Sie dachten, die Sache sei ausgestanden, doch nun werden sie von den Fehlern ihrer letzten Taten wieder eingeholt: Die Clique rund um Clay Jensen (Dylan Minette) sieht sich damit konfrontiert, dass offensichtlich mehrere Leute wissen, dass der im Gefängnis verstorbene Montgomery De La Cruz (Timothy Granaderos) nicht der Mörder des Vergewaltigers Bryce Walker (Justin Prentice) gewesen ist. Als das Lügenkonstrukt, welches Clay und seinen Freunden ehemals dabei half, ihren Hals aus der Schlinge zu ziehen, über ihnen zusammenzubrechen droht, müssen sie neue Wege gehen, um ihre Haut doch noch zu retten... oder ihre Missetaten sogar eingestehen. Unter dem Druck von innen und außen droht Clay schier zu zerbrechen und wird Opfer einer grausamen Psychose, die sein ganzes Selbst zu zerstören droht. Unterdessen schiebt Jessica (Alisha Boe) als Schülersprecherin weiterhin die Bewegung gegen den sexuellen Missbrauch an der Liberty High an und Justin (Brandon Flynn) muss sich mit einem Drogenentzug beschäftigen...
Eigentlich hatte die dritte Staffel, die insgesamt für ein sehr geteiltes Medienecho sorgte, mich jedoch fast durchgehend begeisterte, schon ein fast perfektes Ende für die ganze Serie abgeliefert. So ganz wollte man allerdings noch nicht abschließen, weswegen im vergangenen Juni noch eine vierte Season nachgeliefert wurde - diesmal mit dem endgültigen Abschluss. Diese besitzt nun nicht mehr dreizehn, sondern nur noch zehn Episoden und das ist auch gut so. Denn eigentlich haben die Macher gar nicht mehr so viel zu erzählen, was sich auf den Rhythmus des Plots, der ja sowieso oftmals recht unnatürlich gestreckt worden ist, negativ auswirkt. Im direkten Vergleich muss die vierte Season schon mit der Ausgangssituation zurückstecken, denn wo die dritte Staffel noch mit der spannenden Frage aufwartete, wer denn nun einen kaltblütigen Mord verübt hat, macht die vierte ein anderes Fass auf: Wer hat die Tür des Direktorbüros der Liberty High vollgesprayt?
Natürlich steckt da noch mehr dahinter und dieser Sprayzug ist nur der Anfang eines weiteren Mysteriums, welches Clay und seine Freunde aufdecken müssen. Dieses ist nun, angesichts der Infos, die uns das Finale der dritten Staffel noch mit auf den Weg gab, keine ganz so große Überraschung und würde man es auf den reinen Plot herunterbrechen, hätte man diese Season wohl auch in der Hälfte der Episodenzahlen abfertigen können. Es ist tatsächlich erstaunlich, wie sehr sich die Macher nun darauf berufen müssen, eigentlich auserzählte Figuren entweder weiter im Kreis zu drehen oder ihnen ganz neue, wenn auch oftmals nicht gerade glaubwürdige Seiten in ihrer Persönlichkeit aufzeigen zu müssen, um irgendwie noch zehn Folgen zu füllen.
Dass dabei dann in letzter Instanz noch einmal die übliche Psychosen-Karte gezogen werden muss, um eine gewisse dramatische Fallhöhe zu erreichen, bringt die Originalität der Handlung auf den Punkt: Clay wird aufgrund der vergangenen Ereignisse schlichtweg wahnsinnig und halluniziert, was die Inszenierung der Staffel streckenweise wie einen Psycho-Horrorfilm aussehen lässt - nur, dass es hier eben mehr gewollt als gekonnt ist. Das bringt dann auch die Möglichkeit mit sich, mit Bryce Walker und Montgomery De La Cruz die zwei sicherlich nicht sympathischsten, aber eben spannendsten Figuren in Gastauftritten zurückzubringen, die immer wieder mal als eine Art Vision hereinschauen und finstere Monologe halten. Das Fehlen der beiden Missetäter macht sich ansonsten nämlich ziemlich negativ bemerkbar, da es auch an einem wirklich fürchtenswerten Antagonisten mangelt. Denn auch die, die nun gegen Clay und seine Bande operieren, sind sicherlich keine Feinde... auch wenn sie sich manchmal ein wenig so geben.
