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Der wunderbare Mr. Rogers

Lloyd Vogel (Matthew Rhys) arbeitet als Journalist beim angesehenen "Esquire"-Magazin und hat sich dort, passend zu seinem aus den Angeln gehobenen Familienleben, einen Ruf als ausgenommen zynischer und oft schlecht gelaunter Schreiberling erarbeitet. Ausgerechnet er soll nun, kurz nach einem gewalttätigen Konflikt mit seinem Vater Jerry (Chris Cooper), eine Lobhudelei auf den allseits beliebten und berühmten Kindermoderator Fred Rogers (Tom Hanks) verfassen. Vogel ist von Anfang an nicht begeistert und auch nach dem ersten Treffen mit dem überaus freundlichen Rogers wirkt er noch nicht überzeugt. Mit der Zeit und während weiteren Treffen erklingen jedoch die sensiblen Ratschläge des netten, alten Mannes in seinen Ohren... und schon bald scheint Vogel selbst es zu sein, der von Rogers unter die Lupe genommen wird.

Fred Rogers war ein mehr als angesehener und im ganzen Land beliebter Fernsehmoderator, der Kindern auch schwierige Themen mit sicherer Hand und auf Augenhöhe nahebrachte - ein wenig wie der Peter Lustig unserer deutschen Generation hat er dabei unzählige Kindheiten geprägt. Wer mit Rogers daher in Berührung kam, der dürfte dem filmischen Denkmal, welches ihm und dem engstirnigen Reporter, der auf ihn angesetzt wurde, durchaus etwas abgewinnen können. Alle anderen und besonders diejenigen, denen das Thema rund um Rogers' Leben und Tun fremd ist (dazu zähle ich auch mich), die dürften mehrheitlich verwirrt aus dem hinausgehen, was uns "Can You Ever Forgive Me?"-Regisseurin Marielle Heller hier vorgesetzt hat. Denn wer hinter der sensiblen, so ungemein freundlichen Seite des großen Fred Rogers nach über hundert Minuten doch noch ein paar Abgründe erwartete, der wird getäuscht - die Macher heben den Moderator auf solch ein enormes Podest, verbeugen sich so oft und tief vor ihm, dass jegliche andere Note darin verschwimmt oder schlichtweg von der Sentimentalität und dem Holzhammer, mit welchem diese geschwungen wird, hinfortgefegt wird.
Nichts gegen reichlich naive Sentimentalität, die das Herz des Publikums ansprechen soll - gerade in solch finsteren Pandemiezeiten kann man ein wenig aufbauende, wenn auch wenig subtile Unterhaltung ja durchaus gebrauchen. Doch hier hat man es damit durchaus übertrieben, denn so enorm freundlich und nahbar der "heldenhafte" Rogers hier agiert, so bekommt man immer mehr den Eindruck einer Kunstfigur, die sich hinter einem Schatten verbirgt. Dieser wird hier zumindest kurzzeitig angesprochen, aber anschließend nicht weiter thematisiert, um dem Glanz der Figur keinen Abbruch zu tun. Und genau deswegen wirkt diese titelgebende Figur auch niemals wirklich glaubwürdig: Man will ihn durchaus mögen, diesen offenbar durch und durch guten Menschen, doch wirken Menschen ohne echte Fehler auch irgendwie abschreckend... und letztendlich langweilig. Ein Blick hinter diese Fassade, die auch Reporter Vogel zu übersteigen versucht, wäre interessant gewesen - stattdessen nutzt man Rogers nur als eine Figur, der auftritt wie ein Heiliger (und dass er dies offenbar nicht sein will, verstärkt diesen Eindruck nur noch). Was anfangs befremdlich wirkt (wenn auch nicht ganz ohne Charme), wird später nur noch nervig. Und in dieser Karikatur ohne jegliche Schrammen, welche die gute Laune verderben könnte, verschwindet ein echter Mensch hinter so viel positiver Energie, dass es einen beinahe aufregen könnte... da es eben nur ein Traum zu sein scheint.
An der Leistung eines Tom Hanks, der für seinen Auftritt auch mit einer Oscarnominierung bedacht wurde und schließlich gegen Brad Pitt in Quentin Tarantinos "Once upon a time in Hollywood" verlor, lässt sich eigentlich wenig aussetzen. Hanks spielt diesen schier gottgleichen Seelenretter mit Charme und kleinen, feinen Gestiken - wenn er ohne Worte, aber mit kleinen Taten die körperlichen Schwächen des Helden austariert, hat das durchaus Klasse. Und doch überzeichnet auch Hanks in den Manirismen einer völlig überzogenen Figur, die viel zu gut ist, um wahr zu sein - dass die Macher dieses kitschige Klischee nicht brechen, schadet auch ihm, denn sonderlich viel Abwechslung kann und darf er hier nicht anbieten. All dieser Frohsinn wirkt in den schlechtesten Momenten des extrem langatmigen und zerfaserten Films beinahe gruselig - etwa, wenn Hanks uns eine Minute lang ohne zu blinzeln anstarrt und dies als schweigenden Moment auffasst, der Reporter Vogel endlich von seinen Leiden erlöst. Das hat leider mehr vom Kannibalen Hannibal Lecter als von einem Kindheitshelden und wirkt dementsprechend obskur. Das letzte Wort kann man so dann auch auf den Film als Ganzes vermerken - nett gemeint, aber wirklich etwas zu viel der Lobhudelei.

Fazit: In einer teils schrägen, teils arg drögen Lobhudelei auf den großen Fred Rogers verkommt der gesamte Film zu einer kitschigen, überzeichneten Verbeugung. Jenseits der Realität und ohne wichtige Grautöne bleibt da nur wenig mehr als ein Klischee-Drama, welches uns lächeln lassen soll, am Ende aber eher nervt.

Note: 4-





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