Meistens macht es Spaß, Filme zu sehen, die man seit Jahren auf dem Zettel hatte - die Neugier wird immer größer, bis man es endlich schafft diese Streifen einer Sichtung zu unterziehen. Dass es dabei auch zu Enttäuschungen kommen kann, liegt auf der Hand... wie jetzt bei den beiden "Jim Knopf"-Realverfilmungen, die außer ein großes, sichtbares Budget leider weniger vorzuweisen hatten als ich vorab erwartet habe. Dafür gabs diese Woche dann aber noch eine sehr charmante RomCom und einen originellen Horrorfilm, der gerade auf Netflix seinen zweiten Frühling erlebt...
Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer: Fantasy-Abenteuer von Dennis Gansel, mit Henning Baum, Solomon Gordon, Annette Frier, Christoph Maria Herbst und Uwe Ochsenknecht
Für Fans der populären Vorlage gibt es in dieser Realverfilmung aus dem Jahr 2018 allerlei zu entdecken - über die wundervolle Musik, die liebevollen Sets und die bis in die Nebenrollen sehr spielfreudige und akkurate Besetzung sieht hier alles genauso aus, wie man es sich bei einer prunkvollen Kinoverfilmung des Augsburger-Puppenkisten-Stoffs vorstellen wollte. Rein dramaturgisch kommt der Film dann jedoch sehr flach daher. Auch wenn es durchaus verständlich ist, dass die Macher rund um Regisseur Dennis Gansel mit dem stolzen Budget von 25 Millionen Euro (eines der größten Budgets, welches je für eine deutsche Filmproduktion zur Verfügung stand) ordentlich protzen wollen, so gerät das eigentliche Herz der Geschichte angesichts der Aneinanderreihung von Gefahren-Checkboxen ziemlich unter. Das sieht dann zwar alles sehr schick aus und muss sich visuell nicht weit hinter heutigen Hollywood-Produktionen einreihen. Dabei wird jedoch vergessen, die eigentliche Reise der beiden Hauptfiguren und besonders die Geschichte von Jim Knopf, der seine eigene Vergangenheit erkunden will, zu unterfüttern. Das ist dann bei aller visueller Pracht ziemlich weichgespült und bisweilen sogar langweilig... vor allem da für Erwachsene darüber hinaus nicht viel mehr mitzunehmen ist als ein paar feine Witzchen und bekannte Darsteller in netten Nebenrollen.
Note: 3-
Jim Knopf und die Wilde 13: Fantasy-Abenteuer von Dennis Gansel, mit Henning Baum, Solomon Gordon, Annette Frier, Christoph Maria Herbst, Sonja Gerhardt und Uwe Ochsenknecht
Wem der oben bereits besprochene erste Teil gefiel, der wird auch mit der Fortsetzung Freude haben - das gleiche Team wie beim Vorgänger hat sich vor und hinter der Kamera versammelt, sodass inszenatorische und dramaturgische Stärken und Schwächen quasi genau die Gleichen geblieben sind. Die Geschichte gerät ein wenig konzentrierter, sodass die nach wie vor beeindruckenden Computereffekte und detailverliebten Sets nicht mehr einzig und allein zum Selbstzweck verkommen. Trotzdem bleibt auch dieser Plot erneut relativ dünn und richtet sich in seiner Harmlosigkeit eindeutig an jüngere Zuschauer*innen: Konflikte werden rasch und ohne echte Gefahr gelöst und dass die Bösewichte diesmal alle (!) von Comedy-Haudegen Rick Kavanian gespielt werden, sagt im Grunde schon vorab aus, dass von diesen keine echte Bedrohung ausgeht. Ansonsten ist der Cast wieder mit viel Spiellaune dabei und es gefällt, dass die Rolle der Prinzessin Li Si ausgebaut wurde, sodass der Heldentrupp um eine starke Frauenfigur erweitert wird. Nimmt man das "Neuartige" des Vorgängers jedoch zwangsläufig für die Fortsetzung weg, bleibt trotzdem wenig mehr als ein Wiederkäuen der gleichen Themen und das macht dann auch nicht mehr ganz so viel Spaß... und ist dramaturgisch selbst für einen Kinderfilm noch sehr, sehr durchsichtig und zuckrig.
Note: 4+
Love Stories - Erste Liebe, zweite Chancen: Romantisches Drama von Josh Boone, mit Greg Kinnear, Jennifer Connelly, Lily Collins, Logan Lerman, Nat Wolff, Liana Liberato und Kristen Bell
Regisseur Josh Boone erzählt in diesem sehr romantischen Film von den Liebesverstrickungen dreier Familienmitglieder und erreicht dabei eine dichte Atmosphäre. Zum einen gelingt es ihm, den hervorragend aufgelegten Cast rund um Greg Kinnear, Lily Collins und Co. wirklich als familiäre Einheit zu inszenieren, der man die tiefe Loyalität, aber auch düsterere Themen wie Neid und Zorn aufeinander durchweg abkauft. Zum anderen geht Boone mit dem Thema Liebe angenehm ambivalent und unkitschig um - so unkitschig und ehrlich gar, dass sogar die unvermeidliche Geschichte des Mädchens, welches der Monogamie abschwört und dann doch eines "Besseren" belehrt wird, in diesem dramaturgisch sinnigen Rahmen noch ziemlich gut wegkommt. Der Regisseur erzählt von der Liebe als aufregendes Entflammen, aber spart auch traurige und sehr schmerzhafte Seiten nicht aus, die über den Liebeskummer hinausgehen. Dabei bindet er dann auch noch sehr angenehm das Thema von Künstler*innen und deren eigenen Sporen mit ein, bietet charmante und treffsichere Dialoge und reife Spielleistungen. Einzig Jennifer Connelly bleibt hier aufgrund ihres eher unterentwickelten Charakters ziemlich flach... und dass eine der Geschichten gegen Ende an den Rand gedrängt und schließlich vollkommen vergessen wird, mag dramaturgisch auch nicht schmecken. Insgesamt bleibt dieses sehr ehrliche und immer wieder auch wunderbar-freche Romantik-Drama aber durchweg zu gefallen, da es sich so gut wie nie auf die üblichen Genre-Manirismen verlässt und dabei Charaktere von echtem Wert entwirft.
