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I Care a Lot

Mit findigen Methoden, ausgefuchsten Partnern und einer ganzen Menge an krimineller Energie und Berechnung betreibt Marla Grayson (Rosamund Pike) eine Seniorenresidenz, wobei sie die alten, kranken Menschen ausnutzt und finanziell ausnimmt. Dank eines hohen Selbstbewusstseins und schier perfekt austarierten Dokumenten kommt ihr niemand auf die Schliche und Marla kann sich ein finanziell abgesichertes Leben gönnen. Eines Tages geraten sie und ihre Partnerin und Freundin Fran (Eiza Gonzalez) jedoch an die falsche Frau, nach deren Geld sie trachten. Erst wirkt Jennifer Peterson (Dianne Wiest) wie der perfekte Fund: Offenbar keine noch lebenden Familienmitglieder, viel Geld auf der hohen Kante und ein simpler Weg, ihr eine Demenz anzuhängen, wegen welcher diese dann automatisch in ärztliche Betreuung überstellt werden soll. Nach kurzer Zeit stellt Marla jedoch fest, dass dieses neue Opfer auch eine Gefahr birgt, haben doch auch andere Menschen ein überraschend großes Interesse an der älteren Dame...

"I Care a Lot" heißt der neue Netflix-Hit, der sich seit rund einem Monat mehr als wacker in den Top-10-Werken des Streaminggiganten hält und auch den ein oder anderen Rekord brechen dürfte. Woher die (zumindest oberflächliche) Begeisterung für das Werk stammt, lässt sich leicht feststellen - Geschichten über clevere Kriminelle und Storys über starke Frauen, die allen anderen endlich mal zeigen, wo der Hammer hängt, sind ja immer gern gesehen. Leider verlässt sich der reichlich krude Mix aus skurillem Thriller und bitterböser Komödie aber nicht auf seinen spannenden Aufhänger und schneidert rund um die interessante Geschichte einer fiesen Altenpflegerin, die ihre unschuldigen Patient*innen ausnimmt, noch ein ganzes Meer aus weiteren Plots, von denen einer schräger als der andere anmutet. Die anfängliche Freude aufgrund des frischen Settings und einiger überraschender, wenn auch auch arg weit hergeholter Wendungen weicht somit recht schnell einem Gefühl der Enttäuschung, wenn den Machern rund um "Die 5. Welle"-Regisseur Jonathan Blakeson alsbald die Kontrolle über ihre Idee entgleitet.
Es ist schwer, über eben solche Handlungsschwächen zu schreiben, ohne diverse Überraschungen (und trotz des schwachen Skripts sind es eben immer noch Überraschungen) zu spoilern, weswegen ich mich in diesem Text so vage wie möglich halte. Fest steht jedoch, dass der Ausbau der Geschichte einer vollkommen gefühlskalten und zudem sehr kreativen Altenpflegerin nur den Grundbau setzt - dabei ist genau dieser Plot der interessanteste, weil spaßigste und zugleich schockierendste des ganzen Films. Wie gerne hätte ich Marla und Fran weiter dabei zugesehen, wie sie die laschen Gesetze der USA mit vagen Worten umgehen - auch wenn sie schon an diesem Punkt mit reichlich simplen Methoden, sehr viel Glück und einem großen Wohlwollen der Drehbuchautoren, die den Stoff ordentlich versimpeln, schwere Glaubwürdigkeitsprobleme erhalten. Sobald die Geschichte jedoch umschlägt (und das tut sie ziemlich genau mit dem Auftritt von "Game of Thrones"-Fanliebling Peter Dinklage), wird sie immer skuriller, immer wilder... und auch immer blöder. Da scheinen den Machern so viele Ideen aus so vielen verschiedenen Genres gekommen zu sein, dass man versuchte, all das irgendwie zu vermengen - das klappt angesichts dieses bizarren Wirrwarrs aber schlichtweg nicht.
Für einen waschechten Thriller ist "I Care a Lot" schlichtweg nicht spannend genug - von den Problemen aufgrund vollkommen schräger, banaler Plotpoints ganz abgesehen. Für eine Komödie fehlt es ihm an echten Lachern und für ein Drama rund um eine absolut unsympathische Hauptperson fehlt es an Ernsthaftigkeit. Man muss schon schwer schlucken, um all das Plotgesäusel noch halbwegs für voll nehmen zu können und wer einer Figur wie der absolut grausamen Marla Grayson dabei noch gerne durch den Film folgen will, der dürfte spätestens ab der Halbzeit auch dieses Urteil überdenken. Mit einem fühlenden Wesen hat sie zumindest nichts mehr gemein, wenn die Macher aus ihr beinahe eine unsterbliche Killerin machen wollen, die alles kriegt, was sie will - in Frage stellen wollen und sollen die Macher so etwas auch nicht, aber eine gewisse Nachvollziehbarkeit oder zumindest Faszination ihres Tuns wäre doch denkbar gewesen. Stattdessen verliert man sich in absurden Genre-Einerlei, in welchem auch die Darsteller wenig mehr reißen können als Dienst nach Vorschrift zu verrichten. Sicherlich liefert "Gone Girl"-Star Rosamund Pike einmal mehr eine starke Darstellung, aufgrund der enormen Überzeichnung des gesamten Stoffes wirkt ihre Performance aber auch weniger glaubwürdig als viel mehr überdreht. Das lässt sich so auch über Peter Dinklage sagen, der sogar komödiantische Brotkrumen liegen lässt. Richtig herausragen tut nur Dianne Wiest, die in kleinen, vielsagenden Blicken mehr aus dem Plot rausholt, als es die Drehbücher tun.

Fazit: Reichlich krude Mischung aus verschiedenen Genres, die weder ernsthaft noch in irgendeiner Form intelligent mit der sehr interessanten Ausgangssituation umgeht. Stattdessen wandelt sich das Werk in einen zerfaserten, komplett überzeichneten Thriller ohne jegliches Gespür für Timing und Logik. Nicht gänzlich ohne Reiz, aber schon arg verzockt.

Note: 4+





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