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Der Fall Richard Jewell

Der Sicherheitsbeamte Richard Jewell (Paul Walter Hauser) entdeckt während eines Konzerts rund um die Olympischen Spiele im Jahr 1996, bei denen er eingesetzt ist, einen verdächtigen Rucksack unter einer Sitzbank. Kurz nachdem er seine Kollegen und die Behörden informiert hat und diese drei Rohrbomben in der Tasche entdeckt haben, explodiert der Sprengsatz - zwei Menschen sterben, rund hundert weitere werden verletzt. Jewell wird durch sein beherztes Eingreifen erst als Held verehrt... bis das FBI die Ermittlungen gegen ihn aufnimmt und ihn als potenziellen Verdächtigen in Umlauf bringt. Die Medien, darunter die clevere Journalistin Kathy Scruggs (Olivia Wilde), stürzen sich auf den jungen Mann und krempeln sein Leben und das seiner Mutter Barbara (Kathy Bates) um. Um sich vor den komplexen Machenschaften des FBI zu verteidigen und seine Unschuld zu beteuern, heuert Jewell schließlich seinen alten Freund Watson Bryant (Sam Rockwell) als Anwalt an...

Zum wiederholten Male hat sich der seines Alters weiterhin nicht müde (zum Glück für uns alle) Regisseur Clint Eastwood der wahren Geschichte eines Alltags-Helden angenommen, dem trotz seines beherzten Vorgehens und des Rettens etlicher Menschenleben von den Behörden und den Medien schwer zugesetzt wurde. Nach dem durch und durch spannenden "Sully" aus dem Jahr 2016, welcher dem Wunder vom Hudson ein filmisches Denkmal setzte, folgte letztes Jahr also die Geschichte rund um das Bombenattentat im Centennial Olympic Park. Und Eastwood beweist, so wie man es von ihm gewohnt ist, erneut ein hervorragendes Gespür für einzelne Scharmützel und für ein Zusammenhalten von Haupt- und Nebenfiguren in mehreren, sich einander tangierenden Handlungssträngen. Zu Beginn erstaunt es noch, dass er das Attentat, welches all diese Plots in Gang setzt, inszenatorisch zwar dicht, aber nicht so spannend umschreibt, wie es möglich gewesen wäre. Denkt man da an die grausame Intensität der Hudson-Notwasserung in "Sully", so glaubt man, dass hier mehr drin gewesen wäre - vielleicht mag sich Eastwood aber auch nicht auf eine Überzeichnung des Stoffes stürzen, was an und für sich eine lobenswerte Herangehensweise ist.
Im weiteren Verlauf des Films erfüllt Eastwood die Standards des Genres und übertrifft sie auch immer wieder. Allerdings gelingt ihm dabei nicht jeder Takt, wobei besonders die Geschichte um die regelrecht biestige Reporterin Kathy Scruggs negativ auffällt. Wie die Medien als Aasgeier den prekären (und vom FBI widerlich zurechtgestutzten) Fall rund um Jewell ausschlachten und dabei keine Rücksicht auf Verluste nehmen, das hat durchaus seinen emotionalen Reiz. Wie sich Scruggs innerhalb dieses Musters verhält, wirkt jedoch das ein ums andere Mal durchaus überzeichnet... und der Wandel ihres Charakters kommt nach einer einzelnen Standpauke dann doch so aus dem Nichts, dass man sich schon fragt, ob Eastwood irgendwann noch wusste, wie er mit diesem Charakter verfahren muss. Der Rest ist aber durch die Bank weg stark inszeniert - über die Verhörmethoden des FBI, welche den naiven Jewell genau da anfassen, wo es notwendig ist; hin zu den humoristisch angehauchten Gesprächen mit dem sich immer mehr in Rage redenden Anwalt Bryant; und bis zu den clever eingestreuten Zweifeln, die hier dargelegt werden - war Jewell wirklich so unschuldig, wie er es hier darlegt? Eastwood hält seine Geschichte über zwei Stunden durchweg spannend, auch wenn er das ein ums andere Mal in einige Fallstricke gerät und sich manch einen Charakter etwas zu simpel zur Seite legt.
Natürlich hat der alternde Kultregisseur auch wieder eine schlichtweg wahnwitzige Besetzung zusammengetrommelt, die sich in durchweg bravourösen Leistungen die Klinke in die Hand geben. Trotz Plotschwächen weiß Olivia Wilde als feurige Reporterin zu überzeugen und "Misery"-Star Kathy Bates sorgt als emotional geschwächte Mutter des Beschuldigten für ein emotionales Zentrum sondergleichen. Jon Hamm entwickelt in der Rolle des intriganten FBI-Beamten, trotz manch eines Klischees, eine Bedrohlichkeit, die ihresgleichen sucht. Und ist es überhaupt noch nötig zu erwähnen, dass der brillante Sam Rockwell in seiner Darstellung als fluchender Anwalt, der sich ständig über Jewells gutmütige Kooperation aufregt, erneut jeden Co-Star überstrahlt? Allein die Blicke, die er seinem ewig quasselnden Mandanten zuwirft, während das FBI die Wohnung seiner Mutter auf den Kopf stellt, sind schlichtweg Gold wert. Sie alle würden und könnten aber nicht so glänzen, würde der hierzulande bislang weitestgehend unbekannte Paul Walter Hauser (bislang unter anderem in den von Kritikern gefeierten Dramen "I,Tonya" und "BlacKkKlansman" zu sehen) hier nicht so eine vortreffliche Leistung in der Titelrolle abgeben. Mit einer oftmals tollpatschigen und drösigen Leistung trifft er sein echtes Alter Ego auf den Kopf und hat dabei physisch und auch von der Kraft seines Spiels her die besten Voraussetzungen, um in Hollywood nun so richtig durchzustarten.

Fazit: Es ist erneut kein neues Meisterwerk seitens Eastwood, denn der macht hier dramaturgisch und in Sachen Plots doch ein paar Schönheitsfehler. Auf der reinen Inszenierungsebene und während der Führung seiner exellenten Darstellerriege ist "Richard Jewell" aber ein Juwel.

Note: 3+



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