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Horror der intensiven Art: Filmkritik zu "No One Will Save You"

Vollkommen für sich allein und sicherlich auch einsam lebt die junge Brynn Adams (Kaitlyn Dever) in einem hübschen Waldhaus am Rande einer kleinen Stadt. Doch selbst wenn sie wollte, würde sie wohl kaum noch soziale Kontakte aufbauen können - die örtliche Bevölkerung begegnet ihr mit aggressiver Abneigung, weswegen Brynn kaum eine Wahl hat, als sich immer weiter zurückzuziehen. Sie ist auch auf sich allein gestellt, als sie eines Nachts von einem lauten Poltern aus dem Schlaf gerissen wird und feststellen muss, dass sie nicht mehr allein in ihrem Haus ist... und sich plötzlich inmitten eines Überlebenskampfes gegen einen schier übermächtigen Feind befindet.

Den erst vor wenigen Tagen exklusiv auf dem Streaming-Dienst Disney Plus erschienen Horror-Thriller "No One Will Save You" sieht man sich bestenfalls ohne jegliche Vorkenntnisse an - deswegen rate ich dringend von der Sichtung des hier verlinkten Trailers ab, bevor man den Film gesehen hat. Und auch ich werde in meiner Kritik keine weiteren Handlungsdetails abgesehen von der vorhergehenden, sehr vagen Storybeschreibung preisgeben - zu spannend ist es, selbst zu entdecken, was hier eigentlich vor sich geht, was für einer Bedrohung sich die junge Brynn entgegenstellen muss und wohin das alles am Ende wohl führen mag. Wer jedoch wirklich gar nichts wissen will, sollte an dieser Stelle auch aufhören zu lesen, denn zumindest auf einen cleveren, inszenatorischen Kniff seitens des Regisseurs Brian Duffield möchte ich hier eingehen. Der spoilert zwar die Handlung nicht, erklärt aber eine grundlegende Idee der Inszenierung, die ich ohne Vorwissen erst nach rund fünfzehn Minuten wirklich bemerkt habe. Bevor ich auf diese eingehe, möchte ich jedoch ausführen, wie grandios Duffield auf der Klaviatur des Horrorkinos spielt und dabei gleich mehrere Genre-Idole in einer packenden Handlung zusammenfasst: Der Film vereint nicht zwingend das Beste, aber einige gute Sachen der Horrorgeschichte in einem flotten Pack und ist dabei mordsmäßig spannend.
Dabei ist Gruffield besonders treffsicher, wenn er sich auf die leisen Momente verlässt, die im Horrorkino immer noch am meisten schauern. Wenn sich die finstere Bedrohung in kleinen Schritten im Hintergrund nähert oder plötzlich aus dem Blickfeld der Protagonistin verschwunden ist, entstehen einige Momente von extrem intensivem Suspense. Dabei hat Gruffield auch das Setting wahnsinnig gut im Griff und nutzt die Örtlichkeit eines eigentlich einladenden Waldhauses, um diese Räumlichkeiten im nächtlichen Überlebenskampf richtig wirkungsvoll in Szene zu setzen. Hin und wieder übertreibt er es aber auch: So sitzen auch einige markerschütternde Jumpscares, hin und wieder wäre weniger aber mehr gewesen. So lässt er die gruseligen Gegenspieler nicht mehr nur unheimlich in den Schatten auftreten, sondern auch immer wieder makabere Formen annehmen, die alsbald keinen richtigen Schrecken mehr verbreiten - in den skurillen Körperverrenkungen können die (überraschend guten) Visual Effects zwar protzen, doch sind sie innerhalb eines ansonsten so leisen Films auch zu aufdringlich. Das zerstört die schneidende Atmosphäre nicht, wirkt aber auch oftmals zu gewollt.
Ein weiterer Grund für diese intensive Atmosphäre ist die bereits zuvor angeteaserte Idee des Regisseurs, die ich hier nun preisgeben möchte: Der Film verläuft praktisch komplett wortlos ab. Immer wieder spuckt die Protagonistin fluchend zwar einige Wortsalven aus, doch ansonsten wird nicht geredet. Das erhöht den Suspense-Faktor zwischendurch ungemein, da keine ablenkenden Worte oder Monologe hier ein Gefühl der Sicherheit geben. Stattdessen verlässt man sich auf ein brachiales, ungemein schauerliches Sounddesign und die Stille des Horrors, die hier noch mal eine ganz andere Wirkung entfaltet. Dieser inszenatorische Kniff wirkt in einigen Momenten zwar auch etwas forciert, da man immer wieder spürt, dass die Figuren nun eigentlich dringend zumindest ein paar Worte sagen müssten, aber immer wieder darüber hinwegspielen. Dieses zwangsläufige Hindernis gleicht die Hauptdarstellerin aber locker aus, denn Kaitlyn Dever spielt hier ohne Worte, dafür aber mit einer brillanten Präsenz, dass man jegliche Emotion allein schon an ihrer Art des Keuchens festmachen könnte. Ganz gleich, ob die Inszenierung ihr nun puren Horror-Terror, ein einschneidendes Drama oder gar schwarzen Humor mit auf den Weg gibt - Dever spielt hervorragend und gibt dabei eine ganz starke Identifikationsfigur mit Ecken und Kanten ab... bis zur letztendlichen Wendung, die dem Publikum noch einmal auf andere Art und Weise den Boden unter den Füßen wegzieht.

Fazit: Nicht jede inszenatorische Idee sitzt, doch generell beherrscht die Regie die Klaviatur des Schreckens hier wirklich gut - einige Szenen treffen in ihrem sicheren, fiesen Stil bis ins Mark. Mit einer bravourösen Hauptdarstellerin und einigen originellen Ideen sichert sich dieser Film einen Platz als kleines Highlight im Horror-Portfolio des Disney-Streamings.

Note: 2-



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