Direkt zum Hauptbereich

Dark - Die erste Staffel

Winden ist ein ungemütlicher Ort mitten in Deutschland: Er ist verhangen, neblig, düster und tatsächlich scheinen seltsame Dinge vor sich zu gehen, welche die Bewohner auf Trab halten. Kinder verschwinden offensichtlich in den finsteren Wäldern und die örtliche Polizei findet kaum Hinweise, um überhaupt ein Verbrechen bestätigen zu können. Zudem befindet sich eine große Höhle im Wald, aus der ein merkwürdiges Dröhnen schallt und in welcher sich ein weiteres Geheimnis zu verbergen scheint. Ein Mann in einem Regenmantel wandert durch die Stadt. Und zudem scheint jeder Bewohner, ob jung oder alt, ein eigenes Geheimnis zu verbergen, welches schon bald das Spiel zwischen Zukunft und Vergangenheit beeinflussen könnte...

Vor wenigen Jahren dachte man eigentlich nur an die üblichen Verdächtigen, wenn jemand "deutsche Serien" ins Spiel brachte: Vorabend-Soaps, geradlinige Krimis und Scripted-Reality-Mist. Wo die Annahme, dass deutsche Filme dem Hollywood-Kino nicht das Wasser reichen können, zuletzt mehrfach eindrucksvoll widerlegt werden konnte, wenn man sich nur mal abseits des Mainstreams rund um Schweiger und Schweighöfer umsah, so standen deutsche Serien aber noch immer schwer im Kurs. Die Deutschen tun sich eben immer noch schwer mit so komplexen Stoffen wie "Lost" oder "Game of Thrones" - Serien, die eben nicht nebenbei beim Abwasch konsumiert werden können, sondern bei denen absolute Konzentration vonnöten ist und keine Folge, keine Szene verpasst werden darf. "Dark" hat nun das Gegenteil bewiesen: Die Deutschen wollen komplexe Stoffe. Und, was noch viel wichtiger ist, die deutschen Filmemacher können komplexe Stoffe.
"Dark" schaffte es als deutsche Serie, die mittlerweile auf dem Streamingdienst Netflix nach drei Seasons ihr geplantes Ende gefunden hat, sogar bis nach Hollywood - selbst der große Filmmarkt auf der anderen Seite der Welt zeigte sich beeindruckt. Es öffnete Deutschland weitere Türen auf dem Film- und Serienmarkt und dies mehr als zurecht. Die Macher rund um Baran bo Odar haben eine packende Geschichte entwickelt, die sich mit dem schwierigsten Thema auseinandersetzt, welches es in den Medien wohl gibt: Raum und Zeit. Die Größten haben versucht, gute Zeitreisen-Geschichten zu erzählen, die konstant verständlich und ohne Plotholes auskommen. Wenn auch unterhaltsam und griffig, so scheiterten selbst gigantische Stoffe wie "Lost" oder das Marvel Cinematic Universe - es schien klar, dass man keine Zeitreisen-Geschichte erzählen kann, ohne über etwaige Plotholes zu stolpern. "Dark" macht es anders und es sich und seinen Zuschauern dabei auch nicht einfach. Sie nehmen die ganze Komplexität des Stoffes und arbeiten an allen Ecken und Enden damit. Logiklöcher lassen sich vielleicht finden, aber sie sind schwer zu entdecken, da Odar dieses Thema so verzweigt anfasst, dass es schon schwer genug ist, überhaupt den Überblick zu erhalten... und wer sich dann auch noch auf Plothole-Suche begibt, weiß sicherlich bald nicht mehr, wo oben und unten ist.
Es ist also wirklich allerhöchste Konzentration vonnöten und manchmal empfiehlt sich sogar das Mitschreiben, um von dem Figurenregister und ihren Zusammenhängen nicht erschlagen zu werden. Das mag manch einer als anstrengend empfinden und man muss beipflichten, dass "Dark" keine leichte Kost ist, oftmals deswegen gar schwerfällig wirkt. Aber das ist auch das Ziel, wie die eindrücklichen Bilder des Ortes Winden bereits zeigen: Es ist keine schöne Welt, es gibt wenig zu lachen, wenig Hoffnung, nur viel Finsternis. Und in dieser Welt kann man verloren gehen oder wird es sogar unabdinglich. Odar labt sich in der Hoffnungslosigkeit seines Ortes und seiner Geschichte, geht aber immer wieder mehrere Schritte weiter. Er lässt sich Zeit, um seine Figuren aufzustellen, weitet seinen Plot langsam immer weiter aus. Man kann erst langsam und schließlich immer schneller in den Plot eintauchen, der sich irgendwann weiter aufbläst, ohne dabei an sich selbst zu scheitern. Es ist viel, verdammt viel, was hier erzählt wird - aber es ist die richtige Menge, solang man denn dranbleibt und aufpasst.
Diese verflixt clevere Mixtur aus düsterem Sci-Fi, teils enorm gruseligem Mystery und sensibler, manchmal auch knallharter Charakter-Studie entfaltet früh einen Suchtfaktor, der nicht ohne ist. Odar konnte ein fähiges Team um sich versammeln, welchem es gelingt, diese Komplexität, die unter anderen Bedingungen auch leicht in Klischee-Trash hätte abrutschen können (ironischerweise streift Odar diese absichtlich, um selbst diese Klischees dann umzudrehen und sinnig zu gestalten), greifbar zu transportieren. Das beginnt bei einem durchweg grandiosen Schauspiel-Ensemble, welches keinen einzigen Ausfall bietet; über die grandiose Kamera und die Ausstattung, welche unterschiedliche Ebenen darstellt und enorm detailliert wirkt; und endet bei einem Soundtrack, der sogar in scheinbar kleinen Momenten Gänsehaut verursacht. Ich bin gespannt, wie das Konstrukt in den nächsten beiden Staffeln weitergeführt wird - ein verflixt heftiger Cliffhanger zum Schluss der letzten Folge, die schon zuvor noch einmal alles Gesehene auf den Kopf stellt, heizt die Vorfreude mächtig an.