Natürlich muss auch diese letzte Staffel noch politische Zwecke erfüllen und wenn es erneut um die Themen des sexuellen Missbrauchs, das Auflehnen gegen die "Bösen da oben", Drogenmissbrauch, Familiengeschichten und Suizid geht, dann sind all das sicherlich wieder wichtige Fußnoten. Die Macher haben die Ängste und Sehnsüchte ihrer jungen Figuren längst verstanden und verinnerlicht, dass man parallel aber erneut ein solches Wagnis eingehen würde wie in der direkten Vorgängerstaffel, das war eh nicht abzusehen. Damals versuchte man gar den Zuschauer dazu zu zwingen, die Seele und den Verstand zweier Vergewaltiger zu verstehen... ein mutiger und wichtiger Schritt, der aufzeigt, dass kein Mensch von Natur aus böse ist und ein jeder von ihnen die Chance haben sollte, Fehler auszubessern und sich selbst ebenfalls zu bessern.
Mit der vierten Staffel schlägt man jedoch durchweg aggressivere Töne an, was manchmal etwas verwirrt - gerade Schulsprecherin Jessica spricht mit dem Kampf gegen den ständigen sexuellen Missbrauch zwar absolut wichtige Themen an, geht dabei aber so dermaßen kopflos und rücksichtslos gegen alles vor, was ihr nur annähernd auf die Füße zu treten droht, dass man sich schon fragt, ob sie tatsächlich das korrekte Vorbild darstellt. Hier überspannen die Macher den Bogen, den sie zuvor noch so doppelbödig perfekt unter Kontrolle halten, mehr als einmal und schlagen sich konkret auf eine Seite. Schade, da war das graue Spiel zuvor doch wesentlich spannender als diese nun ziemlich eindeutige Schwarz-Weiß-Thematik... auch wenn sie nun im Kern für den Mainstream natürlich leichter zu verdauen ist und somit weniger politische Aufstände zu verursachen droht. Dabei ist doch genau das Jessicas Ziel, weswegen die Serie dabei sogar querschießt und es sich dabei oftmals in ihrer lauten Wut zu einfach macht. So einfach ist es eben nie, so hart es auch klingt.
Am Ende ziehen die Macher ihren Kopf aber dennoch aus der Schlinge. Trotz all der Fehler, die sie in den vergangenen Episoden machten, über Cliffhanger, die letztendlich wenig bedeuten und groß aufgezogene Mysterien, die sang- und klanglos verebben und einige manipulierende Tränendrücker-Momente... die allerletzte Folge dieser Hype-Serie wird dem Ruf gerecht. Mit einem überlangen Staffelfinale gelingt es allen Beteiligten, besonders den Hardcore-Fans einen ebenso versöhnlichen wie bewegenden Abschluss zu geben. Von allen Figuren können wir uns noch einmal verabschieden und sie auf ihren letzten Schritten hinein in ein anderes Leben begleiten. Das weiß dann doch schlussendlich doch noch einmal zu berühren und schließt eine Serie mit all ihren Aufs und Abs würdig ab. Diesen Absprung hätte man rückblickend deutlich früher schaffen sollen, aber es ist okay, dass er eben doch noch gelungen ist. Es hätte wesentlich schlimmer sein können.
Fazit: Mit der vierten Staffel liefern die Macher hinter der Hype-Serie leider kein letztes Aufpumpen mehr ab, sondern schlagen aggressive Töne an, die ziemlich deutlich hinter dem spannenden, mutigen Erzählrhytmus der dritten Season zurückbleiben. Für Hardcore-Fans ist insgesamt aber ein sehr emotionaler und aufrichtiger, wenn auch erzählerisch holpriger Abschluss drin.
Note: 3-
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