Note: 2-
Royal Blue: Romantische Komödie von Matthew Lopez, mit Taylor Zakhar Perez, Nicholas Galitzine, Stephen Fry, Clifton Collins Jr., Sarah Shahi und Uma Thurman
Märchen sind altmodisch und meistens stehen dabei ein Mann und eine Frau im Mittelpunkt. Dass sich die LGBTQ-Community ein modernes Märchen gewünscht hat, in welchem sich ein gleichgeschlechtliches Paar suchen und finden darf, ist da nur verständlich. Bei der Verfilmung des Bestsellers "Royal Blue" hätte man aber auch gerne die üblichen, extremen Kitschphrasen eines typischen Märchens ausbessern können, die hier mit solch einer üblen Portion Zuckerguss um die Ecke kommen, dass einem Hören und Sehen vergeht. "Mein Herz fühlt sich an, als wäre es an deinen Körper gebunden - es wird immer wieder zu dir gezogen", "Unsere Liebe wird ihren Weg finden" und so weiter - so lauten die teilweise schrecklich kitschigen Dialoge und aufgesagten Kalendersprüche in dieser RomCom, die ihren Comedyteil ungemein schlapp präsentiert und sich stattdessen lieber auf eine Liebesgeschichte ohne jegliches Funkensprühen verlässt. Was das angeht, darf man den beiden Hauptdarstellern zwar durchaus Vorwürfe machen, da sie über keinerlei Ausstrahlung und erst recht keine gegenseitige Chemie verfügen... aber die ist auch schwer vorzuweisen, wenn man weitestgehend nur in solcherlei Floskeln kommunizieren darf und sich in jeder zweiten Szene weinend in den Armen liegen muss. Später wird der Film ein wenig besser, wenn er abseits des Romantikkitschs, der irgendwo zwischen einer Nicholas-Sparks-Verfilmung und den "Twilight"-Streifen steht, auch noch etwas über Selbstbestimmung erzählt. Doch gerade interessante Themen wie das Austragen einer gleichgeschlechtlichen Romanze im Scheinwerferlicht oder politische Fehden werden vom Herzschmerz weggefegt, sodass der Film weniger aktuell wirkt als er sein müsste. Und da greift auch das Argument, eine LGBTQ-Romanze selbstverständlich als eine normale Romanze zu inszenieren, nicht wirklich, wenn die Protagonisten doch selbst immer wieder davon reden, dass das hier nun mal keine normale Liebe wäre, da sie schwul bzw. bisexuell seien. Nein, hier stimmt so einiges nicht, was das Drehbuch und den grundsätzlichen Ansatz angeht, was angesichts der Vorschuss-Lorbeeren durchaus schade ist.
Note: 4-
Ruinen: Horror von Carter Smith, mit Jena Malone, Jonathan Tucker, Shawn Ashmore, Laura Ramsey, Joe Anderson, Dimitri Baveas und Sergio Calderon
Fünfzehn Jahre nach seinem Kinostart erlebt dieser damals gefloppte Horrorstreifen auf Netflix gerade seinen zweiten Frühling. Und tatsächlich stellt sich "Ruinen" als feine Überraschung heraus, die mit einer knackigen Inszenierung, einem guten Cast und einer sehr originellen und ziemlich gruseligen Bedrohung daherkommt. Allerdings wäre mit ein bisschen mehr Feingefühl an allen Ecken noch mehr drin gewesen - hätte man den völlig konturlosen Charakteren ein wenig mehr Background spendiert und ihnen nicht jeweils nur eine Eigenschaft zugestanden, wäre das Mitfiebern mit diesen später wohl durchaus einfacher gewesen. Auch finden sich immer wieder einige seltsame Momente, in denen das Handeln der Figuren genretypisch nicht wirklich nachvollziehbar erscheint. Die originelle Prämisse, die ebenso rund wie bedrohlich daherkommt, schleicht sich dafür mit fortschreitender Laufzeit fies in die Handlung, sodass die Daumenschrauben bis zum Ende immer weiter angezogen werden. Dabei geht "Ruinen" trotz einer FSK-16-Freigabe sehr hart zur Sache und hält später einige Szenen parat, die schwachen Mägen sicherlich nicht bekömmlich sein werden. Das ist dann sehr solides Spannungskino, welches nur deswegen ein wenig verärgert, da angesichts des sichtbaren Talents aller Beteiligten mit etwas mehr Hirnschmalz und Genauigkeit noch ein viel besserer, fieserer und packenderer Film hätte herauskommen können, der aus dem trashigen Genre-Einerlei hervorstechen könnte.
Note: 3
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