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Unter dem computeranimierten Meer: Filmkritik zu "Arielle, die Meerjungfrau (2023)"

Seit jeher träumt die neugierige Meerjungfrau Arielle (Halle Bailey) von einem Leben an Land, doch ihr strenger Vater, der Meereskönig Triton (Javier Bardem), verbietet jeglichen Kontakt mit den Menschen an der Oberfläche, da er sie für gefährlich hält. Als Arielle eines Abends dem jungen Prinzen Eric (Jonah Hauer-King) während eines Sturmes auf offener See das Leben rettet, ist es um sie geschehen - sie verliebt sich in den jungen Mann und geht daher einen Pakt mit der bösen Meerhexe Ursula (Melissa McCarthy) ein, welche ihr ein Leben in der Menschenwelt im Austausch gegen ihre Stimme verspricht. Dabei ahnt Arielle noch nichts von den wahren, finsteren Plänen der Meerhexe...

Den Elefanten im Raum möchte ich gleich zu Beginn ansprechen: Um die Besetzung von Halle Bailey als titelgebende Meerjungfrau gab es schon lange vor dem Erscheinen des Films (und somit ohne dass irgendwer dem Werk durch eine Sichtung überhaupt eine faire Chance geben konnte) und auch noch danach lebhafte Diskussionen. Dass die Hautfarbe der Hauptdarstellerin keine Rolle für das künstlerische Werk der Schauspielerin und des Films spielt, ist im Grunde klar, doch die ganz ergiebigen "Fans" der Zeichentrickvorlage wollten eine solche optische Änderung schlicht nicht wahrhaben (und vergaßen dabei, dass niemand ihnen das Original mit einer weißen, rothaarigen Arielle wegnahm). Bailey macht ihre Sache entgegen allen schmutzigen Unkenrufen nun jedoch ziemlich gut und zieht vor allem gesanglich mit einer hervorragenden Stimme alle Register. Sie weist eine schöne Ausstrahlung auf, muss rein energetisch jedoch hinter den kräftiger auftretenden Naomi Scott in "Aladdin" oder Liu Yifei in "Mulan" zurückstecken, da sie hier bisweilen doch etwas zu brav herüberkommt. Gleiches gilt für Javier Bardem als Triton, der in diesem Einsatz gar komplett blass bleibt, während Bailey in der Titelrolle immerhin noch einige schöne Ansätze präsentiert. Am besten stiehlt sich innerhalb des Casts dann Melissa McCarthy aus der Show, die als fiese Meerhexe Ursula mit allerlei Spielfreude besticht und dabei so etwas wie eine Optimal-Besetzung der Figur darstellt.
Rein dramaturgisch erlebt man bei einem Film wie diesem natürlich keine großen Überraschungen: Über weite Strecken wird die bekannte Geschichte des Originals mit moderner Optik nacherzählt, wobei an einigen sinnigen Stellen Änderungen stattfanden, um die Story besser an den heutigen Zeitgeist anzupassen. So gefällt es, dass Arielle zwar auch hinter dem schicken Prinzen her ist, noch viel mehr jedoch von einem Leben in der Menschenwelt träumt, was ihren Pakt mit der Meerhexe anführt - das macht die Rolle wesentlich moderner und auch feministischer. Ansonsten bleibt hier jedoch alles beim Alten, was die Existenzberechtigung einer so in Zeichentrickform bereits vorhandenen Geschichte natürlich ansatzweise fraglich erscheinen lässt... denn letztendlich handelt es sich hier eben um exakt den gleichen Plot, der nur noch um rund eine weitere Stunde (!) aufgeplustert wird. Und dass es hier so viel mehr Material zu sehen gibt, liegt eben nicht daran, dass man hier noch ein bisschen mehr Geschichte liefert, sondern eher an weiteren visuellen Spektakeln, ein paar neuen Songs sowie einer Senkung des Tempos. Das spürt man vor allem in der zweiten Hälfte, wenn sich innerhalb der 140 Minuten doch einige deutliche Längen einschleichen. Schade, dass man das Mehr an Laufzeit nicht genutzt hat, um die altbekannte Geschichte noch ein bisschen zu erweitern - so bleiben kurz zitierte, aber nicht weiterverfolgte Hintergründe zur Meerhexe Ursula beispielsweise irgendwo im Meerwasser hängen.
Rein visuell macht "Arielle" dann ebenfalls einen durchwachsenen Eindruck: In den Unterwasserszenen kann man die berüchtigten Greenscreens förmlich spüren und in seinen schwächsten Momenten sehen die einzelnen Figuren so aus, als hätte man sie vor einem verwaschenen Hintergrund eingefügt, ohne sich um Realismus zu bemühen... das ist dann schon ziemlich hässlich. Immer wieder gibt es aber auch Momente von optischer Schönheit, auch wenn man angesichts des Hangs zu mehr "Realismus" auf bahnbrechende und superbunte Spektakel wie in der Zeichentrickversion verzichten muss. Das ist zwar schade, aber immerhin findet "Pirates of the Caribbean"-Regisseur Rob Marshall durchaus eigene Ansätze, um die bekannten Szenen aufzupeppen und mit allerlei Eyecatchern zu versehen. Da man zudem auch nicht so streng mit dem Realismus verfuhr wie es noch beim furchtbar seelenlosen "Der König der Löwen"-Remake der Fall war, bleiben einige Kreaturen immer noch cartoonesk genug, um durchaus für einige Lacher zu sorgen und die Magie des Originals zumindest in manchen Szenen noch zu transportieren. Richtig hübsch wird es dann aber an Land, wenn nicht mehr nur mittelmäßige CGI-Effekte, sondern auch echte Landschaftsaufnahmen zum Träumen einladen. Und wen das nicht berührt, der dürfte sich immerhin von der musikalischen Ecke abholen lassen. Natürlich kennen wir die prägnanten Songs schon, doch sorgen sie auch hier noch, mit einigen Neuinterpretationen hier und da, noch für direkte Gänsehaut... auch wenn die visuellen Choreographien erwartungsgemäß ebenfalls nicht mit den kreativeren Zeichentrickszenen mithalten. Die drei neuen Songs fallen übrigens ebenfalls ab, was aber nur nochmals bestätigt, welche Meisterwerke dem oscarprämierten Alan Menken damals mit "In ihrer Welt", "Unter dem Meer" und "Küss sie doch" gelungen sind, die auch hier wieder die klaren Highlights darstellen.

Fazit: Brauchte es nun auch noch dieses Disney-Remake? Nö. Kann man sich den Film trotzdem zu Gemüte führen? Klar. Zwar ist "Arielle" rein visuell immer wieder eine etwas gewöhnungsbedürftige Gratwanderung zwischen mauem CGI und kreativen Ideen, aber die an sinnigen Stellen modernisierte Geschichte funktioniert auch heute noch. Das Zeichentrickoriginal ist selbstverständlich vorzuziehen, doch auch dieses Remake hat in frischer Optik und mit opulenten Momenten immer wieder etwas für sich.

Note: 3



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