1849: Im unvereinten Amerika arbeitet Araminta Ross (Cynthia Erivo) auf einer Plantage unter den finsteren Händen ihrer weißen Herren. Ein Anwalt bescheinigt ihr und ihrer Familie eines Tages, dass ihr aller Verkauf aufgrund der Stellung ihrer Mutter nicht rechtens war und die gesamte Familie Ross somit frei sein müsste. Als ihr "Besitzer" Gideon Brodess (Joe Alwyn) diesen Rechtsspruch nicht anerkennen möchte, flieht Araminta von der Plantage und kämpft sich über hunderte Meilen durch wildes Geäst und strömende Flüsse. In der Freiheit angekommen kann sie dennoch keine Ruhe bewahren - weiterhin will sie ihre bei den Brodess' verbliebene Familie befreien. Durch ihre Taten soll Araminta, die schließlich den Namen Harriet Tubman annimmt, schon bald eine glorreiche Ikone in der Befreiung der Sklaven werden...
Ein filmisches Denkmal zu der wohl bekanntesten Fluchthelferin der Hilfsorganisation "Underground Railroad", welche es sich in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts zur Aufgabe gemacht hatte, Sklaven zu befreien, war im Grunde schon lange überfällig. In Deutschland kam der Film passenderweise beinahe zeitgleich mit der aufkeimenden "Black Lives Matter"-Bewegung in die Kinos, auch wenn er aufgrund der grassierenden Corona-Pandemie weniger Zuschauer in die Lichtspielhäuser lockte als es unter normalen Umständen der Fall gewesen wäre. Aufmerksamkeit bekam der Film dennoch: Aufgrund eines früheren US-Starts konnte er bei der Oscarverleihung 2020 mitmischen, wobei Hauptdarstellerin Cynthia Erivo gar für die begehrte Trophäe nominiert wurde. Ein wichtiger Film zu einem wichtigen Thema also... leider hätte man sich aufgrund der Brisanz des Themas aber auch einen besseren und fokussierteren Standpunkt aus filmischer Sicht gewünscht.
Die Schwierigkeiten eines Biopics kann nämlich auch "Harriet" nicht umschiffen: Ein ganzes Leben in zwei Stunden zu erzählen ist schier unmöglich und bei dieser Frau, die so viele wichtige Dinge anstieß und entwickelte, bleibt vieles notgedrungen auf der Strecke. Böse sein kann man aber kaum, dass man Harriets Position beim Militär und auch ihre Mühungen bezüglich des Frauenwahlrechts hier so gut wie völlig ausspart, denn auch ohne diese weiteren Haken auf der Liste hat "Harriet" viel zu viel zu erzählen, um dieser Ikone auch nur ansatzweise gerecht zu werden. Mit hohem Tempo grast der Film daher die wichtigen Eckpfeiler Harriets während der Sklavenbefreiungen ab und erschafft dabei durchaus starke Momente. Etwas zu arg widmet sich Regisseurin Kasi Lemmons dabei jedoch den actionorientierten Szenen, wobei "Harriet" beinahe zu einer Art Flucht-Actioner verkommt. Die Inszenierung ist mehr als sicher, trotzdem kann der Film diversen Genre-Klischees und überstrapazierten Spannungsspitzen nicht gänzlich ausweichen. Der Fokus auf diesen flotten Momenten untergräbt somit auch ein wenig die echte Person der Harriet Tubman, die hier weniger als Mensch als viel mehr als eine Art unumstößliche Heilige gezeichnet wird.
So wird man der einzigartigen Person, um die es hier geht, nur in Ansätzen gerecht - so groß ihr Werk auch war, etwas interessanter wäre es gewesen, weiter hinter den Schleier dieses Menschen zu blicken. Nur in kurzen Augenblicken gönnt Lemmons uns diese Einblicke, um anschließend (auch aufgrund fehlender Zeit) wieder zu actionorientierten Passagen zurückzufinden. Aufgrund einer solchen Schnelligkeit bleiben förmlich alle Nebenfiguren auf der Strecke - keiner kann sich so richtig ins Gedächtnis spielen und nicht einmal die sonst so großartige Janelle Monae vermag in ihrer kleinen Rolle wirklichen Glanz zu erschaffen. Sie alle stehen demnach im Schatten der Titelfigur, welche von "Widows"-Star Cynthia Erivo mit enormer Kraft dargestellt wird. In ihren Augen zeigt sich die Angst, aber auch die schiere, sie jedoch niemals übermannende Wut, woraus ihre heldenhaften Taten erst resultieren. Erivo zeichnet auch in kleinen Momenten ein spannendes Bild der Ikone - ein Bild, welches vom darüber hinaus zu einseitig geschriebenen Drehbuch leider immer wieder verwässert wird.
Fazit: "Harriet" ist ein etwas zu konventionell und sparsam erzählter Film über eine ikonische Heldenfigur des neunzehnten Jahrhunderts. Visuell nicht ohne Reiz und von Cynthia Erivo kraftvoll gespielt bleibt uns Harriet Tubman als Mensch jedoch zu fern, da sie mehr als eine Heilige denn als Frau gezeichnet wird.
Note: 3-
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