben. Angesichts so vieler Figuren und einer Geschichte, die auf ein gewisses Ziel zulaufen muss, kann aber kaum noch jeder zu seinem Recht kommen, weswegen der Fokus auf die titelgebenden Ringe der Macht und den Zwietracht säenden Sauron so sehr sinnig gesetzt ist. Und obwohl man das Gefühl hat, dass die Staffel im Mittelteil erneut nicht richtig vorankommt und sich bisweilen im Kreise zu drehen droht, so ist eigentlich immer genug los, um keine echte Langeweile aufkommen zu lassen - ob nun ein überraschendes Beziehungsgeflecht, das Auftauchen einer bekannten, bösen Kreatur oder der Vormarsch zur nächsten großen Schlacht. Die visuellen Effekte wissen dabei ebenso zu gefallen wie der pompöse Soundtrack von "The Walking Dead"-Komponist Bear McCreary und sorgen für einige erstaunliche, wenn auch zumeist klar als digitale Kunst zu erkennende Bilder. Und auch der Cast macht seine Sache durch die Bank weg wieder sehr gut. Dementsprechend nur ein paar mehr kleine Schwächen im Vergleich zum Auftakt, die aber keineswegs so sehr ins Gewicht fallen, alsdass es keinen Grund mehr gäbe, sich auf die nächsten Staffeln zu freuen.

Fazit: Opulent, bisweilen etwas zerfasert und zäh, spannend, für Fans immer wieder erquickend - auch wenn die zweite Staffel ihr enormes Figurenensemble nicht immer passend unter einen Hut bekommt, weiß die Fortführung der bekannten (oder auch gar nicht so bekannten) Geschichte rund um die Ringe der Macht und jene, die in ihre Fänge geraten, weiterhin zu gefallen.

Note: 3+



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