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Alles wie gehabt... meistens: Filmkritik zu "John Wick: Kapitel 4"

Nach seiner Exkommunikation befindet sich John Wick (Keanu Reeves) noch immer auf der Flucht - nun ist sogar der noch über der Hohen Kammer stehende Marquis Vincent de Gramont (Bill Skarsgard) hinter ihm her und setzt eine noch höhere Belohnung auf Wicks Kopf auf. Der hat vom Weglaufen jedoch mittlerweile genug und schwört Rache gegen die Hohe Kammer - nach und nach will er alle Mitglieder, die seinen Tod befohlen haben, umbringen. Da nun jedoch jeder Auftragskiller des Planeten hinter Wick her ist, scheint es ihm schier unmöglich, zu diesen vorzudringen und die wenigen Verbündeten, die ihm noch bleiben, geraten ebenfalls ins Fadenkreuz. Dabei ist es vor allem der blinde Attentäter Caine (Donnie Yen), der Wick auf den Fersen bleibt und einen ebenbürtigen Gegner darstellt...

Nach "John Wick 3" hoffte ich sehnlichst, dass eine sichere Fortsetzung nicht mehr nur perfekte und knallharte Action, sondern auch ein bisschen mehr an Geschichte liefern würde, denn daran krankten vor allem die ersten beiden Sequels. Tatsächlich ist "John Wick 4" nun auch geschlagene 170 Minuten lang und nutzt diese Zeit, um die Welt der Auftragskiller sinnvoll zu erweitern - Wicks letzte Reise ist eine um die ganze Welt und führt uns daher auch in die Riten und Regeln anderer Continental-Hotels und deren Anführer ein. Dass es während einer Laufzeit von fast drei Stunden dann auch nicht ununterbrochen knallt, ist erfreulich, auch wenn die Geschichte immer noch nicht das Aushängeschild der Reihe sein dürfte. Dass die Hintergründe der Hohen Kammer und deren Häschern ein wenig mehr beleuchtet werden, tut dem Gesamtkonstrukt gut, doch verhebt man sich hierbei auch mit einigen pathetischen Einzelheiten und sorgt mit recht willkürlich eingeschobenen, neuen Regeln sowie allerlei verrückten Bräuchen und Gesetzen auch dafür, dass die Story immer unglaubwürdiger wird.
Die 170 Minuten sind deswegen auch nicht immer wirklich kurzweilig - es wird zwar nie viel geredet, aber die an und für sich reichlich simple Geschichte, die hier von allerlei neuen Figuren aufgeplustert wird, ist trotz eines faszinierenden Hintergrunds eben doch nie packend genug, um solch eine lange Laufzeit wirklich zu rechtfertigen. Da gibt es dann im Mittelteil doch einiges an Füllmaterial durchzuhalten und im Grunde könnte ein längerer Stopp in Deutschlands Hauptstadt Berlin auch komplett aus dem Film gestrichen werden, ohne dass der Plot dabei irgendwie an Substanz verlieren würde. Solche Längen werden immer wieder durch die Figuren aufgefangen, bei denen besonders einige Neuzugänge gefallen. Neben Bill Skarsgard als neuem Bösewicht bleibt vor allem "Rogue One"-Star Donnie Yen in bleibender Erinnerung: Der ist als blinder (!) Attentäter nicht nur in den Actionszenen eine wahre Wucht, sondern gefällt durch seinen gewitzten Charme sowie einen eigenen Hintergrund. Die alte Garde bekommt im Vergleich weniger zu tun, wobei vor allem die Rollen von Laurence Fishburne und dem kürzlich leider verstorbenen Lance Reddick ausgesprochen klein ausfallen. "Fluch der Karibik"-Star Ian McShane gefällt nach wie vor durch seine Präsenz, darüber hinaus ist dies aber über weite Strecken die Show von Keanu Reeves, der seine limitierten, schauspielerischen Fähigkeiten mit physischer Power wettmacht und kleine, feine Gesten über großes Schauspiel siegen lässt. Alles wie gehabt also und alles soweit immer noch unterhaltsam.
Aber die "John Wick"-Reihe ist natürlich weniger aufgrund ihrer etwas mauen Story oder wegen den Figuren so berühmt geworden, sondern aufgrund ihrer Action. Und was das angeht, liefert natürlich auch "Kapitel 4" wieder mit aller Wucht ab, dass einem Hören und Sehen vergeht. Auch wenn sich hier keine so herausragenden, bereits auf dem Papier absolut grandiosen Einzelszenen finden wie noch im direkten Vorgänger, so bleibt Regisseur Chad Stahelski seinem Stil treu und liefert einige brillante Action-Setpieces ab, die vor allem aufgrund ihrer übersichtlichen und temporeichen Choreographien gefallen. Erneut ist der Einsatz von CGI-Effekten dabei minimal und man setzt auf knallharte Stunts, eine herausragende Kameraarbeit und fixe Ideen. Auch wenn ein gewisser Grad der Übermüdung bei dem x-ten Feuergefecht nicht vermieden werden kann (und sei es auch noch so brillant inszeniert - irgendwann droht eben eine Art der Wiederholung), so ist das hier absolut meisterliche Actionarbeit. Solch wuchtige Szenen bekommen wir zu heutigen Zeiten allenfalls noch in der "Mission: Impossible"-Reihe geboten, ansonsten steht "John Wick" wie gehabt sehr allein da mit dieser Art des Actionfilms. Und das macht dann eben doch Laune und findet im finalen, passenderweise beinahe schon persönlich angehauchten Showdown auch einen sehr runden Abschluss. Mehr muss von dieser Reihe dann auch wirklich nicht mehr kommen... wird es aber natürlich doch. Man darf nur gespannt sein, wie das dann umgesetzt wird, denn zumindest die Actionszenen können eigentlich kaum noch besser werden.

Fazit: "John Wick 4" bleibt weiterhin seinen Wurzeln treu. Das bedeutet: Hervorragend inszenierte und choreographierte Action, die uns wie eine Dampfwalze überrollt... und eine bisweilen zähe und obskure Handlung. Bis zum runden Ende bleibt der Unterhaltungswert trotz der überbordenden Laufzeit recht hoch - die Atempausen fallen aber oftmals ziemlich lang aus.

Note: 3



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