Mehr als dreißig Jahre sind seit den schrecklichen Ereignissen im Overlook Hotel vergangen und der erwachsene Danny Torrance (Ewan McGregor) kämpft mit den Dämonen dieser Nächte, gegen die er sich mittlerweile aber auch zu verteidigen weiß. Seine Sorgen dämpft er mit Alkohol und Drogen und weist somit auch die Macht seines Shinings zurück. Schließlich versucht er dennoch, ein normales Leben zu führen, doch soll ihm dieses nicht vergönnt zu sein - auf dem Weg in die Normalität verbindet er sich mit dem kleinen Mädchen Abra (Kyliegh Curran), welche eine ähnliche Macht beherrscht und plötzlich zur Zielscheibe eines schrecklichen Kults wird. Angeführt von der düsteren Rose (Rebecca Ferguson) sucht dieser nach Kindern, die das Shining beherrschen, um sie zu verzehren...
Exakt neununddreißig Jahre hat es also gebraucht, um auch zu Stanley Kubricks als zeitloses Meisterwerk verehrten "Shining" eine Fortsetzung in die Kinos zu bringen. Diese wäre sicherlich nie gekommen, hätte sich Horrorautor Stephen King nicht Dekaden später selbst an eine Romanfortsetzung seiner Kultgeschichte gewagt - und nun ist sie also hier, die Weitererzählung eines so gewichtigen Films, dass er die Popkultur bereicherte und gar neu definierte. Ich selbst konnte "Shining" diesen hohen Platz in der Kinogeschichte nie ganz einräumen, weiß aber natürlich von seiner Größe und was für eine schwere Bürde "Spuk in Hill House"-Regisseur Mike Flanagan hier trug. Und angesichts dieser Tatsachen muss man sagen, dass er sich hervorragend aus der Affäre zieht, auch wenn ihm kein perfekter Film gelungen ist. Das hat dann aber weniger mit der schweren Bürde zu tun, denn als reine Fortsetzung der Geschichte rund um Jack Torrance macht "Doctor Sleep", wie er im Original wesentlich griffiger heißt, eine Menge richtig.
Tatsächlich scheint sich der Film viel weniger an die zu richten, die "Shining" liebten... zumindest bis zu einem gewissen Punkt. Denn Flanagan begeht, auch dank der Romanvorlage von King, nicht den Fehler, hier nur einfach den Kult von damals auszugraben und irgendwie neu zu verwursten. Das kommt erst spät, sehr spät, wenn wir doch noch zu den alten Szenarien zurückkehren, die aber ebenfalls in einem neuen Gewand präsentiert werden. Und nach rund zwei Stunden Plot, die sehr eigenständig und atmosphärisch inszeniert sind, ohne sich dabei mit dem Original zu vergleichen, darf letztendlicher Fanservice dann zumindest in Maßen noch sein - und Flanagan verstrickt diese überdeutlichen Referenzen dann sowohl inszenatorisch als auch plottechnisch gut genug mit der Geschichte, um diese Szenen nicht nur als reines Stückwerk stehenzulassen.
Tatsächlich geht es im Plot um eine Geschichte, die im Original nur eine kleinere Randnotiz einnahm, denn dieser fünfjährige Danny, der damals vor seinem mit einer Axt bewaffneten, wahnsinnigen Vater davonrennen musste, hatte eine Begabung. Diese beleuchtete Stephen King schließlich in einer Fortsetzung, die dementsprechend wenig mit den Geschehnissen aus dem Overlook Hotel zu tun hat, auch wenn der Schatten der Vergangenheit deutlich über diesen neuen Vorfällen liegt. Flanagan verfährt ähnlich und kann seinem Werk somit auch einen eigenen Stempel aufdrücken. Dafür lässt er sich angenehm viel, wenn auch hin und wieder etwas zu viel Zeit, um die Charaktere, deren Leben und Gedanken zu formen. Dank einiger treffsicherer Gruselmomente, die niemals zu forciert wirken, und einer angsteinflößenden Gegenspielerin weiß das dann auch zu packen, hin und wieder sogar zu berühren. Und mit der neuen Idee eines bösartigen Kults denkt man die Geschichte des "Shining" clever weiter, macht neue Ebenen auf und läuft so nicht Gefahr, als stupide Kopie eines kultigen Klassikers zu enden.
Nein, das ist so schon alles recht stimmig und sogar die nötigen Neubesetzungen der bekannten Charaktere funktionieren mehr als gut - die neu gecasteten Darsteller sehen Danny Lloyd und Shelley Duvall frappierend ähnlich, allerdings ist ihre Filmzeit dann auch angemessen begrenzt. Der Löwenanteil fällt "Der Ghostwriter"-Star Ewan McGregor und Newcomerin Kyliegh Curran zu, die ihre Sache sehr ordentlich machen. Rebecca Ferguson überzeichnet als fiese Antagonisten hin und wieder ein wenig und wird darüber hinaus auch nur recht einseitig charakterisiert, dafür bringt sie eine enorme, furchterregende Präsenz mit und in ihrem Kult treiben sich auch noch ein paar echte Originale herum, die nicht nur als Kanonenfutter herhalten müssen. Erwähnenswert ist auch "Meg"-Star Cliff Curtis in einer sympathischen Nebenrolle, der mit der Zeit dann doch noch recht stark in den Plot integriert wird und für die ein oder andere Überraschung gut ist.
Fazit: Die große Bürde konnte Mike Flanagan mit seinem Sequel zu Stanley Kubricks "Shining" auch dank Kings Romanvorlage nehmen - seine Fortsetzung fungiert als weitestgehend eigenständige Geschichte, die nie Gefahr läuft, in eine schamlose Kopie auszuarten. Dank der atmosphärischen Inszenierung passen dabei schlussendlich auch die Referenzen an das Original ins Gesamtpaket.
Note: 3+
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