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Was, wie, wann?: Serienkritik zur zweiten Staffel von Marvel's "Loki"

Nach dem Tod von Jenem, der bleibt (Jonathan Majors) droht dem wahren Zeitstrahl der Kollaps. Unendlich viele Multiversums-Zeitstränge sind aufgetaucht und bedrohen den wahren Fluss der Zeit und sogar das gesamte Zeitgefüge. Dabei tauchen auch unendlich viele Varianten des finsteren Kang auf, welcher durch das Multiversum reißt. In der TVA sieht sich Loki (Tom Hiddleston) mit dem Problem von plötzlichen Zeithüpfern seiner Person ausgesetzt, die er in den Griff bekommen muss, um seine Verbündeten rund um Mobius (Owen Wilson) von der drohenden Gefahr an mehreren Fronten in Kenntnis zu setzen. Dabei soll der Architekt O.B. (Ke Huy Quan) aushelfen. Doch die Zeit drängt: Denn mit jeder Minute brechen neue alternative Zeitlinien aus...

Noch vor einigen Monaten sollte ausgerechnet die Marvel-Serie "Loki" der zentrale Mittelpunkt des ansonsten ja reichlich an Fokus verlierenden Marvel Cinematic Universe sein. Die beiden wichtigsten Plots sammeln sich hier und sollten zum Ausbruch führen: Die Entfesslung des Multiversums auf der einen, der Auftritt des neuen Oberschurken Kang auf der anderen Seite. Allein das ist schon wahnsinnig viel Stoff für eine sechsteilige zweite Staffel, die das gigantische Film- und Serienuniversum von Marvel auf gänzlich neue Pfade führen soll. Am Ende fragt man sich aber, was davon bleiben wird. Denn die Kang-Storyline soll nach den privaten Eskapaden von Darsteller Jonathan Majors keine Rolle mehr spielen und wie abhängig das Multiversum nun von dieser Serie ist, wo es zuvor doch schon auf gänzlich anderen Wegen in den Kinofilmen "Spider-Man: No Way Home" und "Doctor Strange in the Multiverse of Madness" eingeführt wurde, bleibt ebenfalls unklar. Es fehlt also immer noch nicht nur an einer klaren Linie, sondern es bleibt im großen und ganzen Konzept des MCU immer noch wahnsinnig unklar, was denn nun eigentlich was bewirkt. Und sich in einer Geschichte, die mit all ihren Zeitsträngen, Zeithüpfern und Multiversums-Bedrohungen ohnehin schon wahnsinnig komplex ist, noch mit solch gravierenden Ungereimtheiten und tonalen Unebenheiten herumschlagen zu müssen, kann schnell den absoluten Sargnagel bedeuten.
Dementsprechend hat die zweite Staffel von "Loki" nicht nur ungemein zu schuften, sondern verliert unter all den Katastrophen das Wesentliche auch noch völlig aus den Augen. Von Anfang an droht hier das größte und allumfassendste Chaos, welches man sich nur vorstellen kann. Da die Drehbücher aber noch so viel anderen Kram zu erzählen haben, der als Ballast aus der ersten Staffel mit herübergeschleppt wurde, scheint dennoch keine Eile vonnöten. Immerhin müssen daneben und dazwischen immer noch die eigenen Konflikte von Sylvie, die finsteren Pläne von Richterin Renslayer, die privaten Scherereien des Mobius und natürlich der Kampf (oder doch nicht Kampf?) gegen die Varianten des Kang ausdiskutiert werden. Und das ist zu viel. Viel zu viel. Über weite Strecken tritt da nicht nur der Titelheld überraschend deutlich in den Hintergrund, sondern man fragt sich oft auch, was die Figuren durch ihr Handeln denn nun zu verhindern oder durchzuführen versuchen. Das liegt auch daran, dass es die Drehbücher immer dann, wenn eine Lösung praktisch nicht mehr durchführbar oder viel zu komplex erscheint, mit fabelhaften Zaubertricks daherkommt. So sind eben nur die Figuren von drastischen Zerstörungen betroffen, die man in diesem Falle nicht braucht, während andere verschont bleiben - warum, ist völlig unklar. Auch mit den Fähigkeiten seiner Charaktere geht das Skript so frei um, dass man sich ernsthaft fragt, wer denn nun was kann. Antworten darauf gibt es keine oder wenn nur sehr, sehr weit hergeholte.
Die enorm vollgestopfte und dennoch mit zahlreichen, enormen Logiklücken ausgestattete Handlung hat bei dem ganzen Chaos und all den losen Story-Strängen dann auch keine Zeit mehr, um das alles irgendwie gebührend auszuerzählen. Da die Figuren ohnehin immer wieder auf neues Chaos, neue Verstrickungen und Probleme reagieren müssen, bleibt für charmante Charakter-Momente keine Zeit. Hintenüber fällt dabei die recht unauserzählte Beziehung von Loki zu Sylvie, ebenso auch seine Freundschaft zum skeptischen Mobius. Die Figuren werden nur noch durch den Plot gestoßen, erhalten kein Eigenleben mehr. Das wird nur dadurch immer wieder sympathisch abgefangen, da der hier zusammengetragene Cast ausnahmslos aus echten Könnern besteht und grandiose Schauspieler*innen wie Tom Hiddleston, Owen Wilson und Jonathan Majors hervorragend miteinander harmonieren. Man versteht zwar desöfteren nicht, was sie eigentlich sagen, da der Großteil der Serie nur noch aus dem Fabulieren von Zeitsprüngen und Multiversums-Strängen besteht... aber wie sie das alles sagen, das hat schauspielerische Qualität. Auch der Auftritt von "Indiana Jones"-Star Ke Huy Quan macht ordentlich Laune und bringt ein wenig Humor in das sonst doch arg ernste Treiben hinein. Was aber auch angemessen erscheint angesichts der ebenso düsteren wie verkopften Ausgangslage. Das große Finale sorgt dann zwar noch für einen emotional aufgeladenen Endpunkt, der aber auch keine Klarheit bezüglich der Zukunft des MCU bringt - dafür widersprechen sich die einzelnen Filme und Serien mittlerweile zu sehr.

Fazit: Die zweite Staffel von "Loki" ist zwar in allen Belangen mutig und komplex, bricht aber unter dieser Last förmlich in sich zusammen. Der eloquente Charme des fiesen Gottes weicht einem löchrigen Skript voller Widersprüche und Zufälle, was bei all den verworrenen Handlungen und Chaos kaum noch Spaß bereitet... trotz der mal wieder fabelhaften Besetzung und eines schönen Looks.

Note: 4



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