Fazit: Deutsches Serienkino in Bestform. Komplex, düster, knallhart, mit Herz und Verstand, hochspannend, hervorragend gefilmt und gespielt. Es mag vielen zu finster und zu verkopft sein, für alle, die wirklich dranbleiben, entfaltet sich jedoch ein Mystery-Thriller der Extraklasse, der es locker mit allem aufnehmen kann, was Hollywood zu dem Thema schon versucht hat. Bereits jetzt ein Klassiker aus deutschen Landen.

Note: 2+


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr...

Der große Crash - Margin Call

Es gehört schon einiges an Talent dazu, einen Film über eine Schar Anzugträger, die in dialoglastiger Manier das eventuelle, schockierende Ende ihrer Firma aufdecken. Wenn man es falsch angeht, könnte der Stoff arg trocken werden, mal ganz davon abgesehen, dass der Otto-Normal-Zuschauer mit den finanziellen Zusammenbrüchen und all den Zahlen nicht unbedingt umgehen kann. Eine Riege großer Stars kann da schon helfen, die Zuschauer anzulocken, so beweist es zumindest der angenehm ruhige Thriller "Margin Call"... DER GROSSE CRASH - MARGIN CALL Kurz vor der Finanzkrise 2007: In der Wertpapierhandelsabteilung einer großen New Yorker Bank werden etliche Mitarbeiter entlassen, unter ihnen ist auch Risikomanager Eric Dale (Stanley Tucci), der zuvor jedoch noch eine schockierende Entdeckung macht. Seine Arbeit hinterlässt er dem übriggebliebenen Mitarbeiter Peter Sullivan (Zachary Quinto), der die Zahlen überprüft... und dadurch entdeckt, dass der ganze Konzern auf wackligen Fü...

Eraser

Arnold Schwarzenegger, wohl neben Sylvester Stallone die Action-Ikone der 80er und 90er Jahre schlechthin, ist endlich zurück. Nachdem er sein Amt als Gouverneur von Kalifornien niedergelegt hat, dürfen wir ihn seit einiger Zeit endlich wieder in genügend rauen, spaßigen Actionfilmen wiedersehen. Auch wenn in der heutigen Zeit ganz klar Statham, Diesel und Co. die Actionhelden sind, macht es aber dennoch Spaß, den "Terminator"-Star wiederzusehen. Und natürlich auch seine vergangenen Filme, von denen ich bislang kaum einen gesehen habe und die ich nun mal nachholen möchte. Angefangen habe ich nun mit "Eraser" aus dem Jahr 1996... ERASER US-Marshall John Kruger (Arnold Schwarzenegger) arbeitet in einer geheimen Vereinigung der USA im Zeugenschutzprogramm. Darin beschützt er die Leben von Kronzeugen, welche vor Gericht Aussagen tätigen sollen und verschafft ihnen eine neue Identität, um sie vor dem Tod zu bewahren. Sein neuester Job ist eine junge Mitarbeiterin bei...