Vor vielen Jahren war sie der vielleicht gefeierste Kinderstar der Welt, doch von diesem oberflächlichen Glanz ist wenig übrig geblieben: Judy Garland (Renee Zellweger) hält sich mit Konzerten und einer Tour durch die USA über Wasser, wobei ihr Verhalten hinter der Bühne und die Abhängigkeit von Schlaf- und Aufputschmitteln aus ihr einen schier unkontrollierbaren Star machen. Garland versinkt in Geldsorgen und muss nach der gescheiterten Ehe mit ihrem Mann Sidney Luft (Rufus Sewell) auch um das Sorgerecht für ihre beiden Kinder fürchten. In einem Sog aus Verantwortung für ihre Familie und dem Kmapf um den zurückbleibenden Ruhm flüchtet sich Judy - und dieser Sog soll sie beinahe zerreißen. Das Angebot des berühmten Theaterproduzenten Bernard Delfont (Michael Gambon), welcher dem ehemaligen Kinderstar einen Platz in seinem Saal bieten will, scheint ihr letztes zu sein...
Die anfänglichen Stimmen bezüglich der Besetzung von "Unterwegs nach Cold Mountain"-Star Renee Zellweger, welche die berühmte Judy Garland in ihrem Biopic während den letzten Karrierejahren spielen sollte, waren kritisch. Und das ist irgendwie verständlich, denn kaum einer von uns hätte zwischen Zellweger und Garland irgendeine optische Ähnlichkeit herstellen können. Umso überraschender nun das Ergebnis: Zellweger nahm letztendlich gar den Oscar als beste Hauptdarstellerin mit nach Hause und stach dabei namhafte Konkurrenz wie Saoirse Ronan in "Little Women" und Scarlett Johansson in "Marriage Story" aus. Und obwohl ich gerade letzterer aufgrund ihrer fabulösen Leistung in dem schwer ertragbaren Netflix-Drama den Gewinn gegönnt hätte, lässt sich nicht leugnen, dass Zellwegers Leistung in diesem Film über jeden Zweifel erhaben ist.
Wie es ihr gelingt, durchweg einen Schleier des Glamours über dieser eigentlich vollkommen zerstörten Person erstrahlen zu lassen, der während des ganzen Films hinweg nur einmal vollkommen fällt, das ist schon beeindruckend. Natürlich ist dies dementsprechend eine sehr große Performance, die manch einer auch als "Overacting" bezeichnen mag. Sieht man sich die Live-Auftritte der wahren Judy aber mal an, dann ist es verflixt erstaunlich, wie nah Zellweger dem Original kommt... manchmal verschwindet der "Chicago"-Star schlichtweg hinter Garland und man meint, direkt sie zu sehen. "Judy" ist dementsprechend auch eine reine One-Woman-Show einer absolut beeindruckenden Schauspielerin, die hier schlichtweg eine der besten Leistungen ihrer Karriere darlegt und an der man sich kaum sattsehen kann - es führt aber auch dazu, dass der Film darüber hinaus wenig mehr zu erzählen hat als vom Fall einer Ikone zu berichten.
Dieser ist durchweg bewegend und packend dargeboten und die Emotionalität ist gerade im Finale, wenn Judy tränendrückend ihren berühmtesten und gleichsam auch ihren schwierigsten Song anstimmt, erdrückend. Es ist aber schade, dass angesichts des berechtigten Fokus auf seinen Star viele gute Einfälle links liegengelassen werden, die an und für sich ordentliches Potenzial geboten hätten. Da wäre zum Beispiel die Rolle der jungen Assistentin, die offensichtlich eine Bewunderung für den Star hegt, darüber hinaus aber auch offenkundig keinen Gefallen an den Allüren der Sängerin findet - eine Rolle, die im weiteren Verlauf aber kaum Gelegenheiten bekommt, gerade diesen spannenden Konflikt näher herauszustellen. Das gilt dann auch für namhaftere Stars, denn gerade die Rolle des unter anderem aus "Harry Potter" und "Victoria & Abdul" bekannten Michael Gambon ist hier enttäuschend klein ausgefallen, während der Geschichte um Judy und ihre Familienstreitigkeiten vergleichsweise etwas zu viel Zeit eingeräumt wird.
Noch enttäuschender ist, dass der Blick in Judys Kindheit so kurz ausfällt. Sicher, "Judy" soll vor allem ein Film über die letzten Jahre im Leben dieser grandiosen Künstlerin sein, dennoch hätte man gern mehr Szenen hinter den Kulissen der "Oz"-Produktion gesehen. Angesichts der schlichtweg menschenfeindlichen Regeln, denen sich die kleine Garland unterordnen muss, um ein Star sein zu dürfen, wird man dabei mit schockierenden Momenten geködert, die aufgrund ihrer Seltenheit aber oft nicht richtig atmen können. Zudem ist Newcomerin Darci Shaw in der Rolle der jungen Judy Garland ebenfalls so verflixt gut, dass ich mir gewünscht hätte, mehr aus dieser Zeit zu sehen - dafür war dann aber wohl kein Platz mehr.
Fazit: "Judy" ist ein intensives Biopic über einen der größten Stars der USA und dessen unvermeidlichen, auch von außen herbeigeführten Fall. Renee Zellweger spielt dabei so grandios, dass man hin und wieder über manch eine übersehene Idee und kleinere Längen hinwegsehen kann - letztendlich bleiben aber zu viele dramaturgisch kräftige Gelegenheiten ungenutzt.
Note: 3+
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